Mit blitzschnellem Doppelkupplungsgetriebe und supervariablem Sportfahrwerk zeigt die neueste Version des BMW M3, wohin sich das Sportwagen-Genre in Zukunft bewegt: Weg vom brachialen PS-Monster, hin zur feinabgestimmten Präzisionsmaschine nach dem Vorbild der Formel 1. Wir haben das High-Tech-Update des bayerischen Exportschlagers auf Hamburgs Straßen ins Qualifying geschickt.
Als 1986 der erste BMW M3 aus den Werkstoren von BMW rollte, war die Sachlage klar: Das derb bespoilerte und mit einem 2,3 Liter Vierzylinder-Saugmotor bestückte Urviech sollte als Homologationsmodell den Werkseinsatz in der Tourenwagen-Gruppe A möglich machen. Nur 5.000 Exemplare des 190 PS starken Ur-M3 wurden damals entsprechend dem Reglement gebaut. Doch die Krawall-Variante der 3er-Reihe hatte Erfolg, weit über die Rennsport-Community hinaus. Trotzdem blieben die Ingenieure der BMW M GmbH bis heute ihrer Nähe zum Motorsport treu – und schicken nun die vierte Generation des M3 mit all den technischen Innovationen, die jüngst für die Rennstrecke entwickelt wurden, in den zivilen Straßenverkehr.
Zunächst wurde das neue BMW M3 Coupé ab Herbst 2007 allerdings nur mit einem manuellen Sechsgang-Schaltgetriebe ausgeliefert – Classic Driver berichtete damals zum Serienstart ausführlich von der Ascari-Rennstrecke in Spanien. Seit Mai 2008 gibt es den BMW M3 nun auch mit zeitgemäßen Lenkrad-Paddels und einem neuen, sequenziellen Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, ohne dass wir uns eine sportliche Zukunft der bayerischen Marke schlicht nicht mehr vorstellen wollen! Doch immer der Reihe nach. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht momentan natürlich, als Herzstück der Fahrmaschine, der Motor.
Im Gegensatz zum Vorgängermodell der E46-Baureihe wird der neue BMW M3 nicht mehr von dem erfolgreichen 3,2 Liter Reihensechszylinder, sondern einem Vierliter-V8-Motor mit 420 PS und 490 Nm bei 3.900/min. nach vorne getrieben. Wenn gewünscht, zeigt der Achtzylinder Manieren, ist zurückhaltend und komfortabel. Anders als bei vielen konkurrierenden Hochdruck-Coupés heißt es beim neuesten M3: Wer nicht will, der muss auch nicht. Die richtige Gaudi beginnt allerdings erst, wenn die rotbeleuchtete Nadel des Drehzahlmessers die 6.000/min-Marke passiert und der V8 seine voluminöse Stimme erhebt. Als kilometerfressender Journalist freut man sich in Zeiten automobiler Gleichschaltung vor allem darüber, wie unterschiedlich die Markenakkustik doch geblieben ist. Das bajuwarische Gebell ist jedoch noch längst nicht außer Puste: Als Hochdrehzahltriebwerk geht es weiter bis 8.300/min. – für ein Coupé jenseits der Supersport-Sphären eine wahrlich beeindruckende Leistung.
Auf das Hochdrehzahlkonzept des Motors ist auch das neue – na endlich – Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe ausgelegt. Als konsequente Weiterentwicklung des automatisierten Sechsgang-Schaltgetriebes aus dem Vorgängermodell macht das neue System die Kraftübertragung gleichzeitig deutlich effizienter und komfortabler. Mit der Doppelkupplung entfällt beim Schalten die Zugkraftunterbrechung – und damit auch die unangenehme Nickbewegung beim Rückgang des Vortriebs. Vor allem im Automatikmodus nimmt man die Schaltvorgänge nun höchstens am Zucken der Drehzahl-Nadel wahr. Durch die Fächerung auf sieben Gänge sind die Drehzahl-Sprünge aber gleichzeitig verringert worden. Vor allem ist das neue Getriebe natürlich für den sportlichen Einsatz gebaut: Je nach Situation kann man entweder das Schaltverhalten im Automatik-Modus in fünf Stufen „dynamisieren“ oder gleich in den manuellen Betrieb wechseln.
Per Lenkradpaddel oder über den Joystick auf der Mittelkonsole schaltet man dann, ohne Kuppeln oder den Fuß vom Gaspedal nehmen zu müssen. Im sportlichsten Modus, den das Kontrollsystem „Drivelogic“ anbietet, nimmt man die Gangwechsel zwar minimal wahr – mit dem sequentiellen Getriebe des Vorgängers ist die Beschleunigung allerdings nicht zu vergleichen. Selbst gegenüber der handgeschalteten Version des aktuellen BMW M3 macht die DKG-Version deutliche Fortschritte: Statt 4,8 Sekunden benötigt unsere Testversion im rennsportlichen „Launch Control“-Mode nur 4,6 Sekunden bis 100 km/h. Gleichzeitig sinkt mit dem neuen Getriebe sowohl die Schadstoffemmission sowie der von BMW angegebene Durchschnittsverbrauch von 12,4 auf 11,9 Liter pro 100 Kilometer – vorausgesetzt natürlich, man hält sich von den sportlichen Fahrprogrammen fern.
Zur Selbstkontrolle ist der BMW M3 mit sogenannten Shift Lights ausgestattet, die dem Fahrer über Leuchtsignale im Drehzahlmesser – entsprechend ihrer vorherigen Programmierung über die MDrive-Taste – den optimalen Schaltzeitpunkt anzeigen. Doch nicht nur das neue Getriebe, auch die bereits in der handgeschalteten Version vorhandenen Fahrsysteme lassen eine manchmal geradezu unüberschaubare Anzahl von Modifikationen zu, die meiner Meinung nach im normalen Straßenverkehr vor allem symbolischen Wert haben. Dass man sich nach dem Feintuning von Dämpferkontrolle, Servotronic und Motorsteuerung ein wenig wie Nick Heidfeld kurz vor dem Rennstart fühlt, gehört wohl zum Konzept.
Dass sich das Fahrverhalten je nach Einstellungskombination verlagert, ist es schwer, ein Fazit zu fassen. Wie bereits erwähnt, kann man den M3 im Sparmodus gleiten lassen oder bis zur Raserei aufdrehen, wenn der Motor jeden Renn-Porsche übertönt und die Hinterräder im rennsportlichen Dämpfermodus überraschend schnell die Traktion verlieren – wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Auch die Bremsen greifen, wie man es von einem Sportwagen erwarten kann, hart und präzise.
Die Vielseitigkeit und der Komfort-Kurs haben aber auch Nachteile: Der vielbeschworene Leichtbau, der in der aktuellen Version des BMW M3 in einem Carbon-Dach und vier Lightweight-18-Zoll-Felgen seinen Audruck findet, ist ab dem Moment nicht mehr ernstzunehmen, wenn einem beim Einsteigen von einem skurrilen Gurtreich-Arm beim Anschnallen geholfen wird. Wie der neueste M3 im Vergleich zum Vorgängermodell noch einmal 85 Kilogramm zulegen konnte, wird spätestens beim Blick auf Sitzverstellung, DVD-Wechsler und Audio-Anlage deutlich. Entschuldigung, aber 1.650 Kilogramm sind für den Enkel eines Homologations-Modells einfach zu viel. Wir hoffen zunächst auf die anstehende Neuauflage der Abspeck-Version CSL – und spekulieren auf weiteres Downsizing mit der nächsten, fünften Generation des BMW M3. Die Rückkehr zum Sechszylinder wäre in diesem Sinne vielleicht nicht die schlechteste Idee.
Text & Fotos: Jan Baedeker
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