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Magazin

Lancia Youngtimer

Ende einer Leidenschaft

Text: Sven Jürisch
Fotos: Lancia

Mit umgelabelten Chrysler-Produkten startet Fiat-Chef Sergio Marchionne aktuell einen letzten Versuch zur Rettung der einstigen Fiat-Edelmarke Lancia. Doch offenbar glaubt selbst bei Lancia kaum noch jemand an das Gelingen der Mission. Classic Driver blickt zurück auf bessere Zeiten und stellt die lässigsten Lancia Youngtimer vor.

Liebe kommt nur, wenn man fest daran glaubt. Doch selbst den eingefleischten Fans der Marke Lancia hilft der Glaube nun nicht mehr weiter. Der Einzug amerikanischen Trashdesigns in das Produktportfolio der Italiener ist vollzogen. Der Geist von fast 100 Jahren feinstem Design, edlen Materialien und filigraner Technik ist komplett vertrieben. Da bleibt nur der Blick zurück auf die Zeit, als Lancia mit Sportwagen und eleganten Coupés noch eine anerkannte Größe im automobilen Oberhaus war.

Dazu gehört ohne Frage die Youngtimerikone der Marke, der Lancia Delta HF Integrale. Der aus dem Golf-Konkurrenten Delta herausgearbeitete Sportler sorgte ab 1987 nicht nur auf der Rennstrecke für Furore. Ein Vierzylinder mit Abgasturbolader, permanenter Allradantrieb sowie eine ultrakompakte Karosserie brachten den Asphalt zwischen San Remo und dem Col de Turini auch unter der Hand von Privatfahrern zum Glühen. Dass der Kleine nebenbei auch insgesamt sechs Rallye-WM-Titel holte, vervollständigt seine Bilanz. Wer mag, kann auch heute noch gut erhaltene Exemplare der verschiedenen Evolutionsstufen finden. Je nach Baujahr und Leistung sind jedoch Preise von bis zu 40.000 Euro fällig. Dafür garantieren bis zu 350 PS puren Fahrspaß, wenngleich der Vierventil-Vierzylinder nach einer aufmerksamen Wartung verlangt.

Im Jahr 1994 war Schluss mit Lustig, und der Delta HF Intergrale verabschiedete sich mit der heute sehr gesuchten Sonderedition „Evoluzione“ in den Ruhestand. Der später gelaunchte Nachfolger konnte weder in Sachen Charisma noch in punkto Leistung mithalten.

Lancia Beta

Ähnlich knackig gab sich rund 15 Jahre zuvor der Mittelmotor-Bolide Lancia Beta Montecarlo. 120 PS aus einem 2,0-Liter-Vierzylinder reichten aus, um den wahlweise als Rolldachcabriolet oder als Targa erhältlichen Zweisitzer für damalige Verhältnisse flott zu bewegen. Wie beim späteren Delta war das Revier des Montecarlo die kurvenreiche Bergserpentine. Der tiefe Schwerpunkt und die Mittelmotorbauweise verhalfen dem Beta Montecarlo zu überragenden Fahreigenschaften. Optisch glänzte der bis 1981 bei Pininfarina gebaute Keil vor allem mit seiner schwarz gefärbten Front und einer seitlich zur Fahrbahn aufklappbaren Motorklappe im Heck.

Eleganter gab sich ein weiteres Mitglied der Beta-Familie: Der auf dem Beta Spider basierende Lancia Beta HPE bot bereits ab 1979 eine interessante Kombination aus Coupé und Kombi. Die große Heckklappe und die umlegbaren Rücksitze machten den von Pininfarina gezeichneten HPE zu einem ungemein praktischen Auto, ohne das dabei auf italienische Eleganz verzichtet werden musste. Wem das Design nicht schon exklusiv genug erschien, der konnte ab 1974 für kurze Zeit die aufgeladene Volumex-Variante ordern. Der von einem Roots-Gebläse unter Druck gesetzt 2,0-Liter-Doppelnockenwellenmotor lieferte 135 PS und ermöglichte eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h. Doch leider stieg mit der Leistung auch der Verbrauch drastisch an, so dass der Mini-Tank von 52 Liter meist nur kurzen Fahrspaß bot. Heute gilt gerade diese, nur 1974 gebaute Variante bei Sammlern als besonders gesucht, sind doch die meisten Fahrzeuge aufgrund der schlechten Rostvorsorge bereits im Autohimmel.

Lancia Gamma

Dort dürfte der Beta HPE Volumex auf das elegante Gamma Coupé treffen. Dieses, erstmals 1977 präsentierte Fahrzeug ist eines der Meisterstücke von Hausdesigner Pininfarina. Klare Linien, großzügig in Chrom eingerahmte Fensterflächen und ein opulentes Platzangebot machen das Gamma Coupé zu einem Cruiser par excellance. Dazu passte der eigenwillige 2,5-Liter-Boxermotor mit seinem sonoren Klangbild ebenso vorzüglich, wie die hochwertige Inneneinrichtung, wahlweise aus schwerem Velours oder hochwertigem Leder von Poltrona Frau. Doch die Mühe nutzte wenig, da das Coupé von Anfang an unter zahlreichen technischen Malaisen litt. So sorgten eingelaufene Nockenwellen und Kühlungsprobleme für eine Häufung an Motorschäden, bevor der Rost der schönen Gamma-Karosserie den endgültigen Rest gab. Bis zum Sommer 1984 konnten deshalb lediglich rund 7.000 Coupés verkauft werden, die letzten Modelle davon mit einer Bosch-Einspritzanlage.

Verlust einer Ikone

Nachfolgende Entwicklungen brachten die Marke zuletzt an den Rand des Ruins. So konnten weder die Mittelklassemodelle Lybria oder Delta HF, noch die skurril anmutende Oberklasselimousine Lancia Thesis, die ab 2002 den ebenfalls völlig erfolglosen Lancia Kappa ablöste, an die Erfolge der 70er und 80er Jahre anknüpfen.

Doch trotz dieser Misserfolge hielt sich die Aura Lancias bis heute. So ist der Markenname vermutlich das derzeit größte Kapital der Italiener. Denn noch immer gilt Lancia als die elegante Alternative zum sportlichen Alfa und zu den eher pragmatischen Fiat-Produkten. Die Einverleibung durch den Fiat-Konzern und die offensichtlich vollständige Unterordnung in die Konzernregie dürften andererseits der Grund für das Scheitern Lancias sein. Denn anders als im Volkswagen-Konzern, wo das Spiel der Plattformen und Aggregate den einzelnen Marken genug Freiraum für eine eigne Identität lässt, schafft es Fiat nicht, die Kernwerte der einzelnen Marken herauszuarbeiten und glaubhaft an die Kunden zu vermitteln.

Stattdessen verzettelten sich die Italiener mit unglücklichen Kooperationen und ungeschicktem Marketing. Den traurigen Höhepunkt erreichte diese Entwicklung mit dem Verlust der Namensrechte an dem Traditionssportwagen Lancia Stratos. Der Rallyekeil war für die Italiener das, was für Audi der Urquattro ist. Er wäre sicher bestens geeignet gewesen, Lancia zu altem Glanz zu verhelfen. Doch Geldnot und Ungeschick ließ den Italienern die Namensrechte entgleiten – mit der Folge, dass der neu konstruierte Zweisitzer nun unter deutscher Regie bei Pininfarina gebaut wird.

Lancia Youngtimer und Klassiker finden sich im Classic Driver Automarkt.

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