Mit ihrem Fokus auf die Carrera, Autavia und Monaco — den drei wichtigsten Heuer-Modellen aus der gemeinhin als „Jack Heuer-Ära“ bezeichneten Epoche zwischen den 1960er- und 1980er-Jahren – gilt die Crosthwaite und Gavin Collection fast schon als Heiliger Gral aller Heuer-Liebhaber. „Richard Crosthwaite und Paul Gavin gelten in Bezug auf diese Uhren als weltweite Autoritäten“, erklärt Phillips-Auktionsfachmann Paul Maudsley im Gespräch in London. „Auch wenn es sich um keine riesige Sammlung handelt, gehören die Stücke zu den seltensten und ungewöhnlichsten Exemplaren unter den heute noch existierenden Uhren.“
Die Zeit ist passend
Maudsley muss es wissen. Seit er im Jahr 2010 bei Bonhams den Verkauf der Arno Haslinger Collection kuratierte — übrigens damals die erste jemals rein auf Heuer-Uhren beschränkte Auktion —, hat er die ständig zunehmende Begehrlichkeit und den steigenden Wert dieser charmanten Chronographen aufmerksam beobachtet. Sieben Jahre später zeichnet er nun für eine weitere auf Heuer-Uhren beschränkte Auktion verantwortlich. Und der Zeitpunkt scheint perfekt gewählt. „Es ist das richtige Timing, um Sammlern und der ganzen Uhrengemeinde zu signalisieren, dass wir nicht nur Patek Philippes für zehn Millionen Pfund verkaufen“, sagt Maudsley. „In Bezug auf die Zahl der Sammler wird die Luft in diesen Preisregionen ziemlich dünn. Man muss sich einfach einmal bewusst machen, dass einige der Heuer-Klassiker, die man heute noch für 5.000 Pfund findet, seltener sind als eine 140.000 Pfund teure Rolex Daytona, sie aber die gleichen Uhrwerke und Zifferblätter besitzen.” Es ist das bessere Verständnis für und das neugewonnene Wissen über die Seltenheit der klassischen Uhren in der Sammlerszene, welche nun immer größere Begehrlichkeiten wecken.
Tief verwurzelte Verbindungen
Man nehme nur einmal die erste Ausführung der Heuer Autavia. Nur eine Handvoll Exemplare haben in den letzten Jahrzehnten den Besitzer gewechselt. Noch vor sieben Jahren konnte man eine solche Uhr für 4.000 bis 5.000 Franken erstehen. Die beiden außergewöhnlichen Exemplare aus Phillips' Heuer-Auktion am kommenden Wochenende – eine Referenz 2446M und eine 3646M — werden schätzungsweise zwischen 80.000 und 120.000 Franken beziehungsweise 50.000 und 80.000 Franken erzielen. Und ähnliche Kurse werden auch für die Carrera und Monaco erwartet. Maudsley schätzt, dass auch Heuers Verbindung zur goldenen Motorsport-Zeit der frühen 1970er-Jahre zum neu entdeckten Trendstatus der Marke beiträgt. „Ich kennen keinen anderen Uhrenbauer mit einer solch starken Geschichte im Motorsport“, sagt er. „Jack Heuer war sehr gut darin, Schlüsselfiguren wie Jo Siffert, Niki Lauda oder selbst Enzo Ferrari anzusprechen und ein Gefühl dafür zu entwickeln, was sie sich genau wünschten.“ In der Tat: Schaut man sich Fotos von Formel 1- oder Sportwagenrennen aus jener Zeit an, sieht man sehr bald Heuer-Armbanduhren, Aufkleber (zum Beispiel am Ferrari von Niki Lauda) oder auf Fahreroveralls aufgenähte Embleme. Unvergessen ist auch das Bild von Jean Campiche, wie er ab 1972 auf einer ganzen Batterie von Heuer-Stoppuhren von der Boxenmauer aus für Ferrari die Zeiten nahm. „Es war auch eine Zeit, in der die Fahrer die Uhren noch während des Rennens trugen, nicht bloß hinterher auf dem Podium – für mich war das bei weitem die coolste Epoche des Motorsports“, findet Paul Maudsley.
Der Zustand ist alles
Also, worauf müssen Sammler speziell achten, wenn sie sich für eine klassische Heuer interessieren? „Auf den Erhaltungszustand, wie bei jeder anderen klassischen Uhr“, antwortet Paul. „Nehmen Sie als Beispiel eine Rolex Moonphase Reference 8171. Ist das Zifferblatt noch perfekt, sind Sie mit 400.000 Pfund dabei. Ist es abgetragen oder verfärbt, sinkt der Wert auf 30.000 Pfund. Das sind große Unterschiede, besonders im immer anspruchsvolleren Markt von heute.” Beim Blick über die 43 in Phillips' Galerie am Londoner Berkeley Square ausgestellten Uhren wird schnell deutlich, in welch fantastischem Zustand sich alle Heuer-Exponate befinden. Besonders beeindrucken uns die wunderschön einfache Carrera ‘LuM-FAé (in den frühen 1970er-Jahren für die belgische Luftwaffe aufgelegt), die Carrera ‚Indianapolis Speedway’ (ein Exemplar aus einer sehr kleinen und exklusiv für die Boutique am berühmten US-Speedway hergestellten Serie) und die etwas aus der Reihe fallende Mareographe (eine spätere Version der Seafarer, die ursprünglich für das amerikanische Modeunternehmen Abercrombie & Fitch entworfen wurde). „Wie man sieht, zielte Heuer mit seinen Uhren auf verschiedene Zielgruppen“, sagt Maudsley. „The Mareographe war kein großer kommerzieller Erfolg. Daher wurden auch so wenige gebaut, und noch weniger haben überlebt.“
Rückbesinnung auf die Heritage
Vom ersten Moment unseres Gespräches mit Paul Maudsley fragten wir uns, welche Uhr wohl sein persönlicher Favorit sein würde. „Ich liebe die Monaco ‚Dark Lord’, doch mein Favorit wäre die erste Ausgabe der Carrera mit ihrem „tropischen“ Zifferblatt, den drei Hilfsanzeigen sowie dem Original-Armband von Gay Frères. Sie wird auf 8.000 bis 12.000 Franken geschätzt, wobei allein das Armband 3.500 Franken wert sein dürfte.“ Als echten Coup versteigert Phillips am Samstag in Genf auch die allererste zur Feier des 85. Geburtstags von Jack Heuer aufgelegte Tag Heuer Autavia Jack Heuer 85th Anniversary. Die Erlöse aus diesem Verkauf gehen an Save the Children. Die neue Uhr steht für den neuen und wieder stärkeren Fokus der Marke Heuer auf ihre Vergangenheit, sorgfältig formuliert von Markenchef und LVMH-Uhrenpräsident Jean-Claude Biver. „Tag Heuer umarmt seine Geschichte“, beschreibt Paul diese Entwicklung. „Vor Einführung der neuen Autavia durften die Kunden in einer einzigartigen Abstimmung sogar darüber entscheiden, in welcher Variante die 1960er-Jahre-Uhr neu aufgelegt werden sollte. Wie bei einer Weltmeisterschaft wurden die Finalisten in zwei Abstimmungsrunden ermittelt. Das erinnert an Jack Heuers traditionelle Methode, auf die Sammler zu hören und neue Wege in der Vermarktung von Uhren einzuschlagen.“
Weltrekordpreise sind zu erwarten
In Anbetracht der steigenden Nachfrage nach Vintage-Heuer rechnet Maudsley für die Auktion in Genf mit einer großen Resonanz unter sowohl etablierten wie neuen Sammlern. Während er zu konkreteren Erwartungen lieber noch schweigt, rechnen wir damit, dass die außergewöhnlich hohe Qualität des Katalogs der Marke einige neue Weltrekordpreise einbringen wird. Vergessen Sie also für einen Moment Rolex und Patek Philippe — was Sie zu Weihnachten wirklich haben möchten, das ist eine klassische Heuer! Und wir wissen genau, wo Sie eine finden können.
Fotos: Robert Cooper für Classic Driver © 2017