Sie ist die bekannteste Kühlerfigur der Welt – die „Spirit of Ecstasy“ von Rolls-Royce. Am 6. Februar 2011 feiert die fliegende Lady ihren 100. Geburtstag – und noch immer ranken sich zahlreiche Mythen um die Muse, die Charles Sykes zu seinem Kunstwerk inspiriert haben soll.
Es ist eine glamouröse, faszinierende Erzählung voller Geheimnisse. Ein Mythos aus der Dämmerung des Automobilzeitalters. Es ist die Geschichte der „Spirit of Ecstasy“ – jener Kühlerfigur, die seit dem 6. Februar 1911 die Haube eines jeden Rolls-Royce schmückt – und jener drei Männer, die sich aufmachten, das beste Automobil der Welt zu bauen. Die Ingenieure Charles Rolls und Henry Royce sind bis heute bekannt, doch es war Claude Johnson, der die beiden Visionäre im Jahr 1904 zusammen brachte. Noch heute, so scherzen Mitarbeiter bei Rolls-Royce, zeugt der Bindestrich im Markennamen von Johnsons Engagement. Der Kontakt zu Charles Sykes – einem Illustrator und Bildhauer, der ab 1903 für das britische Magazin The Car Illustrated tätig war – kam über Johnson zustande. Die Person, über die in der hundertjährigen Geschichte der „Spirit of Ecstasy“ sicherlich am meisten spekuliert wurde, war jedoch Johnsons ehemalige Sekretärin Eleanor Thornton, die Sykes zunächst als Assistentin, später dann als Muse diente.
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Eleanor Thornton | Charles Sykes mit Tochter |
Eleanor war nicht nur kompetent, sondern auch wunderschön. Zudem hatte sie einen gewissen Hang zur Provokation. Für die satirischen Illustrationen „Alice in Motorland“ stand Eleanor ebenso Modell wie für zahlreiche Titelbilder der Car Illustrated. Dass sie Sykes auch als Vorbild für die bronzene „Spirit of Ecstasy“-Figur diente, ist zwar nicht endgültig nachzuweisen, zumindest jedoch sehr wahrscheinlich. Die Idee für die Kühlerfigur ging übrigens auf einen Wunsch des Rolls-Royce-Vorstandes zurück, sich von der damaligen Vorliebe für knallige und schräge Kühlerfiguren durch einen eleganteren Entwurf abzusetzen. Tragischerweise bekam Charles Royce die fliegende Statuette nie zu Gesicht; er starb 1910 als erstes Todesopfer der britischen Luftfahrtgeschichte in Bournemouth. Auch Eleanor Thornton sollte kein langes Leben beschieden sein: Bei einer Reise während des Ersten Weltkrieges nach Indien wurde ihr Schiff von einem Torpedo getroffen und sank.
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Historischer Showroom von C.S. Rolls & Co. in der Conduit Street in London. |
Spykes äußerte sich bis zu seinem Tod im Jahr 1950 nicht zu Eleanor und der wahren Entstehungsgeschichte der „Spirit of Ecstasy“. Vielleicht handelte es sich bei der Geschichte auch nur um einen geschickten PR-Schachzug von Claude Johnson. In jedem Fall ist die Kühlerfigur eine der großen Ikonen der Automobilgeschichte. Der Name Emily, mit dem die „Spirit of Ecstasy“ in Deutschland oftmals bezeichnet wird, ist in England übrigens weitgehend unbekannt. Die Figur wird übrigens bis heute in der klassischen Wachs-Technik hergestellt, was jedes Exemplar zu einem Unikat macht.
Um den hundertsten Geburtstag der „Spirit of Ecstasy“ gebührend zu feiern, wird Rolls-Royce in diesem Jahr alle Phantom- und Ghost-Modelle mit dem Jubiläums-Schriftzug „Spirit of Ecstasy Centenary – 2011“ ausliefern. Der Satz wird in der Schriftart ITC Willow in den Fuß einer jeden Statuette eingeätzt. Zudem hat die britische Marke für 2011 eine Reihe von Feierlichkeiten geplant: Am 6. Februar wird ein Rolls-Royce-Konvoi mit mehr als einhundert klassischen und modernen Modellen der Marke durch die Londoner Innenstadt fahren und dabei unter anderem die früheren und aktuellen Firmensitze besuchen. Weitere Veranstaltungen sollen im Anschluss bekannt gegeben werden.
Text: Jan Baedeker
Fotos: Rolls-Royce