Direkt zum Inhalt

Magazin

Royal Enfield: Klassiker mit gutem Karma

„Built Like a Gun.“ Der berühmte Slogan von Royal Enfield kam mir wieder in den Sinn, als ich hilflos auf dem nassen Asphalt lag und ein alter Mann in seinem Mercedes-Transporter über jene 350-Kubik-Enfield Bullet rollte, die ich in einem spontanen Akt der Selbsterhaltung „notgewassert“ hatte.

"Lärmend und fluchend über den Verlust meiner geliebten Maschine erhob ich mich von der Straße..."

Lärmend und fluchend über den Verlust meiner geliebten Maschine erhob ich mich von der Straße und beobachtete, wie der Mercedes langsam zurücksetzte, um den Lenker aus seiner Stoßstange zu befreien. Doch was für eine Überraschung – mehr als einen verbogenen Choke und einige Kratzer am vorderen Schutzblech hatte die Bullet nicht davongetragen. „Gut und schön, aber sie wird niemals wieder vernünftig fahren“, zeterte ich, während ich argwöhnisch den Kickstarter durchtrat und – wie immer, als wäre nichts geschehen – der Motor in seinem satten, unaufgeregten Leerlauf erwachte. Built like a gun, indeed.

Eine zweite Karriere im indischen Madras

Die Royal Enfield Bullet wurde erstmals 1934 im Rahmen einer neuen Reihe von Modellen enthüllt. Doch unser Herz gehört dem Nachkriegsmodell, das bis heute – 43 Jahre nach dem Ende der Produktion von Royal Enfield im englischen Redditch – gebaut wird. Das Geheimnis des anhaltenden Erfolges ist das 1954 in Chennai im indischen Madras eröffnete Satellitenwerk, das zunächst die indische Armee mit Motorrädern versorgen sollte – und nun bis heute die Bullet und weitere zeitlose Klassiker im Programm hat.

Obwohl die Royal Enfield Bullet heute einige Zugeständnisse an die Moderne macht – etwa einen elektrischen Starter, eine Benzineinspritzung und eine Fünfgang-Schaltung –, so sind der klassische Look, das angenehme Fahrgefühl und das freundliche Temperament des Motors doch bis heute erhalten geblieben. Was könnte es auf einer staubigen indischen Landstraße besseres geben, als eine sanft gefederte Bullet mit ihrem gemächlichen alten Motor, der einen tagein, tagaus verlässlich durch Sand und Matsch geleiten wird.

Für jedes Abenteuer zu haben

Angesichts der mechanischen Stabilität und Einfachheit ist es kein Wunder, dass viele indische Reiseunternehmen die Enfield für Abenteuer-Touren in die entlegendsten Winkel des Kontinents und darüber hinaus verleihen. Ein weiterer Punkt, der für die moderne Bullet spricht, ist der Preis: Gebrauchte Maschinen kann man meist weitaus günstiger erstehen, als ihre britischen Counterparts aus den 1950er Jahren, die ein ähnlich klassisches Fahrerlebnis versprechen. 

Auch für die Individualisierung eignen sich die Royal Enfields mit ihren klaren Linien und dem einfachen Design – leicht lässt sich so eine Bobber oder Scrambler kreieren. Wer kein Geschick als Techniker hat, kann auch auf die Varianten zurückgreifen, die Royal Enfield selbst im Programm hat – etwa einen Thunderbird Cruiser, eine Classic im Army-Look oder den neuen Cafe Racer, die Continental GT. Wie auch immer man sich entscheidet, ein gutes Motorrad-Karma ist einem in jedem Fall sicher. 

Zur Geschichte von Royal Enfield ist im Verlag Monsenstein und Vannerdat ein 156 Seiten starkes Standardwerk erschienen, in dem sich alle Modelle bis heute wiederfinden. Weitere Informationen unter monsenstein-und-vannerdat.de.