Pure Passion. Das zeichnete am ersten Augustwochenende 2009 die vierten Classic Days auf Schloss Dyck bei Jüchen in Nordrhein-Westfalen aus. Ausgelassene Stimmung, herausragende Fahrzeuge, enthusiastisches Miteinander, gemeinnützige Anliegen und eine fast durchgehend gnädige Großwetterlage bescherten den Veranstaltern eine nennenswerte Besucherzahl: 35.400 Automobilisten und Aficionados motorisierter Fortbewegung ließen sich die oktanreiche Landpartie nicht entgehen. 7.000 Gäste reisten mit dem eigenen Oldtimer an. Neben den „Jewels in the Park“ – einem Top-FIVA-A Concours auf der Orangerie-Halbinsel, den Mercedes-Benz Silberpfeilen, zählte der Bentley Benjafield Club aus UK zu den Höhepunkten der diesjährigen Classic Days. – Selbstredend verzichteten die „Bentley Boys“ aus dem Königreich und aus Deutschland dabei auch nicht auf die Anreise auf eigener Achse.
„Let the good times roll!“ Getreu diesem Motto startete der Bentley J.D. Benjafield Club die schweren Motoren der dunkelgrünen Vorkriegs-Kreuzer und machte sich im sommerlichen Frühnebel auf in Richtung herrschaftliche Provinz: Das barocke Wasserschloss Dyck in Jüchen lockte am ersten Augustwochenende mit den vierten Classic Days, einer großartigen automobilen Hommage an Wolfgang Graf Berghe von Trips. Ob Le Mans Speed Six von 1928, Bentley 4,5-Litre Blower Vanden Plas von 1930 oder Bentley 8-Litre aus dem Jahr 1931: Über bundesdeutsche Autobahnen donnerten die schweren Boliden raus aufs Land. „Lastwagenrennen“ einmal anders, frei und urbritisch interpretiert.
Deutlich kommoder aber nicht weniger anglophil: die Anreise von Classic Driver. Wir starteten in Rotterdam mit dem luftgefederten Land Rover Discovery HSE. In britischer Traumkombination – Galway Green mit Leder Beige – säuselte uns der 2,7-Liter Diesel von der Küste in den hügeligen Rhein Kreiss Neuss. Den ölgeschwängerten Abgasfahnen der Bentley Blower-Company folgend, erreichten wir den grünen Troß mit den leuchtenden Union Jacks an den Fahrzeugflanken noch auf der BAB kurz vor dem ehemaligen Adelssitz derer von Salm-Rifferscheid-Dyck. Schnell durch die 800 Meter lange Ahornallee, hinein in das weitläufige Miscanthusfeld. Gerade rechtzeitig zur Eröffnung am zeitigen Samstagmorgen: Simeon Graf Wolf Metternich wünscht den „Racing Legends“ eine sichere Fahrt auf dem Rundkurs. In den nächsten Tagen verstärkt auch immer wieder Dr. Franz-Josef Paefgen (CEO der Bentley Motors Co.) das Starterfeld der Benjies – mal im Bentley Company Car oder im Grand Prix Bugatti beim Sonderlauf der Marke.
Die Classic Days im Kurzüberblick: Das ist eine faszinierende Veranstaltung, die von rund 250 Helfern und Initiator Marcus Herfort rein ehrenamtlich organisiert wird. Sämtliche Erlöse kommen guten Zwecken zu: Dem Erhalt des einzigartigen Schlosses und Anwesen Dyck in memoriam an die Rennfahrerlegende Graf Berghe von Trips, der 1961 in Monza tödlich verunfallte. Und in 2009 erstmals auch unter dem Slogan „Klassiker gegen Darmkrebs“ – einer neuen Initiative der Classic Days in Kooperation mit der Felix Burda Stiftung. 14 verschiedene Themen und Veranstaltungsbereiche lassen das Festival als automobiles Gesamtkunstwerk erscheinen, bei denen die Besucher – ganz ähnlich wie im legendären Goodwood – zu Teilnehmern werden.
Die Classic Days: Das viel bemühte Zitat vom „kleinen Goodwood“ trifft tatsächlich zu – und dennoch hat die Veranstaltung seit Beginn einen ganz eigenen, viel charmanteren Charakter geprägt von Freundlichkeit und barrierrefreiem Miteinander. Vom Areal des wunderbaren Anwesens von Dyck hat erlebbar derselbe Enthusiasmus Besitz ergriffen, der sonst im Süden Englands beim Earl of March heimisch ist. Das Zusammenkommen zahlreicher Attraktionen, die behutsame Gestaltung von Klassik-Szenerien immer im Einklang mit Gartendenkmalpflege und mit Behutsamkeit für Gelände und Stimmungen macht den Geist der Classic Days aus. Der gräfliche Park dient alljährlich als Concours-Showground für automobile Schönheiten. In diesem Jahr setzten Bugatti mit dem 100-jährigen Markengeburtstag und Bentley mit dem 90-jährigen Jubiläum besondere Akzente. Bei der Concours d´Elegance Veranstaltung gewann thematisch passend Albert Lemair aus Belgien mit seinem Bugatti Type 57C Cabriolet von 1939 den Titel des schönsten Fahrzeugs der Show. Doch auch faszinierende Pretiosen wie Rolls-Royce Silver Ghost Skiff Torpedo Labourdette von 1914, Bentley Derby Drophead Coupé Vanden Plas von 1937 oder der wunderbare, nachtschwarze Alfa Romeo 6C 2500 Pininfarina von 1949 beeindruckten die anwesenden Aficionados. Pebble-Beach Gewinner-Autos und Teilnehmerfahrzeuge der Villa d´Este gaben sich 2009 erstmals in hoher Konzentration auch bei den „Jewels in the Park“ , dem FIVA - Concours der Kategorie A ein Stelldichein. Die Classic Days legten damit im Deutschen Concoursvergleich mit den drei anderen A-Veranstaltungen der FIVA in unserem Land spürbar eine extrem hohe Meßlatte auf. Weltweit gibt es schließlich nur 11 FIFA-A Events. Die Classic Days brauchen nach dem Teilnehmerfeld 2009 für die Zukunft keine Vergleiche auf internationaler Ebene zu fürchten.
Die „Racing Legends“ ließen es auch 2009 kraftvoll angehen. Der 101 Jahre alte De-Dion Bouton, ein La France Red Baron von 1916, verschiedene Mercedes-Benz SSK Rennsportwagen, Talbot Lago T26 C, Alfa Romeo 12 C von 1937, Aston Martin 2-Litre Speed Ulster, Invicta Low Chassis, Bugatti T35 oder auch der Mercedes C 111 Dieselrekordwagen sorgten für großes Aufsehen. Höhepunkt aber war an beiden Tagen eindeutig der Lauf des Mercedes-Benz W 25 Silberpfeils aus dem Jahr 1934 mit Jochen Mass am Steuer. Schon das Anlassen des 354 PS starken Motors dröhnte kilometerweit über Rundkurs und Flächen. Die Fahrt selbst glich am Samstag wie auch am Sonntag einem stählernen Parforceritt im Grenzbereich automobiler Vorstellungskraft. Kreischend, brutal beschleunigend und über den Kurs fliegend, begeisterte Haudegen Mass einmal mehr das Publikum.
Der W 25 ist der erste Mercedes-Benz Rennwagen, der für die 1934 eingeführte Rennklasse nach der 750-Kilogramm Formel gebaut wird. Unter der langgestreckten Haube arbeitet ein Reihenachtzylinder mit permamenter Kompressorverstärkung. Immer wieder umgebaut und verstärkt konnte Mercedes-Benz so mit dem W 25 vor 75 Jahren und in der Folgezeit insgesamt 15 Siege erringen, darunter fünf Doppelsiege und einen Dreifachsieg. Rudolf Caracciola wurde 1935 mit einem solchen vollmechanischen Renngeschoss Europameister. Zurück in die Gegenwart: Im Miscanthusfeld präsentierten alleine 60 Automobilclub ihr Hobby, während Vintage-Flugzeuge und eine JU 52 um den Schlossberg kreisen. Im großen Publikumszelt „Made in Germany“ auf der Apfelwiese stieg am Samstagabend nur eine der Parties und Get-Together auf Dyck. Denn auch nebenan im Caracciola-Zelt wurde pünktlich um 19.27 Uhr eine Party im Andenken an die Nürburgringeröffnung und den Sieg Caracciolas in dessen Jubiläumsjahr gestartet. Die Fahrer und Teilnehmer feierten derweil innerhalb der Schlossmauern im „Infield“-Zelt bei der Drivers Night mit prominenten Teilnehmern wie Jochen Mass, Hans Herrmann, Jockel Winkelhock, Dieter Glemser , David Piper, Kurt Ahrens, Isolde Holderied Jochen Berger, Jan Hofer, Kurt Lotz und Horst Lichter. Die Classic Avenue bot als Flaniermeile reichlich Automobilia und Abwechslung en detail. Ebenfalls ein Muss bei den Classic Days: das Picknick im Park. Sei es nun auf der Wiese am Schloss oder zwischen den Baumreihen auf extra ausgewiesenen Rasenflächen. Die genußreiche Tradition lebt hier alljährlich neu auf.
Der Wirtschaftswunder-Concours zeigte in 2009 unmittelbare Nachkriegsgeschichte und dokumentierte, wie automobile Fortbewegung auch mit einfachsten technischen Mitteln gelang. Deutlich komplexer präsentierte sich das Neue Fahrerlager bei der Dyckschen Obsthalle: Ob Monoposto-Rennwagen, alte Rennmotorräder oder Rallye- und Tourenwagen der ständig wechselnde Lauf der Motoren, das Ein- und Ausfahren bescherte diesem Terrain großes Interesse. Sicherlich auch, weil das Mercedes-Benz Museum hier im Paddock mit dem Silberpfeil Ensemble die Zelte aufschlug. Gleich zwei zeitgenössische Renntransporter und der besagte C 111 Versuchswagen sorgten für zusätzliche Attraktionen. Hans Herrmann steuerte einen 300 SL Roadster über den Parcours und auch andere Fahrergrößen nebst Renn-Amazone Isolde Holderied gaben sich ihr Stelldichein: Dieter Glemser, Jockel Winkelhock und auch David Piper auf Porsche 917 gingen in Jüchen an den Start.
Und so konnten am Sonntagabend alle Beteiligten der Classic Days 2009 einhellig feststellen: „Es gibt nichts Gutes – außer, man tut es!“ Das trifft es auf den Punkt. Und die Fortsetzung ist selbstredend schon für den 31. Juli und 1. August 2010 geplant – ein Datum, welches man sich merken sollte. Da bleibt Veranstaltern, Teilnehmern und auch den Gästen der Classic Days zu wünschen: „Bitte weiter so!“
Wer sich über die Classic Days auf dem Laufenden halten will, gelangt hier zum Internet-Auftritt des Veranstalters: www.schloss-dyck-classic-days.de“.
Text & Fotos: Mathias Paulokat
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