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Magazin

Die Arosa ClassicCar 2019 war ein himmlisch diabolisches Vergnügen

Auch in ihrer 15. Auflage setzte die Arosa ClassicCar Maßstäbe in Sachen oktanhaltigen Nervenkitzel und schieren ästhetischen Genuss. Błażej Zuławski war für uns dabei.

Abgesehen davon, dass sie die Heimat von Classic Driver ist und der Welt kuriose verwandelbare Fahrzeuge geschenkt hat, die sich wohl aus dem Set des Bondfilms „Der Spion, der mich liebte” auf die Straße verirrt hatten, pflegt die Schweiz ein von Hassliebe geprägtes Verhältnis zum Automobil.

Es ist schon merkwürdig: Die Tempolimits sind niedrig, die Strafen bei Übertretungen astronomisch und es gibt eigentlich keine Rennkurse - die nachhaltige Folge eines Motorsportverbots, das die Regierung nach dem Desaster von Le Mans 1955 verhängte. Und dennoch lieben die Schweizer ihre Autos. Bei beinahe jedem zweiten Fahrzeug, auf das man in der Schweiz trifft, handelt es sich gefühlt um einen Subaru Impreza, Audi RS6 oder einen BMW M5. Für die knapp 8,5 Millionen Eidgenossen erscheint ein Ferrari oder Lamborghini vielleicht einfach zu effektheischend. Es sei denn, es handelt sich um einen Klassiker.

Da wir gerade beim Thema sind, es gibt wohl keinen anderen Ort in Europa mit Ausnahme des irgendwie noch EU-Mitglieds Großbritannien, wo die Menschen so vie Spaß an ihren historischen Autos haben wie in der Schweiz. Es gibt eine einfach, topografische, Erklärung für dieses Phänomen: Es gibt beispielsweise in der Nähe einer Stadt wie Basel keinen Nürburgring oder ein Spa-Francorchamps vor den Toren von Lausanne. Dafür punktet dieses Gebirgsland mit Pässen und Bergstraßen, die ein veritables Gottesgeschenk sind. Und von den Schweizern kann man auch lernen, wie man sie nach allen Regeln der Kunst auskostet!

Damit sind wir auch schon mitten in der Arosa ClassicCar, einem sagenumwobenen 7,3 Kilometer langen Bergrennen zwischen Langwies und Arosa. Die 76 Kurven dieser grauen Asphaltschlange reichen von langgezogenen Bögen über Haarnadeln bis hin zu tückischen Kuppen und rasanten Abfahrten, die noch jedes Bremse auf die Probe gestellt haben. Der Höhenunterschied beträgt 442 Meter, und der Weg führt nicht ausschließlich bergauf. Die Startaufstellung umfasste 166 historische Rennwagen, die in drei Klassen unterteilt, sich drei Tage lang gegeneinander messen.

So mancher Bergwanderer oberhalb von Arosa dürfte überrascht gewesen sein vom hallenden Getöse der Reihensechszylinder, V8 und V12, die am Freitagmorgen beim ersten Training die Bergwelt erfüllte. Allein die Vielfalt im Starterfeld ist für sich schon spektakulär. An wenigen Orten erlebt man Maserati-Monoposto der fünfziger Jahre und Ferrari-Prototypen der sechziger Jahre, die sich die Rennstrecke mit Tourenwagen der neunziger Jahre und Vorkriegsgiganten wie dem riesenhaften 14,5-Liter American LaFrance Type 12 teilen. Manche treten gegen einander an, um diesen Kurs in der schnellstmöglichen Zeit zu absolvieren, andere messen sich an diesem Wochenende in Gleichmäßigkeitsprüfungen und ringen um die Millisekunde Vorsprung vor den anderen.

Hier zu siegen, ist nicht nur eine Frage der persönlichen Genugtuung, denn der beste Fahrer erhält eine ganz besondere Uhr von IWC Schaffhausen als Namenssponsor des Events - die Ingenieur Sport Edition Arosa Classic Car 2010. Die Uhrenmarke unterstützt bereits seit einigen Jahren diesen Wettbewerb und hat in diesem Jahr sein eigenes IWC Racing Team aufgeboten, das mit zwei Mercedes-Benz 300 SL an den Start ging. Am Steuer der beiden Flügeltürer saßen mit Bernd Schneider als fünfmaligem DTM-Champion und Mercedes AMG-Botschafter und dem Schweizer Schauspieler Max Loong, dessen Vater selbst Rennfahrer war, zwei hoch kompetente Akteure. 

Bis auf einen Regenguss während der letzten Stunde des Rennens am Sonntag, strahlte die Sonne über das Arosatal und brachte die Arosa ClassicCar zum leuchten, was auch die rund 1.000 Zuschauer mit ihren Picknicks entlang der Strecke sehr freute. 

Aber wer will sich schon beim Wetter aufhalten, wenn man dieses hinreißend exzentrische Feld von Teilnehmern hautnah bei diesem anspruchsvollen Bergrennen erleben kann? Es war ein Grid, dass keinen noch so entlegenen Wunsch offenließ. Man konnte einen Zweitakt-Trabant im Motorsportkleid neben einem Ferrari 512M von 1970 sehen in dem einst Jacky Ickx und Clay Regazzoni unterwegs gewesen waren, dazu ein originaler Austin-Healey gefolgt von einem Fiat Allemano Abarth 1100/103 Tourisme Veloce.

Noch mehr Highlights gefällig? Für mich ist der leider etwas unterschätzte Opel Monza GSE-Rennwagen sehr cool und ein Aufgebot an Austin Healey - darunter der aerodynamisch gestaltete Sebring Sprite - bewies einmal mehr, dass ein Auto, dem man die Chromstoßfänger abmontiert hatte, so viel schöner aussieht. Der quirlige Schwarm von winzigen Fiat Abarth mit fixierten geöffneten Motorhauben boten eine Meisterstunde für italienische Kurventechnik. Aber es konnten auch ehrwürdige und grandiose Rennwagen in Aktion erlebt werden wie beispielsweise der Ferrari 250 GT mit Drogo-Karosserie und ein exquisiter Maserati 250F von 1956, der für mich persönlich den schönsten Sound des gesamten Wochenendes entwickelte.

Busse und Shuttles waren in den kurzen Zeitfenstern zwischen den einzelnen Rennen unermüdlich im Einsatz, um Zuschauern verschiedenen Aussichtsmöglichkeiten entlang der Strecke zu ermöglichen. Wer besonderes Glück hatte, konnte an der Seite von professionellen Rennfahrern wie dem dreimaligen Le Mans-Sieger Marcel Fässler in einem der neuen Audi R8 auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Es ist erfreulich zu beobachten, dass sich eine weitere große Marke für den historischen Motorsport begeistert, obwohl gerade einmal eine Hand voll Audi Quattro unter den Teilnehmern zu finden war. 

Wie Kenner dieser Veranstaltung mich wissen ließen, stand eigentlich schon fest, wer der Gesamtsieger sein würde. Im Lauf des Wochenendes dominierte der einsitzige BMW Martini MK50 03 mit Thomas Amweg am Steuer die Competition Formula-Klasse, wie auch der Ferrari 308 GTB C von Bruno Staub in der Wettkampfklasse der straßentauglichen Autos. Amweg setzte mit 4:06.16 Minuten auch einen neuen Streckenrekord und kam gut 20 Sekunden schneller durchs Ziel als das zweitplatzierte Fahrzeug.

Als sich die Arosa ClassicCar 2019 ihrem Abschluss näherte, bestiegen die letzten Zuschauer den Zug nach Chur während die Rennwagen in ihre Trailer verladen wurden. Und das friedliche alpine Paradies kam wieder zur Ruhe, und die Schweiz wurde wieder zur Schweiz. Aber nur bis zum nächsten Jahr, wenn die Motoren an der Gebirgskulisse explodieren wie das Benzin in der Verbrennungskammer eines Lancia 037. Wir würden dieses Spektakel um nichts in der Welt verpassen wollen.

Fotos: Mathieu Bonnevie für Classic Driver © 2019 

Classic Drivers beratende Kreativagentur CD Works unterstützt das Team hinter der Arosa ClassicCar sowie das IWC Racing Team bei der diesjährigen Auflage des berühmten Bergrennen. Unsere Berichterstattung wird freundlich unterstützt von IWC Schaffhausen.