Das schönste Rennen der Welt hat ein Siegerteam und unzählige Gewinner. Im BMW 328 Mille Miglia Coupé von 1939 fuhren am Samstag, den 8. Mai 2010 Giuliano Cané und Lucia Galliani auf das Siegerpodest der diesjährigen Mille Miglia. Doch auch alle anderen Teilnehmer konnten sich freuen. Denn der Funke sprang wieder über. Und wie!
Auffallend in 2010: Das gegenüber den Vorjahren leicht entzerrte Veranstaltungsprogramm und ein starkes Teilnehmerfeld aus Deutschland. Alfa Romeo und Jaguar setzten als neue Automobilsponsoren neben der starken Präsenz von BMW und Mercedes wohltuende Akzente. Das Wetter schlug die für die Mille typischen Kapriolen schon vor der Fahrzeugabnahme, während ein Sonderlauf mit dem Titel „Tribute Ferrari“ vor dem offiziellen Start der Mille für zusätzliche Begeisterung sorgte.
La Freccia rossa! Immer dem roten Pfeil nach. Längst ist das Signet der Mille Miglia zum Inbegriff für automobile Begeisterung nicht nur in Italien geworden. Wenn die Mille Miglia dann tatsächlich Anfang Mai in Brescia auf der Viale Venezia gestartet wird, ist die ganze Automobil-Nation nebst ihren aus aller Welt angereisten Gästen außer Rand und Band. Tausende Menschen säumen die Straßen und lassen ihrer Begeisterung für Geschwindigkeit, Automobile und den Besatzungen freien Lauf.
Genauso wie die Fahrer selbst, die sich offenkundig jedes Jahr wieder von einer ungeschriebenen Road-Book Anweisung anstacheln lassen. Und diese lautet: „Tutto gas!“ So auch bei der aktuellen Auflage des großen Klassikers quer durch Italien vom 5. bis zum 8. Mai 2010. Die Polizia Stradale räumte das Feld und ein Korso aus 375 Klassikern und ungezählten Support- und Privatfahrzeugen rauschte im großen Kreisverkehr durch Italien. Brescia, Ostiglia, Bologna, Imola, Rieti, Roma, Viterbo, Siena, Firenze, Parma, Cremona und wieder Brescia lauteten die wichtigsten Stationen und Städtedurchfahrten der Mille Miglia in diesem Jahr. Eine Rundfahrt von knapp 1.600 Kilometer Länge. Und auf jedem Meter Begeisterung.
Das große Aufgebot von BMW zahlte sich dabei aus. Mit 15 Fahrzeugen der formschönen und kernigen BMW 328er der Baujahre 1937 bis 1939 zeigten die Münchner in 2010 Variationen dieses Klassikers. Das Team Giuliano Cané und Lucia Galliani, beide aus Italien, gewannen auf einem 328 Mille Miglia Coupé die diesjährige Ausgabe der Rundfahrt. Die Freude bei BMW war entsprechend groß. Denn exakt vor siebzig Jahren errangen von Hanstein und Bäumer auf einem solchen Fahrzeug den BMW-Sieg der historischen Mille Miglia. Ebenfalls im BMW-Teilnehmerfeld: Ein 328 Mille Miglia Roadster, den der Hersteller auch im Rahmen eines Sonderdisplays im Frühjahr auf der Techno Classica in Essen zeigte.
Classic Driver hat sich der diesjährigen Mille Miglia auf zweifache Weise genähert und den Mythos in gewisser Weise in die Zange genommen. J. Philip Rathgen ist in München sehr stilecht im BMW aufgebrochen. Nicht in irgendeinem Fahrzeug, sondern in besagtem MM-Coupé ist er von Norden auf den Spuren von Huschke von Hanstein nach Brescia gereist. Die Südachse: In Monaco hingegen haben wir nach dem Grand Prix Historique unseren Lotus startklar gemacht und sind über San Remo, Savona und Mailand nach Norditalien gefahren. Und in Brescia gerade noch rechtzeitig eingetroffen, um das große Spektakel der Fahrzeugabnahme zu erleben und zu dokumentieren.
Denn so wie es die Tradition verlangt, fand die Abnahme und Versiegelung der teilnehmenden Fahrzeuge auch in diesem Jahr wieder auf der Piazza Loggia im historischen Stadtkern statt. Pünktlich um 08.30 Uhr rollten die ersten Fahrzeuge auf den Platz, an den Zuschauern und Ständen der Sponsoren vorbei, weiter vor zur Abnahme bei den Rennkommissaren. Diese versahen die Lenksäulen mit einer kleinen Plombe – „verificato“, will heißen: Startklar für die Mille Miglia 2010.
Mecedes-Benz konterte das Aufgebot von BMW mit einer Armada von über 20 Exemplaren des 300 SL Flügeltürers. Den 300 SL „Gullwing“ W194 steuerten David Coulthard und Mika Hakkinen durch Italien. Doch an Coolness wurden sie dabei noch vom Team Stewart/Stewart überboten. Rennfahrer-Vater und Sohn bestiegen den tiefschwarzen Wagen einheitlich in weißem Hemd und mit Hose und Mütze im schottischen Tartan. Perfekt. Auch Jochen Mass nahm in einem 300 SL Werkswagen Platz. Der Routinier gab sich dabei betont gelassen. Ergänzt wurde der Auftritt von Mercedes durch beeindruckende SS und SSK Vorkriegsrennwagen. Ebenfalls vertreten: Ponton-Modelle der späten 1950er Jahre.
Jaguar Chef Mike O'Driscoll blieb erwartungsgemäß seiner Marke treu. Denn Jaguar feiert in diesem Jahr das 75-jährige Markenjubiläum. „Ich bin zum zweiten Mal bei der Mille Miglia dabei“, berichtete O´Driscoll gegenüber Classic Driver, „diesmal in einem Jaguar C-Type.“ Der Jaguar Heritage Trust aus Coventry hatte zudem einige Chromjuwelen für die Mille startklar gemacht, welche die Herzen von britischen Enthusiasten höher schlagen ließen. D-Type und legendäre XK-Roadster und Coupés zählten zur britischen Vertretung. Schön war auch der Anblick der schweren Mk VII Limousine, die scheinbar lautlos über die Piazza schwebte, in der Viale Venezia aber später geräuschvoll das Weite suchte.
Alfa Romeo zeigte sich derweil mit eleganten und überaus erfolgreichen Vorkriegsrennwagen. Aber auch spätere Giulietta und Super Sprint Modelle liefen bei der Mille auf. Bei Ferrari begeisterten erneut die fantastischen Klassiker aus den 1950er Jahren. Zudem sorgte ein Tribute Ferrari Vorlauf für große Aufmerksamkeit für die Marke aus Maranello. Nicht fehlen durften auch zahlreiche weitere Hersteller. Die frühen Fahrzeuge von O.M., Sieger der ersten Mille Miglia von 1927, beispielsweise. Oder Bugatti vom Typ 35, Bristol, MG, Riley und Aston Martin. Saab war mit 93er Modellen dabei, Volkswagen mit dem Käfer und Citroen tatsächlich mit einem 2CV.
Die Porsche Vertretung übernahmen bei der Mille Miglia 2010 wieder klassische 356er und 550er Modelle. Sponsor State of Art sandte ein Dreigespann, teils mit Damenbesatzung, auf die Strecke. Und auch Chopard-Chef Karl-Friedrich Scheufele startete gemeinsam mit Jacky Ickx im Porsche 550A - 1500 RS zum Rennen dem roten Pfeil nach. All diejenigen, die nicht pünktlich ins Ziel kamen oder mit technischen Pannen kämpften, konnten sich wenigstens damit trösten, dabei gewesen zu sein. Sie alle sind Gewinner der Mille Miglia – so oder so. In diesem Sinne: „Benvenuti alla Mille Miglia 2011“.
Text: Mathias Paulokat
Fotos: Mathias Paulokat, MM, BMW
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