Eine spezielle Geburtstagsparty
Der Red Bull Ring in Spielberg - eingebettet in die malerische Hügellandschaft -bot den perfekten Schauplatz für die ersten Challenge & GT Days, die nach Meinung aller ein donnernder Erfolg waren. Der österreichische Ferrarisammler Heinz Swoboda hatte sich diese private und exklusive Veranstaltung ausgedacht, um Besitzer von Challenge- und GT-Ferraris in einer entspannten Atmosphäre ganz ohne den Erfolgsdruck des Motorsports zusammenzubringen. Und was kann Zuschauern wie uns Besseres passieren, als dem Gänsehaut erzeugenden Aufheulen eines Ferrari-V8 zu lauschen oder den Flash des legendären Ferrari-Rots in den Augenwinkeln für Millisekunden zu erhaschen? Der Zeitpunkt des Events war durchaus mit Bedacht gewählt, denn 2018 markiert das 25. Jubiläum der Ferrari Challenge-Serie. Zumal in den letzten Jahren sowohl Enthusiasten wie Sammler ihr Augenmerk auf die Challenge-Rennwagen wie auch die extremeren Le Mans-tauglichen GT-Maschinen richten - sie sind nicht nur selten und historisch wichtig, sondern lassen sich auch vergleichsweise angenehmer und leichter fahren.
Das sind Merkmale, die der Classic Driver-Händler und Spezialist für Rennwagen Jan Lühn nur zu gut nachvollziehen kann, der sich diesen Fahrzeugen verschrieben hat. „Es begann vor drei Jahren, als ich einen spektakulären modernen Wagen mit solider Le Mans-Historie suchte”, erinnert er sich. „Ich habe die Corvette ausprobiert und dachte auch an Aston Martin, aber der Funke ist nicht übergesprungen. Schließlich war ich bei AF Corse, dem werkseigenen Ferrari-Team und entdeckte dort einen wunderbaren F430. Seitdem habe ich fast alle der früheren Corse-Rennwagen gekauft! Mir gefällt, dass es eine Nische ist, außerdem ist die Ferrari GT-Familie klein und sehr sympathisch.”
Das Mysterium Michelotto
Lühn hat zwei Autos nach Österreich mitgebracht: einmal den 488 Challenge-Prototyp, der auch als Testwagen für die Presse diente und 2016 bei der Ferrari Finali Mondiali in Daytona erstmals gezeigt wurde und dann den von Michelotto entwickelten F430 GTC-Prototyp. „Wie alle Prototypen von Michelotto besitzt dieses Fahrzeug die Chassisnummer vier und eine offen gelegte Carbonfaser-Karosserie mit rotem Dach und verspiegelten Seitenfenstern. Ich möchte dieses Auto eine Weile behalten, weil es eine wichtige Rolle gespielt hat.” Dieser besondere GTC war Teil der Flotte von modernen Mitstreitern um die Langstreckenweltmeisterschaft, die sich an dieser österreichischen Rennstrecke ein Stelldichein gaben und größtenteils von Michelotto selbst dort betreut wurden. Cristiano Michelotto höchstpersönlich war an diesen beiden Tagen zur Hand. Sein diskretes Auftreten, seine Ruhe und Gelassenheit trugen noch zusätzlich zum Nimbus und zur Faszination seines berühmten Unternehmens bei.
Rau und hart gesotten
Ehemalige Rennwagen, welche die Spuren ihrer frühen Einsätze mit Stolz tragen, besitzen einen ganz eigenen Charme: nicht mehr ganz exakt anliegende Verkleidungen, Gummiabrieb, der bis zu den Flügeln hochklettert, die bis auf den Faden zerschlissenen Stoffe der Schalensitze und Heckstoßfänger, die von der Hitze der Endrohre schwarz eingefärbt sind. Diese Kampfspuren konnte man an den rund 40 Challenge-Fahrzeugen zur Genüge bewundern, die in Spielberg von Modellgenerationen wie 348, F355, 360, F430, 458 bis 488 aufgeboten waren. Zugleich waren auch einige ganz besondere Fahrzeuge der Einladung gefolgt wie beispielsweise der F355 Challenge, 1997 Gesamtvierter der Monza 1000 KM mit Roberto Ragazzi und Arturo Merzario am Steuer, der 348, der 1994 in seinem Farbkleid des Künstlers Dexter Brown Berühmtheit erlangte und leider danach wieder rot lackiert wurde und einer aus dem Trio der 348 Challenge-Prototypen.
Gerade dieser 348 war einer aus einer Handvoll Fahrzeugen, die den weiten Weg von den USA nach Österreich angetreten hatten. „Es gab drei 348 Challenge-Prototypen - zwei TBs und ein TS. Und wir suchen zur Zeit die beiden anderen Autos”, erzählt Logan Bennett, der den Ferrari im Auftrag seines New Yorker Besitzers zum Red Bull Ring mitbrachte und dort einsetzte. „Es handelt sich hier um ein sehr wichtiges Fahrzeug, das einige Merkmale aufweist, die es von späteren Exemplaren unterscheidet. Zum Beispiel ist Ferrari S.p.A. auch der erste eingetragene Besitzer im Bordbuch, zugleich ist er einer der wenigen Rennwagen, die vom Werk auch für die Straße zugelassen wurden. Wir haben sogar noch die Modena-Kennzeichen aus dieser Zeit!”
Ein Veteran von Le Mans...
Der Preis für den lautesten und am prächtigsten tönenden Motor geht fraglos an den Ferrari 550 Maranello GTS Prodrive. Nachdem schlechtes Wetter verschiedene Versuche, ihn laufen zu lassen, vereitelt hatte, genoss Classic Driver-Händler Max Girardo endlich den Platz hinterm Steuer. Man darf feststellen, dass der Enthusiast italienischer Sportwagenkultur ziemlich beeindruckt war. „Es ist ein phänomenales Auto und viel leichter zu fahren, als ich mir das zunächst vorgestellt hatte”, schwärmte er nach seinen ersten Runden. „Vor dem Prodrive war es der Daytona in den siebziger Jahren, der als letzter Frontmotor-V12 von Ferrari in Le Mans konkurrierte. Man kann sagen, dass wir es hier mit dem Urvater aller späteren GT-Ferraris zu tun haben.”
...mit lückenloser Historie
Mit bemerkenswerten fünf Einsätzen bei den 24 Stunden von Le Mans ist dieser Ferrari der einzige unter seinesgleichen, der so oft an der Sarthe zum Einsatz kam. Noch erstaunlicher ist vielleicht, dass genau dieses Auto seine Karriere anfangs als persönlicher 550 Maranello von Frédéric Dor begann - der kreative Vordenker des Prodrive-Projekts. Es trägt sogar noch die ursprüngliche Chassisnummer und hat eine vollständige Servicehistorie. „Als Dor bei Ferrari auftauchte und Jean Todt bat, einen rennfähigen 550 Maranello zu bauen, wurde er sozusagen aus dem Büro hinaus komplimentiert”, erzählt Girardo. „Also wandte er sich an Prodrive, musste aber selbst die Spenderautos beisteuern.”
Übrigens war auch noch der Schweizer Rennfahrer Steve Zacchia mit seiner Erfahrung zur Stelle: Er kennt vermutlich den 550 GTS besser als irgend jemand sonst, denn er hat zwischen 2004 und 2007 eine große Zahl Rennen mit diesem Auto absolviert. Wie man sich denken kann, hat er gute Erinnerungen an diese Jahre bewahrt. „Ich habe den 550 nie auf dem Red Bull Ring gefahren, aber ich erinnere mich lebhaft, als ich 2001 in einem Formel Renault-Rennen für die FIA GT-Serie unterwegs war, wie zwei 550 sich bekämpften und an das Gebrüll ihrer V12. Zwei Jahre später war ich erstmals selbst in diesem Cockpit, bei der Le Mans Endurance-Serie - und wir gewannen die Meisterschaft. Man spürte sofort, dass es gebaut worden war, um zu siegen.”
In nur fünf Monaten vom blanken Fahrgestell zur Rennstrecke
Aber für die meisten, mit denen wir uns an diesen zwei Tagen unterhalten haben, stach ein Auto aus dieser illustren Schar hervor, und das will schon etwas heißen. Der Ferrari F40 GT/LM in seinen ikonischen Monte Shell-Stallfarben, in denen er auch 1992 die italienische GT-Meisterschaft errang, war einer von zwei Rennsport-F40, die der britische Markenspezialist und Classic Driver-Händler DK Engineering nach Spielberg mitgebracht hatte.
Als siegreichster F40 überhaupt, ist er einer von sieben straßenzugelassenen Fahrzeugen, die von Michelotto nach GT-Spezifikationen umgebaut wurden. „Er war schon ein müder alter Rennwagen, als wir ihn Ende letzten Jahres kauften”, sagt James Cottingham von DK. „Wir haben es einem Kunden verkauft zusammen mit einer umfassenden Restaurierung. Unsere Crew hat rund um die Uhr geschuftet, um es für diesen Event vorzubereiten - es hat diesen ersten Test mit Bravour absolviert.” Die Flammen, die aus den Endrohren des F40 explodierten, während er scharf abbremste, um den steilen Aufstieg Richtung erste Kurve zu meistern, waren ein unvergesslicher Anblick.
In den Genen
Auch andere Persönlichkeiten aus dem Ferrari-Universum ließen sich diese Veranstaltung nicht entgehen wie beispielsweise Roberto Ragazzi, der Sieger der ersten Ferrari Challenge-Serie 1993, und Antonello Coletta, Direktor von Ferraris GT und Corsi Clienti-Abteilungen. Coletta ist seit 1997 bei Ferrari als Koordinator der Challenge-Serie und sieht den GT-Motorsport als wesentlichen Bestandteil der Maranello-DNA. „Die Geschichte Ferraris hob an mit Gentlemen Drivers, die in unseren Sportwagen Rennen fuhren, und jetzt sind wir zurückgekehrt und haben fünf der letzten sechs GT-Konstrukteursweltmeisterschaften für uns entschieden”, sagt er. „Es ist für uns wichtig, dass unsere Kunden und Freunde der Marke diese Autos auf die Rennstrecke nehmen. Wir verstehen zwar, dass sie sich oft in Privatsammlungen befinden und selten gefahren werden, aber wir sind dennoch überzeugt, dass die Rennwagen ihre Bestimmung erfüllen sollten.”
Es war ein Hochgenuss, zu erleben, wie diese Ferraris die Rennstrecke in beschlag nahmen und wie auch ihre Fahrer Runde um Runde schneller wurden. Es war ein Fest für alle Sinne. Man wird man vom Logenplatz über dem Pit wieder die Chance haben, einen 458 GTE, einen F40 GT/LM und einen 550 Maranello GTS vorbei röhren zu sehen, während der Soundtrack ihrer Motoren wie ein Echo von den Zuschauertribünen knallt und buchstäblich die Erde unter unseren Füßen erbeben lässt? Was dieses einzigartige Treffen auszeichnete, war auch die familiäre Atmosphäre, keine störenden Menschenmassen und die gegenseitige Hochachtung unter den Fahrern. Für Cottingham war es eine Reminiszenz an die frühen Tage der Shell Historic Ferrari Challenge.
Nächstes Jahr wieder?
Das letzte Wort gebührt natürlich dem Organisator Heinz Swoboda. „Sie dürfen nicht vergessen, dass die frühen Challenge-Fahrzeuge zugleich die letzten straßenzugelassenen und manuell geschalteten Ferrari-Rennwagen überhaupt waren. Sie verdienen es, gefeiert zu werden, denn sie haben noch eine strahlende Zukunft vor sich. Erstaunlich, dass so viele davon den Weg hierher gefunden haben. Dank auch an Max Girardo, der ein hervorragender Auktionator bei unserer Charity-Auktion war - wir konnten 17.000 Euro für Wings of Life erzielen. Wer weiß, vielleicht organisiere ich das alles auch im nächsten Jahr.” Im Sinne eines jeden Ferrari Challenge- und GT-Besitzers wollen wir das inständig hoffen, Heinz!
Fotos: Rosario Liberti für Classic Driver © 2018