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Dieser australische Porsche 996 GT3 steuert statt den Boxen den nächsten Coffee Stop an

Der erste 911 GT3 war Porsches letzter echter Homologation Special. In den frühen 2000ern kämpfte dieser Ex-Fitzgerald GT3 Clubsport um Podiumsplätze in der australischen Nations Cup-Serie. Erstmals zurück auf öffentlichen Straßen begleiteten wir Besitzer Stewart Kay auf einer Tour mit Coffee Stop.

Der von Peter Fitzgerald Anfang des neuen Jahrtausends im Nations Cup pilotierte 996 GT3 steht auf einem Parkplatz am Strand von Port Willunga, Südaustralien. Und kühlt sich ab. Seine in der Motorsport-Gemeinde Kultstaus genießende Falken Tyres-Livery wirkt auf die morgendlichen Hundespaziergänger herrlich deplatziert. Einige von ihnen werfen uns wissende Blicke zu, andere blicken eher unschlüssig, während sie den Sand von ihren Schuhen klopfen. Wahrscheinlich hatten sie uns in der stillen Luft schon kilometerweit kommen hören, obwohl wir nicht allzu flott unterwegs waren. Später werden es 35 Grad sein; wir sind nicht die einzigen, die den kühlen Morgen nutzen.

Der Barista vom direkt am Strand liegenden Café/Restaurant „Star of Greece“ bringt uns zwei doppelte Flat Whites, aber wir brauchen das Koffein nicht, weil schon genug angeregt. Schließlich haben wir gerade den Vormittag damit verbracht, einen der berühmtesten australischen Renn-Porsche über leere und hügelige Straßen zu fahren. Jetzt, wo er eine vollständige südaustralische Zulassung erhalten hat. Was ein ziemliches Kunststück war in einem für seine strengen Straßenverkehrsregeln bekannten Land.

„Kannst Du Dir vorstellen, dass Porsche den GT3 ursprünglich nie als Straßenauto konzipiert und angeboten hat?“, fragt Stewart. „Er war als Rennwagen für Rennsportkunden gedacht. Sie hatten aus Gründen der Homologation zwar eine Straßenzulassung, aber die meisten 996.1 GT3 wurden nach Australien gebracht, um mit ihnen dort Rennen zu fahren – das war der Grundstein für das Kundenrennprogramm, das von da an wirklich zu wachsen begann.“

Frühe 996 GT3 wurden noch per Hand in der Porsche-Motorsportabteilung in Weissach gebaut, gleich neben den Cup- und RSR-Modellen, die nie eine öffentliche Straße sahen. Ihr Options-Code war „003 Clubsport” und umfasste einen kompletten Überrollkäfig, ein Feuerlöschsystem, einen Schroth-Sicherheitsgurt und ein Einmassen-Schwungrad. Das in Iris Blue lackierte Fitzgerald-Auto wurde am 17. Juli 1999 fertiggestellt.

Der heute 72-jährige Fitzgerald war zusammen mit dem siebenfachen Bathurst-1000-Sieger Jim Richards erster Kunde des neuen 996 GT3. Seine Fitzgerald Racing Services Operation wurde von Porsche Australia maßgeblich unterstützt. Beide Autos gingen nie an einen Händler - Jim und Peter holten sie gemeinsam direkt vom Kai in Melbourne ab und schickten die beiden zuvor von ihnen gefahrenen 993 RS Clubsport aufs Altenteil.

„Sie fuhren sie direkt vom Hafen zur Zulassungsstelle, und Peter schwört bis heute, dass er Jim dort zuvorkam und seinen Wagen somit als ersten GT3 Australiens zugelassen bekam! Mit der Straßenzulassung in der Tasche ging es dann direkt in ihre jeweiligen Werkstätten, um sich auf die Rennen vorzubereiten. Und innerhalb weniger Wochen starteten schon die ersten Testfahrten.“

Beide hatten ein Auge auf die neue Nations-Cup-Serie geworfen, die zur Jahrtausendwende ihr Debüt feierte. Unter dem Patronat der CAMS (Confederation of Australian Motor Sport) war sie dazu auserkoren, zur führenden GT-Serie zu werden und zugleich die vom ewigen Zweikampf „Holden-gegen-Ford-V8“ lebende Supercars-Meisterschaft auf dem Höhepunkt ihrer Popularität zu unterstützen. Das Reglement erlaubte Freiräume bei Felgen, Reifen, Bremsbelägen, Steuergeräten, Federn und Dämpfern sowie bei der Wahl der Kupplung. Abgesehen von der vorgeschriebenen Sicherheitsausrüstung blieben die Autos aber ansonsten weitgehend serienmäßig.

Die Nennungsliste für das Eröffnungsrennen auf dem Stadtkurs von Adelaide liest sich noch heute eindrucksvoll. Fitzgerald und Richards waren nicht die einzigen, die Stuttgart vertraten – für dieses Wochenende waren 13 weitere 996 GT3 gemeldet. Mark Noske war in seinem von Prancing Horse Racing genannten 360 Challenge der schnellste der vier Ferrari. Paul Stokell vertrat das Team Lamborghini Australia in einem Diablo SVR, und Geoff Morgan, Rusty French und D'arcy Russell brachten ein Trio von Dodge Viper ACR an den Start.

Das erste Rennen ging an Noske im Ferrari; Fitzgerald siegte beim dritten Lauf in Canberra, doch Meister der Saison 2000 wurde mit drei Siegen der heute 76-jährige Neuseeländer Richards. Mit Platz zwei in der Endtabelle sicherte Fitzgerald Porsche einen Doppelsieg.

Richards gewann die Meisterschaft 2001 ein zweites Mal; diesmal vor Paul Stokell auf einem weiterentwickelten Diablo GTR. Fitzgerald kam auf Platz drei. Für 2002 wurde das Reglement weiter gelockert und nun stand der für den Porsche Carrera-Markenpokal entwickelte neue 996.2 GT3 Cup zur Verfügung. Diese linksgelenkten Modelle waren nun allein  für Rennsporteinsätze zugelassen, womit die Ära, in der Teams und Fahrer mit straßenzugelassenen 911 auf dem Top-Niveau des GT-Rennsports antreten konnten, ein Ende fand.

Fitzgerald stieg für die Saison 2002 auf einen solchen 996.2 GT3 Cup um und verkaufte den 996.1. Wie üblich bei ausrangierten Rennwagen ging er über die Jahre durch die Hand verschiedener Besitzer und wurde dabei mindestens zweimal neu lackiert. Zeitweise kam er bei Asphalt-Rallyes zum Einsatz, dann mit einem 997 Cup-Motor und einem sequentiellen Getriebe aufgewertet.

„Ein paar Freunde in Sydney hatten damit begonnen, einen 2.7 RS von 1973 zu restaurieren, und bei ihren Nachforschungen entdeckten sie, dass der Wagen eine fabelhafte Rallye-Vergangenheit in Irland hatte, so dass sie ihn wieder auf diesen Stand brachten. Das brachte mich zum Nachdenken: Welches ist der letzte auf der Straße zugelassene Porsche-Rennwagen?“, erinnert sich Stewart Kay.

„Dieser GT fuhr in Bathurst, im Rahmenrennen zum Formel-1-Grand Prix von Melbourne, beim Sandown 500 und sogar hier in Adelaide, als die American Le Mans Serie an Silvester 2000 ihr 1000-Kilometer-Rennen abhielt. Und die ganze Zeit über mit der Zulassung des Bundesstaates Victoria, obwohl er nie auf der Straße gefahren wurde.“

Stewart erwarb den Wagen im Jahr 2020 und begann mit einer Restaurierung, die neben einer Hommage an seine Geschichte das Ziel verfolgte, ihm in den kommenden Jahren noch viel Freude bereiten zu können. Glücklicherweise hatte das Auto nie einen größeren Unfall, und ein früherer Besitzer hatte ihn schon wieder auf die Falken-Optik zurückversetzt, wobei das Werks-Irisblau an einigen versteckten Stellen noch zu sehen war. Auch der Original-Motor und das Original-Getriebe waren wieder mit dem Wagen vereint.

Stewart hatte eine klare Vorstellung davon, wie er den Porsche fortan nutzen wollte. In seiner kleinen Garage stehen bereits ein atemberaubend unrestaurierter 901 von 1965 – der dritte gebaute Rechtslenker und der allererste, der nach Australien geliefert wurde. Daneben ein 1975 gebauter 924, mit dem Jürgen Barth und Roland Kussmaul 1979 die 18.500 Kilometer lange Repco-Rallye Australien absolvierten und nach 14 Tagen als Achte im Gesamtklassement und Sieger der Gruppe 4 bis zwei Liter Hubraum ins Ziel kamen. Ferner ein handgeschalteter 928 und ein 996 Carrera. Der Fitzgerald GT3 sollte einen Platz als Wochenend-Café-Racer erhalten, immer noch mit der Option, ihn auch wieder auf einer Rennstrecke ausfahren zu können.

Der GT3 war insgesamt ziemlich komplett, es ging bei der Restaurierung eher um Details und Modifikationen zurück zum Original, um die strengen Zulassungsvorschriften Südaustraliens zu erfüllen. Beim originalen Matching-numbers-Motor mit 996.1-Block behielt man die zwischenzeitlich eingebauten 997 GT3 Cup-Zylinderköpfe und Ansaugkrümmer bei, dazu wurde neu ein Cargraphic-Auspuff mit Katalysatoren montiert. Der Überrollkäfig wich einem werksseitigen Clubsport-Heckteil, die Air-Jacks zum schnellen Anheben des Wagens bei Boxenstopps wurden ausgebaut und dafür die lange vermissten Clubsport-Interieur-Teile aufgespürt und wieder eingebaut. GT3 mit Clubsport-Ausstattung waren mit Details wie manuell verstellbaren Außenspiegeln und einer Kunststoffverkleidung mit einer Aussparung für den zentralen Zündunterbrecher („Kill switch“) ausgestattet – und Stewart war sehr darauf bedacht, dass auch solche Details korrekt waren. Die leichten Türverkleidungen, die im Rahmen der Rennvorbereitung Fitzgerald 1999 angebracht wurden, blieben erhalten.

Die digitale Motec-Anzeige des nach dem Nations-Cup-Reglement zugelassenen Motec M8-Motormanagementsystems wurde von der Lenksäule in die untere Konsole verlegt, um die Sicht auf die serienmäßigen Instrumente zu verbessern. Ein Satz GT3-Komfortsitze wurde beschafft und ihre Polsterung auf die Lackierung abgestimmt (Stewart hat auch noch die beiden Clubsport-Recaros, mit dem der Wagen neu ausgeliefert wurde sowie den im Nations Cup installierten Rennschalensitz). Nachdem auch noch die Original-Klimaanlage und die Airbags wieder sorgfältig eingebaut worden waren, drehte der GT3 im Januar dieses Jahres erstmals ein Rad auf südaustralischen Straßen.

„Mit den Komfortsitzen und der Klimaanlage ist das Auto in einem Land wie Australien wirklich alltagstauglicher, zumal ich es so oft wie möglich fahren möchte. Die Aufhängungen und die Bremsen sind so, wie sie im Nations Cup gefahren wurden. Daher ist der Abrollkomfort mäßig und das Geräuschniveau sehr hoch. Ja, und der Motor ist ein Monster! Man kann ihn sicher nicht so auf der Straße ausdrehen wie damals ‚Fitzy‘ auf der Rennstrecke. Die Gefahr, erwischt und eingesperrt zu werden, ist einfach zu groß!“

Durch die Weiterentwicklung der wassergekühlten 911 baute Porsche ein außergewöhnlich profitables Geschäft auf, mit dem es erwachsene Männer dazu brachte, sich wie Rennfahrer zu fühlen. Aber echte Rennfahrer kaufen heute spezielle Cup Modelle, und allein die Tatsache, dass der aktuelle GT3 mit „Pfützenleuchten“ in den Türen ausgestattet ist, zeigt, dass sich die Zeiten geändert haben.

Der 996.1 GT3 Clubsport markiert das Ende einer Epoche, in der Porsches wichtigste Straßenfahrzeuge auch mit Blick auf den Rennsport gebaut wurden. Als noch die Ingenieure das Ruder in der Hand hatten, ehe die Unternehmensleitung herausfand, dass es weitaus lukrativer sei, besser vorgetäuschte als echte Rennwagen zu bauen. Dieser GT3 verkörpert alles, was an der „Sport-first“-Bewegung so gut war – ein Straßensportwagen mit Rennsport-Genen – ganz wie in vergangenen Zeiten. Er ist, zumindest in Australien, der letzte seiner Art.

Das ist verdammt viel, was man einigen Hundespaziergängern in der Morgendämmerung eines Freitags vermitteln muss – kein Wunder, dass sie uns mehrheitlich so irritiert ansahen.

Fotos von Andrew Coles / historische Fotos mit freundlicher Genehmigung von Stewart Kay