Irgendwann im Mai 1925 knattert ein blauer Bugatti Typ 30 durch die engen Gassen von Bellagio. Mit einer Mischung aus Misstrauen und Neugierde blicken die Bewohner der Stadt am Ufer des Comer Sees dem neuartigen offenem Automobil hinterher. Der russische Prinz am Steuer biegt beherzt auf die Via Roma. Sein Ziel thront wie ein Palast auf einem Felsvorsprung am Ende der mit Kopfsteinen gepflasterten Straße: das Grand Hotel Bellagio.
Was sich vor über achtzig Jahren so zugetragen haben könnte, erlebt Art und Weise, wer mit dem Automobil zum Grand Hotel Villa Serbelloni anreist. Von der Fähre aus Cadenabbia kommend, führt einen die Karte quer durch die Fußgängerzone der Altstadt von Bellagio – was einem nur als Gast der Villa gestattet ist – bis zur Einfahrt der Villa Serbelloni (die vorher unter dem Namen Grand Hotel Bellagio bekannt war), wo bereits seit 1870 Gäste begrüßt werden.
Traumhaft in einem großzügigen, parkartigen Garten gelegen, in dem es nach Zitronen, Zypressen und wilden Rosen duftet, gehört die „Villa“ zu einer aussterbenden Hotelkategorie: dem klassischen Grand Hotel. Mit einer Mischung aus italienischer Hotellerie-Tradition und dem leicht morbiden, aber dennoch opulenten Charme laden die 95 Zimmer und Suiten zu einer persönlichen Zeitreise ein. Jeden Abend spielt ein Trio im Frack Hits vergangener Tage, deren Klänge angenehm dumpf durch das Treppenhaus aus Marmor tönen. Je mehr man sich dem großen Salon mit einem traumhaften Blick über den See nährt, desto weniger würde man überrascht sein, den eingangs erwähnten russischen Prinzen beim Charleston tanzend mit einer jungen Dame zu entdecken. Die Zeit scheint in den massiven Wänden dieses außergewöhnlichen Hotels langsamer zu vergehen.
Man hat den Eindruck, dass sich fast hinter jedem Winkel des Grand Hotels eine spannende Geschichte verbirgt. Seit 1918 wird das Haus von der schweizerischen Familie Bucher betrieben, deren aktuelles Oberhaupt Gianfranco ein Ur-Enkel des Hoteliers Arthur Bucher ist. Er lebt mit seiner Familie im Hotel, und diese Allgegenwart ist eindeutig zu spüren. Nur noch sehr selten findet man heute noch eine Eigentümer-Familie, die so nah am „Puls des Hotelgeschehens“ lebt. Die Buchers haben in der Villa Serbelloni viele turbulente Zeiten er- und durchlebt. Zum Ende des Ersten Weltkrieges diente die im für die Lombardei typischen Baustil erbaute Villa als Kaserne und Zufluchtsstätte für notleidende Familien. Später versuchten es die Faschisten unter Mussolini, sich das prachtvolle Anwesen einzuverleiben, doch per Dekret wurde das Haus und seine Eigentümer unter den Schutz des schweizerischen Konsulats in Mailand gestellt und konnte so in den Händen der Gründerfamilie verbleiben.
Die New York Times hat einst über die Villa Serbelloni geschrieben: „Eines der besten Hotels – wenn man es sich leisten kann!“ Wer müde ist, sein Haupt auf harten Futon-Betten in „fancy“ Designer-Hotels zu betten, sollte sich diesen Luxus leisten. Und wer weiß, vielleicht begegnet man beim Spaziergang im Park am Ufer des Comer Sees einem russischen Prinzen.
Weiterführende Links Die Villa Serbelloni finden Sie im Internet unter www.villaserbelloni.com. |
Fotos: Villa Serbelloni