Direkt zum Inhalt

Magazin

Mercedes-Benz E 63 AMG

Mit einer Reminiszenz an die 60er-Jahre startet DaimlerChrysler die Topversion der renovierten E-Klasse. Der E 63 AMG soll mit seinem komplett neu konstruierten 6,3 Liter Motor seinem Hubraum-Vorfahren, dem 300 SEL 6,3, alle Ehre machen und gleichzeitig die Imagelokomotive der neuen Oberklasse bei Mercedes-Benz werden. Ob dies gelingt, haben wir bei einer ersten Ausfahrt überprüft.

Mit AMG-Modellen war es in der Vergangenheit so eine Sache. Oftmals waren die Kreationen von Firmengründer Hans-Werner Aufrecht bereits kurz nach der Auslieferung in zwielichtigen Bahnhofskreisen oder stadtbekannten Milieuvierteln anzutreffen. Seit AMG eine Unterabteilung des DaimlerChrysler-Konzerns ist, gibt man sich im Hinblick auf den optischen Auftritt deutlich zurückhaltender. Immer dezenter wurde der zuvor oftmals üppig aufgetragene, glamouröse Lidschatten der Spoiler und Schwellerverkleidungen, so dass man sich heute schon bemühen muss, möchte man einen AMG als einen solchen erkennen. So sind es dann auch bei der frisch renovierten E-Klasse lediglich Akzente, die den AMG von dem schlichten Dienstwagen mittlerer Ebene unterscheiden. Geänderte Schürzen sowie üppiges Räderwerk in 18-Zoll-Formation deuten ebenso auf die Potenz hin, wie die extrovertierte Vierrohrauspuffanlage mit verchromten Endrohren.

Im Innern setzt sich der Stil der maßvollen Sportlichkeit fort. Der geänderte Tachoeinsatz mit einblendbarer Rundenzeituhr und das modifizierte Lenkrad mit Alluminiumschaltpaddles gehören ebenso zum Package, wie die exzellenten Sportsitze, die sowohl im Hinblick auf den Seitenhalt als aber auch auf den Langstreckenkomfort Ihresgleichen suchen. Wie aus der Kiste des schlechten Geschmacks wirken dagegen die Aluriffelpedale. So etwas ist bei einem echten Sportsmann schlicht überflüssig und wirkt etwa so deplaziert wie ein Turnbeutel bei Eddy Gordon.

Mercedes-Benz E 63 AMG Mercedes-Benz E 63 AMG

Nach dem Druck auf die Starttaste des in einem Alcantara-Ledermix gehaltenen Wählhebels ertönt ein verheißungsvolles Grummeln. Der Tritt auf das Gaspedal beseitigt alle Zweifel. Die 514 PS sind vollzählig versammelt. Sobald die Tempobegrenzung gefallen ist und das rechte Pedal energisch Richtung Auslegeware gestemmt wird passiert etwas, das mit Peterchens Mondfahrt nur unzureichend zu beschreiben ist. Ohne irgendein Anzeichen von Zögern katapultiert der üppig bestückte 6,3-Liter-V8-Motor die immerhin knapp zwei Tonnen schwere heckangetriebene Limousine mit einer solchen Wucht nach vorne, dass die Konstruktion der Sitzlehne auf eine harte Probe gestellt wird.

In Zahlen: 630 Nm drücken binnen 4,5 Sekunden das einstige Traumauto der Droschkenfahrer über die 100km/h Marke. Der Schub wird jedoch bei 250 km/h eingebremst. Bis dahin ist jede Geschwindigkeit nahezu digital einstellbar. Dabei verliert der komplett neu konstruierte Leichtmetall Achtzylinder nie die Contenance. Brumm- oder Dröhngeräusche? Fehlanzeige. Hörbar ist einzig der etwas schmutzig klingende Sound der bereits erwähnten Vierrohranlage, der je nach Gemütslage entweder als aufdringlich empfunden wird oder aber zur nächsten Runde um den Block reizt. Bei all der Leistung erledigt der Achtzylinder aber auch die Fahrt im täglichen Stopp and Go Verkehr ohne Star Allüren. Und selbst der Verbrauch mit etwa 14 bis 15 Litern Super kann für einen solchen Boliden als durchaus akzeptabel gelten.

Mercedes-Benz E 63 AMG Mercedes-Benz E 63 AMG

Die ausgesprochen harmonische Gesamtabstimmung wird maßgeblich von dem perfekten Zusammenspiel von Automatikgetriebe (7G-Tronik) und Lenkung beeinflusst. Durch die Neuabstimmung der Kennlinien von Lenkung und Fahrwerk verschwindet die Größe der E-Klasse völlig aus dem Bewusstsein des Piloten. Insbesondere auf kurvigen Nebenstraßen stellt man verblüfft fest, mit welcher gazellenhaften Leichtigkeit die schwere Limousine um die Ecken wedelt. Dabei bietet das überarbeitete Airmatic-Fahrwerk immer noch jenes Maß an Komfort, dass die Passagiere von einem solchen Wagen erwarten. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass die E-Klasse trotz der in dieser Version sehr breiten Räder auch auf schlechten Straßen völlig frei von Karosserieverwindungen jeder Art zu sein scheint. Die perfekte Verarbeitungsqualität tut ein Übriges, um die Begeisterung über dieses AMG Produkt nicht zu trüben.

In Anbetracht der erheblich gesteigerten Fahrleistungen wurde auch die Bremsanlage neu dimensioniert. Um es vorwegzunehmen: Die ermittelten Werte für eine Vollbremsung aus 180 km/h gehörten noch vor wenigen Jahren zu Fahrzeugen, denen eine Straßenzulassung aufgrund ihrer Bestimmung als Rennwagen verweigert wurde. An der Vorderachse wirken zwei Achtkolben-Leichtmetallbremssättel und bemühen sich mit den in Verbundtechnologie gefertigten Bremsscheiben um standesgemäße Verzögerung. Das dabei nach neuester DaimlerChrysler Sicherheitsphilosophie die Bremsleuchten nervös flackern und kurz vor Stillstand die Warnblinkanlage aktiviert wird, ist ein zusätzlicher Sicherheitsaspekt, den insbesondere der nachfolgende Verkehr schätzen dürfte.

Zusätzlich zu den von AMG beigesteuerten Features erhält natürlich auch diese E-Klasse alle Neuerungen, die im zweiten Lebenszyklus dieser Baureihe einsetzen. So wurde unter anderem das Lichtkonzept komplett überarbeitet. Neuerdings sorgt eine Fülle von verschiedenen Einstellungen der Haupt-, Nebel- und Fernscheinwerfer für eine optimale Ausleuchtung der Fahrbahn in Abhängigkeit der äußeren Umstände.

Sollten diese einmal nicht so günstig sein, so erfühlt die E-Klasse mit dem Pre-Safe getauften Sicherheitssystem die Gefahr einer Situation und schließt vor einer sich anbahnenden Kollision Fenster und Schiebedach und strafft zudem die Sicherheitsgurte. Für den Fall einer Kollision hat DaimlerChrysler eine Art Airbagkopfstütze entwickelt, die das Verletzungsrisiko eines Schleudertraumas erheblich verringern soll. So kann die neue E-Klasse in Verbindung mit den serienmäßigen acht Airbags als eines der sichersten Fahrzeuge der Welt bezeichnet werden. Das Sicherheitspaket wird komplettiert durch das nochmals überarbeitete Reifendruckkontrollsystem und durch die veränderten Deformationselemente in der Karosseriestruktur.

Die erste Begegnung mit der stärksten Version der neuen E-Klasse lässt keine Zweifel an der Aussage des neuen DaimlerChrysler-Chefs Dieter Zetsche: „2006 wird das Jahr der E-Klasse.“ Bleibt nur zu hoffen, dass die Kundschaft ihm Recht gibt.

Text: Sven Jürisch
Bilder: Classic Driver / DaimlerChrysler


ClassicInside - Der Classic Driver Newsletter
Jetzt kostenlos abonnieren!