Kaum zu glauben, aber 1990 ist auch schon wieder 33 Jahre her. Drei Jahrzehnte sind vergangen, seit diese vom Aufbruch der Computer erfüllten, hoch ambitionierten Jahre begannen. Was vielleicht noch frappierender ist: Autos aus dieser Ära gelten heute bereits als Klassiker. Autos mit denen viele unter uns aufwuchsen und begehrten wie die rassigen Hot Hatches von Peugeot, Renault und Ford, die heute himmelwärts stürmende Preise erzielen, ganz zu schweigen von den Exoten und Sportwagen jener Zeit.
Für Mercedes-Enthusiasten existieren ein paar Begriffe, die sofort für wohliges Erschauern sorgen: Mercedes-Aufrecht, Melcher und Großaspach. Bekannt auch als AMG. Eine kompromisslose Leidenschaft für Motorsport und technisches Raffinement sollte zwei Männern, Hans Werner Aufrecht und Erhard Melcher, eine Karriere wie eine Achterbahnfahrt bescheren und den Ruf als einer der begehrtesten Tuner – ein Renommee, das schließlich zu einer Partnerschaft mit dem ultimativen Kunden führen sollte. Im Laufe dieser Entwicklung schufen sie Meisterwerke wie zum Beispiel diese drei Ikonen, die sich Morton Street Partners sichern konnten.
Während das AMG-Treatment eine immer wichtigere Option für selbst die schlichtesten, Hybrid-angetriebenen C-Klasse-Modelle geworden ist, ist die Signifikanz der Autos, die von diesem kleinen Unternehmen in den Anfangstagen kreiert wurden, ohne Gleichen, wobei es wesentliche Unterscheidungsmerkmale gibt zwischen Exemplaren, die vor der Übernahme durch Mercedes-Benz entstanden und jenen danach. Diese brillanten Ingenieure haben sich nicht nur ein besonderes Styling mit Softleder-Verkleidungen einfallen lassen, sondern auch fundamentale Optimierungen und Modifizierungen für ein sowieso schon formidables Auto. Damit formten sie Charakteristiken, welche für die kommenden Jahrzehnte die Grundlagen für Mercedes-AMG-Modelle bilden sollten.
1990 300CE-24 3.4 AMG Widebody
Wir starten von einem Zeitpunkt aus, als AMG noch eine relativ unabhängige Firma war, damals, als Mercedes den W124 in gewaltiger Zahl in der ganzen Welt verkaufte. Die Limousine wie auch der Kombi waren bekanntlich kastenartig gezeichnet, aber die Coupé-Variante war eine Augenweide, vor allem in der selbstbewusst ausladenden Form des 300 CE-24 3.4 AMG Widebody von 1990. Dieses Auto war die perfekte Verkörperung des schieren Wahnsinns wie ihn sich AMG vorstellte. Der serienmäßige M104 3,0-Liter-Reihensechszylinder wurde auf 3,4 Liter Hubraum aufgebohrt, die Kurbelwelle optimiert, um den Hub zu vergrößern, während die von AMG selbst entwickelten Nockenwellen die Performance im obersten Bereich weiter verbesserten.
Dieses Auto gilt als eines von nur 20 Widebody 3.4-Exemplaren, die gebaut wurden und entstand vor der Vermählung von Mercedes und AMG in 1993. Exemplare wie dieses wurden individuell und komplett in Manufaktur gefertigt. Dieser Umstand sollte sich nach der Fusion ändern, bedeutet aber auch, dass keine zwei Fahrzeuge vor diesem Zeitpunkt gleich sind, was ebenfalls zu ihrem Status beiträgt.
Ein Großteil der Fahrzeuge wurde bei AMG in Affalterbach produziert und dann zu den ungeduldig wartenden neuen Eignern in der ganzen Welt verschifft, dabei fanden viele – genau wie dieses Exemplar – ein neues Zuhause in Japan. Trotz der deutschen Produktionsstätte hatte AMG zu dieser Zeit autorisierte Niederlassungen weltweit, die Großbritannien, Nordamerika und Japan umfassten. Obwohl dieses Coupé wie der Hammer, den wir alle kennen und lieben aussieht, bietet der 3.4 – auch liebevoll als „Baby Hammer“ tituliert – ein völlig unterschiedenes Fahrerlebnis. Der 3.4 ist wegen des leichteren Motorblocks agiler, übrigens sollte AMGs charakteristische Expertise in zukünftige Mercedes-Benz-Serienmodelle einfließen.
1994 Mercedes-Benz E60 Limited AMG
Obwohl wir uns für unsere nächste Rarität auf der Zeitachse vier Jahre nach vorn bewegen müssen, sollten wir uns dennoch die Zeit nehmen, um die Arbeit zu bewundern, die AMG investieren musste, um einen für den W124 bereiten V8-Motor zu entwickeln. Während der Reihensechszylinder aus dem 3.4 noch vergleichsweise leicht war, forderte der wuchtige, schwere V8 das ganze Wissen und die ganze Kühnheit des Teams. Zunächst wurden Trennwand sowie Motorraum neu gestaltet, außerdem wurde die Batterie ans Heck des Autos verlegt. Ein kleiner aber entscheidender Eingriff und einer den Mercedes für künftige Modelle wie den 500E übernehmen sollte. Bezogen auf Innovation war dies eine enorme Leistung der Männer und Frauen in Affalterbach, vor allem, wenn man bedenkt, dass es 1984 geschah. Aber es sollte aller Mühen wert sein, denn diese Strategie, um einen großvolumigen V8 einzupassen, bildete die Grundlage für Modelle wie die S-Klasse der Baureihe W126 und den R129-SL.
Diese elegante Supersportlimousine von 1994 ist Morton Street Partners Beispiel aus der Epoche nach der Fusion von Mercedes und AMG: Ein extrem seltener E60 Limited AMG und zugleich wohl die größte Schöpfung. Da der Vertrag zwischen beiden in 1993 unterschrieben wurde, dürfte dieses Exemplar in der Übergangsphase der Übernahme entwickelt worden sein, was erst recht zu dessen Prestige beiträgt. Die Kennzeichnung E60 verleiht bereits Seltenheitswert, aber der Begriff „Limited“ hebt das Auto komplett in andere Sphären – aufgebaut auf dem E500, aber mit einem auf wuchtige 6,0 Liter Hubraum aufgebohrtem V8. Um sicherzustellen, dass Sie es mit einem echten E60 zu tun haben, gilt es die Ziffer 957 auf dem Typenblatt zu suchen, das technische Kürzel für den AMG 6,0-Motor. Freuen Sie sich, wenn Sie diese Ziffer entdecken, aber wenn man in den wahren MSP-Bereich der Rarität aufrücken will, dann brauchen Sie sowohl den Code 957 wie auch 958 – die erweiterte Signatur eines E60 „limited“. Deren Beschreibung ist vage und belässt es schlicht bei „Limited Edition“. Ein ziemlich cooles Understatement, oder?
Für die Glücklichen, die so ein Auto schon fahren durften – wie MSP-Mitbegründer Jake Auerbach -, ist der E60 eine einzigartige Mischung aus Balance, Understatement und aberwitziger Leistung. Jake erzählte uns von seinem Fahrerlebnis: „Da gibt es etwas, wenn man den E60 Limited fährt, dass sich wie ein Tabubruch anfühlt – Leistung dieses Kalibers in einem Mercedes aus jener Epoche fühlt sich geradezu illegal an. Aber man konnte tatsächlich dieses Auto von einer Werksniederlassung zusammen mit einer Werksgarantie erwerben. Es war ein unglaublicher Moment, als Mercedes entschied, sich so überzeugt und vertrauensvoll hinter AMG zu stellen und ein Fahrzeug anzubieten, das eine Revolte gegenüber dem traditionellen Markenimage darstellte. Und dann zu erkennen, dass AMG den von Porsche entwickelten 500E-Motor betrachtete und feststelle: Das könnten wir bestimmt besser.“ Es ist ein Auto, das etwas Finsteres besitzt, selbst dann, wenn man sich nicht so gut in der Geschichte der Post-Übernahme-Modelle auskennt.“
1995 Mercedes-Benz 500 SL “Red Picasso”
Obwohl der Baby Hammer und der E60 Limited die Mercedes-Markenphilosophie gemäß dem Claim „Das Beste oder nichts“ ausdrücken, ist die dritte Offerte von Morton Street Partners ein echtes Autokunstwerk. Eines, das Sie vermutlich noch nie gesehen haben. Die Designo-Abteilung von Mercedes, wo einige der talentiertesten Designer weltweit tätig waren, war auch der Magnet für Kreative in den 90ern. Keine Idee schien zu verrückt, wenn das Budget dafür vorhanden war. Und wer wirklich hervorstechen wollte, wählte das Interieur als Bühne – oder Leinwand. Dieses auf äußeres Understatement bedachte Cabrio verbirgt einen „Picasso“ im Innenraum, der den Passagieren eine Reise in einer ganz realen Kunstausstellung in Aussicht stellt. Üppiges rotes Leder bedeckt fast jede Fläche und kontrastiert mit den einmalig gemusterten Sitzeinlagen und Türinnenverkleidungen. Die Gestaltung zeigt, wie verspielt und phantasievoll diese auf klare Ansagen und Sachlichkeit spezialisierte Marke sich geben kann.
Wenn man diese Autos sieht, aufgereiht geparkt in einer der eher düsteren Seitenstraßen von New York City, und dazu aus einem nahen Toyota Camry Songs vom Album Illmatic des Rappers Nas dröhnen, dann fällt es schwer, sich irgendeine andere Marke vorstellen zu können, die sich so eine Präsenz erlaubte. In Wahrheit dürfte das auch keiner anderen Automarke gelingen und das ist vielleicht die Muskulatur, die ein AMG Mercedes aus den neunziger Jahren spielen lassen konnte: Die Fähigkeit, unter dem Radar zu bleiben, während jenen, die einen zweiten Blick riskierten, das Herz vor Begeisterung raste. Diese Modelle wollen Sie nicht mit dreistem Auftritt oder viel Lärm erobern, ihre Präsenz auf der Straße genügt, um Sie süchtig nach mehr werden zu lassen.
Fotos von Glen Allsop