Zu den hellsten Sternen am Firmament der Schweizer Uhrmacherkunst zählt zurzeit beileibe nicht ein jahrhundertealter, geschichtsträchtiger Name auf dem Zifferblatt – sondern eine Marke, die erst vor 21 Jahren auf der Bildfläche erschienen ist. In Uhrmacherkreisen ist das allenfalls ein Wimpernschlag. Der Name des Meisters ist François-Paul Journe – und obwohl seine gleichnamigen Uhren im Herzen der horologischen Stadt Genf entstehen, ist er durch und durch Franzose. Das Licht der Welt erblickte er 1957 in Marseille. Er soll als Kind „aufsässig“ gewesen sein und gilt auch heute noch als Außenseiter und Querdenker in der Branche, obwohl er kürzlich seinen 63. Geburtstag feierte. Tatsächlich führte sein schlechtes Benehmen an einer „normalen“ Schule dazu, dass Journes Eltern ihn im Alter von nur 15 Jahren zur Uhrmacherausbildung anmeldeten.
François-Paul Journe wurde zwar nach ein paar Jahren dieser Schule verwiesen. Doch er war bereits so von der Uhrmacherei fasziniert, dass er sich auf nach Paris machte, wo er bei einem Onkel in die Lehre gehen konnte, der in einer Werkstatt in Saint-Germain-des-Prés Uhren und Armbanduhren reparierte. Aufgrund dieser Erfahrung lernte er sowohl einige der weltweit bekanntesten Sammler kennen wie auch die Arbeiten großer Meister der Vergangenheit wie Ferdinand Berthoud und Abraham Louis Breguet schätzen. Er beschloss, ihrem eher intellektuellen Anspruch im Uhrmacherhandwerk zu folgen – mit anderen Worten: Er wählte Probleme aus der schieren Genugtuung, sie lösen zu können. Mit Anfang zwanzig hatte er bereits seine eigene Tourbillon-Taschenuhr gefertigt. Mitte der Neunzigerjahre entwickelte er allmählich eine eigene Kollektion von Armbanduhren, die schließlich 1999 zur Gründung der Marke F.P.Journe führte.
François-Paul Journe signiert seine Stücke mit dem lateinischen Motto, das einst auch die französischen Meisteruhrmacher favorisierten: „Invenit et fecit“ – erfunden und hergestellt. Seine Philosophie als Uhrmacher besteht darin, nur das zu machen, was er will. Und nicht auf das zu hören, wonach der Markt angeblich verlangt. F.P.Journe – der Mann und seine Marke – zählt inzwischen zu den Größen der modernen Uhrmacherbranche und ist nun unter den selbständigen Uhrmachern derjenige, der am häufigsten den renommierten Grand Prix d'Horlogerie de Genève verliehen bekam. Sieben Mal betrat er die Bühne , um diese auch als „Oscar des Uhrmachens“ titulierte Ehrung entgegenzunehmen. Dreimal erhielt er sogar die höchste Auszeichnung, den begehrten „Aiguille d'Or“ – die goldene Hand.
Die Meisterstücke von F.P.Journe entstehen in einem wunderbar restaurierten Industriegebäude in der Genfer Rue de l'Arquebuse. Dort konzipiert und gestaltet Journe höchstpersönlich seine innovative Mechanik, umgeben von einer kleinen und sorgfältig ausgewählten Schar von handwerklichen Spezialisten, die ihn bei der Realisierung unterstützen. Dennoch verlassen nie mehr als 900 mechanische Uhren im Jahr dieses Atelier. Jede Uhr wird von Anfang bis zum Abschluss vom selben zertifizierten Uhrmacher gefertigt. Dieser führt alle einzelnen Schritte der Fertigung aus – wie die hochempfindliche Arbeit an den Komponenten, das Einschließen ins Gehäuse sowie das finale Testen. Bei F.P.Journe ist man stolz darauf, die wahrhafte Uhrmacherkunst zu pflegen.
Bis heute dürfte Journes am meisten gefeierte Werk der außerordentliche Chronomètre à Résonance sein, dessen zwei Zifferblätter und die beiden Unruhen für erhöhte Genauigkeit zusammenschwingen. Zu dieser komplexen Uhr wurde Journe inspiriert, als er ein ähnliches System studierte, dass Breguet im 18. Jahrhundert mittels einer Kombination aus Standuhr und Taschenuhr entwickelt hatte.
Weitere Meisterwerke sind die Sonnerie Souveraine – eine Uhr mit großem Schlagwerk und Minutenrepetition –, die als eine der feinsten und begehrtesten modernen Armbanduhren überhaupt bewundert wird. Aber auch die Octa Automatikkaliber mit 160 Stunden Gangreserve, die Tourbillon Souverain und die Astronomic Blue, die Journe der Wohltätigkeitsauktion Only Watch stiftete und die mit einem Erlös von 1,8 Millionen Dollar dreimal mehr als erwartet erlöste. Aber weil die F.P.Journe-Modelle mehrheitlich Uhrwerke aus 18-karätigem Rotgold an Stelle der üblichen Messingbasis besitzen, wird die Marke selten mit der Welt der Sportuhren in Verbindung gebracht. Bis auf jene Kenner, die mit der lineSport-Kollektion vertraut sind.
Die Idee zur lineSport stammt von einem japanischen Sammler, dem die Idee gefiel, eine Sportuhr von F.P.Journe zu besitzen. Dann, im Jahr 2012, zierte Journes Markennamen die Flanke des 354 Stundenkilometer schnellen Dallara Lotus, der bei der Indianapolis 500 startete. Am Steuer saß der französische Rennfahrer und ehemalige Formel 1-Star Jean Alesi, die zufälligerweise ein enger Freund von François-Paul Journe ist. Der Centigraphe Sport-Chronograph, den Alesi während des Rennens trug, ist die weltweit erste Armbanduhr, die ausschließlich – das gilt auch für das Werk – aus Aluminium gefertigt worden war. Damit war sie inklusive Armband ein Federgewicht von nur 55 Gramm, beziehungsweise 12 Gramm allein nur für den Uhrenkopf selbst.
Das allererste Exemplar der Centigraphe Sport kam bei Christie's unter den Hammer und erlöste 465.000 US-Dollar für die Opfer des Erdbebens in Japan im Jahr 2011. Seitdem kommt den lineSport-Modellen eine Schlüsselrolle in der F.P.Journe-Kollektion zu. Sie sind in den Ausführungen Titan, Gold und Platin erhältlich. Zur lineSport-Reihe gehört jetzt auch die Automatique Réserve und der auf Sekundenbruchteile exakte Chronographe Rattrapante. Kürzlich wurde allerdings das ursprüngliche 42mm-Gehäuse um zwei Millimeter vergrößert – die Titan-Version des Centigraphe, die man auf diesem Bild sieht, wird mit gelbem oder anthrazitfarbenem Zifferblatt angeboten.
Bei beiden Uhren wurden die Zifferblätter und Uhrwerke aus Aluminium geschaffen, das Armband, die Lünette und das Gehäuse hingegen bestehen aus Titan – ein Metall, das nicht nur leicht und korrosionsbeständig ist, sondern auch robust und hypo-allergen. Es ist der ideale Stoff für eine allen Härten ausgesetzte Fahreruhr, sie wiegt leicht am Gelenk mit nur 81 Gramm. Leuchtzeiger und aufgetragene Ziffern zusammen mit den unteren Zifferblättern aus Saphirglas, kräftigen roten Markierungen und einem auf die Hundertstelsekunde genauen Chronographen mit 20-Sekunden- und 10-Minuten-Zählern sorgen für eine praxisnahe Gestaltung – wie auch, dass dieser Zeitmesser ein patentierten ergonomischen Kipphebel anstelle der sonst üblichen Drücker besitzt.
Und weil es sich um eine echte F.P.Journe handelt, ist das Engineering vom Feinsten. Ein patentierter Mechanismus isoliert wirksam den Chronographen von der Zeitmessung, das bedeutete, dass die Schwingungsweite der Unruh und damit die Genauigkeit der Zeitmessung vom Chronographenlauf nicht tangiert wird. Tatsächlich hat sich diese Uhr im Motorsport ein so großes Renommee erworben, dass sich F.P.Journe mit FIA-Präsident Jean Todt – ein weiterer persönlicher Freund des Uhrmachers und bekennender Journe-Sammler – zusammengeschlossen hat, um zur Forschung des in Paris beheimateten Brain and Spinal Cord Institute ICM und seiner Arbeit zur Bekämpfung von Gehirn- und Rückenmarkserkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und Multipler Sklerose beizutragen. Daraus folgt, dass 30 Prozent aller Erträge aus dem Verkauf einer jeden Centigraphe-Sportuhr an ICM gehen. Zum Vergleich: Jede Titan-Version kostet 62.300 US-Dollar. Eine großartige Idee, die einem jedem Kunden dieser exklusiven Sportuhren aus der Welt der Haute Horlogerie ermöglicht, zu einer verdienstvollen Wissenschaft beizutragen.
Fotos: Mathieu Bonnevie für Classic Driver © 2020