Wie in jüngerer Vergangenheit schon mehrmals beschrieben, hat eine Verschiebung in der Alterspyramide der Automobilsammler manchen Marktsegmenten zu einem regelrechten Boom verholfen: Die Rekordpreise und die Hysterie rund um 80er-Jahre-Ikonen und Millennium-Supercars sind eine direkte Folge der demographischen Entwicklung und der dadurch bedingten veränderten Präferenzen. Automobilfans, die als Kind von einem Jaguar XK120 träumten, füllen heute nicht mehr die Zelte der Auktionshäuser. Dafür sitzen dort nun jene Kunden, die als Kind das Poster eines Ferrari Testarossa an der Schlafzimmerwand hängen hatten. Diese tektonischen Verschiebungen haben Auswirkungen auf alle Bereiche des Marktes, wie uns der renommierte Analyst Dietrich Hatlapa von Historic Automobile Group International (HAGI) bestätigt: „Auch in der Händlerszene macht sich ein Wechsel bemerkbar. Wir beobachten den Einfluss einer neuen Generation, die in die Fußstapfen der etablierten Händler tritt und mit modernen Verkaufspraktiken auch jüngere Kunden anzieht.“ Weil sich die Industrie gerade an einem Kipppunkt befindet, hoffen viele Händler auf eine Zukunft, in der sie die existierenden Kunden weiter glücklich machen und mit frischen und neuen Methoden zugleich neue Kunden anlocken können. Wir sprachen mit einigen Vertretern dieser neuen Bewegung. Und während jeder seine eigenen Methoden und Philosophien verfolgt, gibt es durchaus Gemeinsamkeiten.
Kunst trifft Auto
Es ist kein Geheimnis, dass es zwischen der Welt der Kunst und des Automobils gewisse Schnittmengen gibt. Für Jan B. Lühn ist Kunst sogar eine direkte Inspirationsquelle für sein Geschäft mit Sammlerautos. „Der Kunstmarkt ist so viel moderner und fortschrittlicher als der Automarkt und heutzutage reagieren Kunden sehr positiv auf alles, was die beiden Welten zusammenführt.“ Eine vom Kunstbetrieb inspirierte Strategie Lühns ist der Pop-up-Showroom. Wie in einer Galerie oder Ausstellung werden Autos in wechselnden Kulissen gezeigt, in denen Lühn neuen Kunden in einem persönlichen, fast heimeligen Ambiente begegnen kann. Sein frischer Präsentationsstil funktioniert auch bei Events, mit einem von den Apple Stores inspirierten Showstand. „Nicht nur sind die Stände frisch und weiß. Sie verfolgen ähnlich wie bei Apple nicht das alleinige Ziel, Autos zu verkaufen, sondern den Leuten vielmehr ein Gefühl für meine Art des Geschäfts zu vermitteln.“ Die Kombination aus solchen Praktiken und eine Auswahl an Autos, die auch Lühn selbst begeistern, spricht jüngere Käufer an. Viele seiner Kunden sind um die 40, was Vorteile hat: „Ich biete nur solche Autos an, die ich auch selbst gern in meiner Sammlung hätte und hinter denen ich wirklich stehen kann. In den letzten Jahren wurde ich verstärkt von Kollegen angesprochen, die vorwiegend mit Vorkriegs-Autos oder Klassikerm handelten. Es ist nicht einfach für diese Händler, sich an die neuen Trends anzupassen. Denn ist es ist oft einfacher, wenn man mit Vertretern seiner eigenen Generation verhandelt. Das gilt für Käufer wie Verkäufer.“
Mehr als nur ein Auto
Man sagt: Nichts geht heute mehr über „Content“. In der Tat entführen die Videos und Fotos von Cool & Vintage aus Lissabon in eine entspannte, von Surfern inspirierte Hipster-Welt. „Die neue Generation kauft nicht gern bei großen Mainstream-Firmen ein“, sagt Firmengründer Ricardo Pessoa. „Sie wählt sorgfältiger aus und schaut nach kleineren Firmen, die sich wirklich um ihr Produkt kümmern. Diese Käufer wünschen sich eine Marke, mit der man sich gerne assoziiert. Wir schaffen unseren eigenen Content, um aufzuzeigen, was die Autos können und welche Erfahrungen man mit ihnen machen kann. Und dieser Content fließt dann organisch online.“ Cool & Vintage kommt tatsächlich ganz ohne Printanzeigen aus. Die Lifestyle-Videos und Fotos tauchen auf zahlreichen Blogs und Websites auf, werden in den Sozialen Medien geteilt und erreichen ein Publikum, das sich normalerweise nicht unbedingt für alte Autos interessieren würde. „Die Leute werden durch die Filme und Fotos auf uns aufmerksam und beginnen sich dann die Autos anzuschauen. Sie sehen ein Video, ziehen die Verbindung zur Marke, kehren dann jeden Monat zur Website zurück und so beginnt ein Prozess.“ Indem sie ihre eigenen Inhalte schaffen, geben Ricardo und sein Team einen Einblick in das Selbstverständnis ihrer Firma und legen offen, wie sie über ein bestimmtes Auto und den mit ihm verbundenen Lifestyle denken. In einem Meer von gesichtslosen und leidenschaftslosen Firmen, die uns jeden Tag mit neuen Meldungen zumüllen, eine erfrischende Alternative.
Barrieren einreißen
Für Arthur Kar von L’Art de l’Automobile in Paris geht es vor allem um zwei Dinge: Neueinsteiger in die Welt der klassischen Automobile unvoreingenommen zu begegnen und sich von einigen mit Sammlerautos verbundenen Stigmata zu befreien. „Noch immer gibt es leider Händler, die ihren Umgang mit einem Kunden von dessen Alter, Kleidung oder Auto abhängig machen. Bei Autos geht es aber nicht nur um Geld – der Traum ist nicht nur etwas für reiche Menschen.“ Über seinen Instagram Account erhalten Zuschauer weltweit Einblick ins Leben des Pariser Petrolheads. „Ich nutze Instagram um zu zeigen, was ich liebe und um mich selbst auszudrücken. So erhalten die Menschen im Nu einen Einblick dessen, um was es sich bei L’Art de L’Automobile dreht. Die neue Generation hat alles in ihren Händen und ist nicht daran interessiert, die ganze Zeit auf einer Website nach etwas zu suchen”, sagt Kar. Dieser offene und nach vorne denkende Ansatz trifft erfreulicherweise auch bei älteren Kunden auf Resonanz. Sie schätzen den unprätentiösen, ehrlichen und von echter Begeisterung geprägten Ansatz von Arthur und seinem jungen Team, das sich übrigens nicht nur aus Autofanatikern, sondern auch Menschen mit anderen Interessen zusammensetzt. Was sie allerdings eint, ist die gemeinsame Liebe zum automobilen Lebensstil.
So tritt heute eine neue Generation von Autoenthusiasten auf den Plan. Auch wenn sich demographische Verschiebungen naturgemäß immer wieder ergeben, scheint das Durchschnittsalter der Käufer und Verkäufer nun tatsächlich zu sinken. Zugleich verändert sich die Nachfrage. Für einige Akteure wird es schwer sein, sich anzupassen. Diese jungen Händler hier sitzen derweil schon fest im Fahrersitz und geben einer ganzen Generation die Richtung vor.