Den Tag nutzen
Auf das englische Wetter ist nie Verlass. Wir haben CKL Developments bei einem Vortest für das an diesem Wochenende laufende Members’ Meeting in Goodwood beobachtet. Nicht weniger als sieben Autos hat die nahe des historisch so bedeutenden Ortes Battle (Ort der Schlacht von Hastings) residierende Truppe mitgebracht. Doch der Wettergott meint es nicht gut mit uns. „Ich habe das schon oft erlebt. Ein ganzer Tag liegt vor uns, doch man weiß, dass es bis zum Abend nicht mehr aufhören wird zu regnen“, sagt Sam Hancock, der den Lister „Knobbly“ mit Chassisnummer BHL 101 im Auftrag seines Besitzers in der Scott Brown Trophy pilotieren wird. „Und dann fällt dir plötzlich ein, dass es ja auch am Renntag nass sein könnte und ärgerst dich, nicht mehr Nutzen aus den Verhältnissen gezogen zu haben.“
Wertvolles Metall
Neben BHL 101, einem wunderbaren kleinen Lotus 11 und einem Jaguar E-type Low Drag-Nachbau hat CKL auch den ohne Zweifel zweiten wichtigen unter den noch existierenden „Knobblys“ mitgebracht: Chassis BHL 105, gesteuert von seinem Besitzer Chris Lunn. Zeitgleich werden in der Werkstatt in East Sussex drei weitere Lister vorbereitet, um in letzter Minute noch in Blyton Park getestet werden zu können. CKL hält pro Jahr mehrere Testtage ab, die meistens mit großen historischen Renn-Meetings zusammenfallen. Im Vergleich zu Track Days ist die Mitnahme von Passagieren nicht erlaubt. Es erfolgt eine Zeitnahme, um Fahrern und Mechanikern die Möglichkeit zu geben, sich und die Autos für den Renntag optimal einzustellen. Am liebsten natürlich im Trockenen...
Der erste Eindruck zählt
Hancock ist gerade nach den ersten Runden im BHL 101 zurück ins Fahrerlager gerollt. Seine weit aufgerissenen Augen zeugen noch davon, wieviel Arbeit es ist, dieses brutale britische Biest auf dem rutschigen Asphalt zu halten. Sein Techniker Chris Phipps fragt, wie denn das Auto so gehe. „Es geht, zwar nicht immer in die Richtung, in die ich will, aber es geht!“, lautet die Antwort. Laut Phipps lassen sich bei einem historischen Modell wie diesem speziell im Regen nur wenige Parameter – wie zum Beispiel der Reifendruck –ändern. So geht es ihm vor allem darum, Sam ein gut ausbalanciertes Auto hinzustellen, gerade an einem so regnerischen Tag wie diesem. Und ist Sam zufrieden? „Ich habe das Auto zuvor erst einmal gefahren, das war vor einigen Wochen in Brands Hatch“, erklärt Hancock. „In der Regel hat man schon nach wenigen Kurven ein Gefühl dafür, wie gut die Balance eines Autos ist und wie gut es zusammenschraubt ist. Von der ersten Runde ab fühlte sich dieses Auto super an: Lenkte prima ein, sehr neutral, mit vorhersehbaren Reaktionen.“
Die Zeiten ändern sich
Sowohl Hancock wie Phipps erwarten das Auto beim Members’ Meeting an vorderster Front der Scott Brown Trophy. Es ist ein Rennen zu Ehren des legendären Rennfahrers Archie Scott Brown, mit einem ganzen Schwarm von Listers der Baujahre vor 1966. Auf Lister Jaguar feierte Archie seine größten Erfolge feierte, ehe er 1958 ebenfalls auf einem solchen Jaguar-Abkömmling bei einem Sportwagenrennen in Spa tödlich verunglückte. So obsessiv ist der Grad der Vorbereitung, so hochkarätig die heute im historischen Motorsport angewandten Technik, dass die meisten Autos Goodwood heute schneller umrunden als weiland Scott Brown. Ein Phänomen, das CKL Gründer und Technikdirektor Chris Keith-Lucas mit gemischten Gefühlen sieht.
Änderung zum Besseren?
„In manchen Fällen stehen wir unter dem Druck, die Autos im Vergleich zu ihren Leistungen in der Vergangenheit weiter zu entwickeln“, räumt er ein. „Aber ist das nicht auch ein toller Spaß? Unsere Passion für historische Autos mit moderner Technologie und heutigem Know-how zu kombinieren? Früher waren die Starterfelder voll mit Herrenfahrern. Jetzt setzen wir ‚richtige’ Piloten in die Autos, wie zum Beispiel Sam. Denn die Besitzer wollen, dass ihr Auto gewinnt. Darin liegt eine große Chance, die Zucht zu veredeln.“ Phipps pflichtet bei: „Ein absolut originalgetreuer Wagen ist nicht nur weniger sicher, sondern auch nicht mehr länger konkurrenzfähig. Die Leute wollen originalgetreue Wagen, aber sie wollen auch gewinnen – aber beides passt nicht zusammen.“
Modifikationen, die entweder die Leistung steigern oder die modernen Sicherheitsvorschriften erfüllen, werden so ausgeführt, dass sie jederzeit leicht wieder rückgängig gemacht werden können. In manchen Fällen hat CKL sogar exakte Kopien von Kundenautos gebaut – weil die Originale dramatisch im Wert gestiegen waren und ihre Besitzer sie nicht mehr dem Risiko eines Autorennens aussetzen wollten.
Ein paar erfahrener Hände
CKL ist spezialisiert auf eine breite Palette von Sportwagen der 50er- und 60er-Jahre. Das Kerngeschäft bilden dabei Modelle mit Jaguar-Motoren – vom C-und D-type bis zu Listers und Tojeiros. Keith-Lucas gründete die heute als weltweiter Spezialist für diese Typen geltende Firma im Jahr 1999. Zuvor war er 25 Jahre lang als Leiter von Lynx Engineering tätig. „Ich hatte die romantische Vorstellung, anstatt langweiliger normaler Ingenieursarbeiten mein Wissen über historische Rennwagen zu nutzen und anzuwenden“, erinnert er sich. „Und es ergab sich, dass unser erster Job die Restaurierung eines C-type für einen Burschen aus der Gegend war. Das war vielleicht das erste Mal, dass jemand einen C-type restaurierte, denn sie waren damals ja noch nicht alt.“ Mund-zu-Mund-Propaganda setzte ein, und bald galt Keith-Lucas unter Jaguar Besitzern als DIE vertrauenswürdige Adresse. Man nehme nur Chris Lunn, der seit über 20 Jahren BHL 105, einen der weltweit originalgetreuesten Lister, in die Obhut von Chris Keith-Lucas gegeben hat.
XK als Fahrschulauto
Wenn erst mal die Tore zum Goodwood Members’ Meeting geöffnet und die Autos ihre ersten Runden abgespult haben, vergisst man nur zu schnell die umfangreichen Vorbereitungen im Vorfeld des großen Tages. „Wir nehmen einem Besitzer nahezu alles ab“, betont Wicher Kist, Geschäftsführer von CKL und zeit seines Lebens Automobilingenieur. „Vom Event Support über den Transport und die Lagerung bis zu Wartung und Restaurierung, und zwar alles in-house. Viele unserer Kunden kommen erst durch uns an ihre Einladung nach Goodwood.“
Denn jeder fängt irgendwann mal klein an – auch im Oldtimer-Rennsport. Heute hat das Team zum Beispiel ein von Keith-Lucas und dessen Gattin pilotiertes Jaguar XK150 Fixed Head Coupé mitgebracht. Ein potenzieller Kunde will es sich auch schon mal angucken und eine Sitzprobe absolvieren. „Viele mittlerweile in der Rennszene sehr bekannte Fahrer haben mit Hilfe unserer professionellen Tutoren die ersten Schritte in einem XK gemacht, ehe sie auf stärkere Modelle gewechselt sind“, verrät uns Keith-Lucas. „Es ist so, als würde man mit einer Tiger Moth das Fliegen lernen. Weil beide sehr sicher sind und – im Fall des XK – das Auto alles tut, was ein Auto tun sollte. Und so lernen die Neueinsteiger, wie man einen historischen Rennwagen richtig fährt.“
Vorwärtsdenken
Der Tag geht weiter, doch nie hört der Regen lang genug auf, um eine trockene Ideallinie entstehen zu lassen. Während alle darüber frustriert sind, lassen sie sich den Tag nicht völlig vermiesen. Ein nasser Kurs ist diametral anders als ein trockener, sodass es sich auszahlt, heute die richtige Linie und die richtigen Bremspunkte zu lernen. Denn am Renntag können leicht ähnliche Verhältnisse herrschen, gerade in England. Selbst wenn die Mechaniker das Auto noch nicht in den Maximum-Attack-Modus gebracht haben, lassen sich im Training aus jeder Sitzung neue Dinge lernen. Und wenn andere Schutz vor dem Regen suchen, ist die Piste ziemlich leer. Es ist jedenfalls eine Freude zu erleben, wie ein Fahrer vom Format eines Sam Hancock mit seinem Techniker Chris Phipps kommuniziert und sie zusammen das Auto verbessern.
In der kleinen CKL-Ecke im Fahrerlager von Goodwood herrscht eine von Passion und Entschlossenheit geprägte Atmosphäre. Hier ist eine Gruppe kompetenter Menschen, die die das tun, was sie wirklich lieben. Obwohl einige dieser Wagen ungemein wertvoll sind, wirkt alles sehr unprätentiös. CKL wird sich gut auf das Members Meeting vorbereitet haben und wir haben keinerlei Zweifel, dass ihre Autos ganz vorn bei der Musik sein werden. Und wer weiß: Falls es wieder regnet, entscheiden die heutigen Runden vielleicht darüber, ob ein Fahrer an der Siegerzigarre ziehen darf oder nicht...
Fotos: Robert Cooper für Classic Driver © 2017