Bei mechanischen Uhren hängt die Länge der einzelnen Segmente vom Taktgeber ab. Als Taktgeber kann ein Pendel, oder im Falle tragbarer Zeitmesser die Unruh samt Unruhspirale fungieren. Das Pendel- eines klassischen Regulators benötigt von Umkehrpunkt zu Umkehrpunkt exakt eine Sekunde, daraus folgt, dass es eine Frequenz von 0,5 Hertz oder stündlich 1.800 Halbschwingungen besitzt. Bei Taschenuhren wuchs diese abstrakte Schlagzahl zunächst auf 12.600 und später auf weit verbreitete Frequenz von 18.000 erhöht. Mit dieser Frequenz konnte man mit Chronographen die auf die Fünftelsekunde genau stoppen. Das Streben nach besseren Gangleistungen führte ab Anfang der 1960er Jahre zu höheren Unruhfrequenzen. Das legendäre „El Primero“-Werk von Zenith tickte ab 1969 mit flotten fünf Hertz, was nun Stoppungen auf die Zehntelsekunde genau ermöglichte.
Was erst relativ spät bei Armbanduhren möglich war, reichte in Wissenschaft, Technik und Sport bereits Anfang des 20. Jahrhunderts schon lange nicht mehr aus. Charles-A. Heuer, anerkannter Spezialist für Kurzzeitmessung, startete daher 1914 ein ehrgeiziges Entwicklungsprojekt, das 1916 in einer Taschenuhr-Weltpremiere feierte: „Le Mikrographe“. Diese Uhrenrevolution misst die Zeit, dank einer Unruhfrequenz von 50 Hertz auf die Hundertstelsekunde genau. Erst später folgten die Marken Longines und Minerva mit ähnlich leistungsstarken Stoppuhren.
Mit Hilfe von quarzgesteuerter Elektronik gelang Heuer 1966 ein weiterer Meilenstein: Das Erfassen der Tausendstelsekunde. Es sollte gut 45 Jahre lang dauern, bis diese Genauigkeit auch mit einer rein mechanischen Uhr gelang. 2011 lancierte Tag Heuer die Konzeptuhr „Mikrotimer Flying 1000 Concept Chronograph”. Doch auch mit dieser unglaublichen Genauigkeit gab sich Guy Semon, Technischer Direktor der Manufaktur, nicht zufrieden. Er bediente sich gedanklich bei Jean Baptiste le Rond, genannt d'Alambert und streckte die Unruhspirale einfach gerade. Innerhalb von nur 59 Tagen entstand der „Mikrogrider“, welcher auf die 1/2.000stel Sekunde genau messen kann.
Beim allerneuesten Tempo-Oeuvre, das am 18. Juni debütiert, vereinigte TAG Heuer Hochgeschwindigkeit mit traditioneller Uhrmacherkunst. „Wir nennen es ein Tourbillon, denn das ist es in technischer Hinsicht“, meint Jack W. Heuer, Enkel des Firmengründers. „Eine physikalische Kraft und eine derart komplexe Maschine, dass der Atem stocken mag. Zusammengefügt aus so vielen Komponenten, Muskeln und Knochen sozusagen, wie ein menschlicher Körper.“ Der MikrotourbillonS krönt die 1916 begründete Tempo-Philosophie des Schweizer Traditionsunternehmens. Der Name reiht sich konsequent ein hinter Mikrograph, Mikrosplit, Mikrotimer sowie Mikrogirder.
Das mechanische Wunderwerk verfügt über den schnellsten Drehgang aller Zeiten: Erstmals in der Uhrengeschichte gestattet das 1801 von Abraham-Louis Breguet zur Kompensation negativer Schwerkrafteinflüsse auf den Gang mechanischer Uhren erfundene Tourbillon Stoppvorgänge auf die Hundertstelsekunde genau. Die Architektur des 35,8 mm großen und 9,79 mm hohen Opus Maximus gehorcht dem bewährten Prinzip der Integration zweier separater Räderwerke mit jeweils eigenem Federhaus sowie unterschiedlich schnellen Schwingsystemen: Ein langsames zum Messen der Uhrzeit und ein sehr viel kleineres 50-Hertz-Konstrukt zum Stoppen derselben. Der spektakuläre Unterschied zum Hundertstelsekunden-Mikrograph besteht in zwei Tourbillons, welche ihre Pirouetten vor dem Auge des Betrachters drehen. Der bedarfsweise zugeschaltete Stopper nimmt keinerlei Einfluss auf die Präzision des eigentlichen Uhrwerks. Andererseits wirken sich eventuelle Ungenauigkeiten des Zeitinstruments auch nicht auf die Leistung des Kurzzeitmessers aus.
Zum Kurzzeitmessen lässt sich der untere, durch und durch zweckorientiert gestaltete „Tempo-Drehgang“ starten und auch wieder anhalten. In Aktion zerhackt er die kontinuierlich fließende Zeit in Hundertstelsekunden-Abschnitte. Seine winzige Unruh vollzieht stündlich 360.000 Halbschwingungen. Für einen kompletten Umlauf benötigt das Mini-Tourbillon lediglich fünf Sekunden. Weil derartiges Tempo Kraft kostet, reicht die hierfür im Federhaus gespeicherte Energie nur für sechzig Minuten Dauersprint.
Das darüber angeordnete Zeit-Pendant rotiert in überlieferter Manier samt dem daran befestigten Sekundenzeiger einmal pro Minute um seine Achse. Alle 439 Komponenten des Automatikwerks mit beidseitig wirkendem Aufzugsrotor wirken in einem 45 Millimeter „Carrera“-Gehäuse aus Tantal und Roségold zusammen. Die Manufaktur ist besonders stolz darauf, dass sämtliche Teile mit Ausnahme der beiden Unruhspiralen unter eigenem Dach entstehen. Am Zifferblatt dominieren links die beiden Tourbillons. Im Süden findet sich die Indexierung für die Stoppsekunde. Recht außen selbige für den Minutenzähler. Der Bruchteil-Zeiger sprintet, wenn gestartet, im Zentrum einmal pro Sekunde um seine Achse. Wer kann, der kann.
Fotos: TAG Heuer