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Porsche 911 Targa (997/2)

Porsches neueste Lichtgestalt ist da: der 911 Targa der überarbeiteten Modellgeneration 997. Ein Porsche für Genießer. Classic Driver hat den Beau längs den Gestanden des Lago di Garda einer Testrunde unterzogen. Unser Urteil: dieser Porsche ist anders. Sportliches und gleichzeitig beeindruckend kultiviert offenes Fahren ist seine Domäne.

Die Gardesana Occidentale am Westufer des Lago di Garda gibt sich gelassen. An diesem frühen Morgen werfen die Zypressen ganz ungestört ihre langen Schatten auf den kurvenreichen Asphalt. Das Seewasser funkelt Türkis. Milder Bergwind gleitet den Hang hinab. Späte Sommerwärme haucht uns an. Sanft. Die Sonne strahlt. So als wollten mir die natürlichen Elemente sagen: „Komm! Spiele mit uns! Wir warten auf Dich!“ So einer verlockenden Einladung kann man nicht widerstehen. Zumal das erwartete Gefährt bereits vor dem Vestibül des Grand Hotel Fasanos in Gardone Riviera parkt. Porsches Neuer: der 911 Targa. Meine Wahl fällt auf Aquablaumetallic, was sonst an den Ufern des Lagos? Das Gepäck verschwindet flink im geräumigen Bug des Wagens.

Porsche 911 Targa (997/2) Porsche 911 Targa (997/2)

Es ginge auch anders. Hinten im Heck bietet der Sportler ein 230 Liter großes Gepäckfach, zugänglich über eine gläserne Heckklappe. Moment - ein Porsche, nein, ein 911 mit Heckklappe? Gibt es das? Aber ja, das ist kein Scherz, sondern seit dem ersten 911 Targa der Modellgeneration 997 praktikable wie gleichermaßen formschöne Realität. Alleine dieses Detail macht klar: Der Porsche 911 Targa ist anders. Es ist der Elfer für Genussmenschen und die sportiv fahrende Avantgarde.

Das passt zusammen. Schon immer fuhr dieser besondere Porsche, der Targa, aus der Reihe. Seit seinem Debüt im Jahr 1965 auf der IAA in Frankfurt gilt der Targa quasi als „Sondermodell“. Der ehemalige Porsche Pressechef Huschke von Hanstein gab damals den Motorjournalisten Auskunft: „Der Targa ist weder ein Cabriolet noch ein Coupé, weder ein Hardtop noch eine Limousine, sondern etwas völlig Neues.“ Mittlerweile seit über 40 Jahren im Programm, hat er sich einen Stammplatz im 911er Clan erarbeitet.

Porsche 911 Targa (997/2) Porsche 911 Targa (997/2)

Zurück in die Gegenwart. „It’s T-time!“ Ich starte. Brummig schüttelt sich der Boxer kurz wach und ist dann frisch zur Stelle. Forsch geht es gen Norden. Über die Landzunge von Toscolano-Maderno hinauf nach Gargnano. Hier lockt das Hinterland. Ständig die Richtung wechselnd, drücke ich den Elfer bestimmt am Monte Pizzocolo vorbei. In dessen Schatten ordnet sich die gewundene Straße den Felsformationen unter. Linker Haken, rechter Haken. Der Targa pariert willig und hängt wunderbar feinfühlig am Gas. Traktion und Kurvenführung zitieren fehlerfrei das Lehrbuch des Fahrwerkbaus. Schnell geht es voran. Zu schnell. Ich bin dem Roadbook voraus. Zeit, zurückzuschalten. Und den Ausblick zu genießen. Nach oben.

Denn mittlerweile interpretiert das Targa-Konzept ein 1,54 Quadratmeter großes Glasdach mit integriertem UV- und Wärme-Schutz. Es spannt sich vom Frontscheibenrahmen bis zur Motorabdeckung und besteht aus zwei Segmenten: dem vorderen Schiebedach und der Heckklappe. Komplett geöffnet gleitet das Dach innerhalb von sieben Sekunden unter die Heckscheibe und gibt eine Fläche von 0,45 Quadratmeter über nahezu die gesamte Fahrzeugbreite frei. Das Cockpit verwandelt sich zur Luft- und Luxkanzel. Bei zuviel Licht spendet ein elektrisch verstellbares Rollo Schatten. Etwas düster fällt leider auch der Blick durch die Heckscheibe aus, wenn das geöffnete Targa-Dach darunter ruht – etwas zuviel der Tönung.

Porsche 911 Targa (997/2) Porsche 911 Targa (997/2)

Doch im Elfer will man nach vorn, nicht zurück. Und offen fährt er sich noch famoser. Die Akustik der routinierten Heckcombo dringt vernehmlicher nach innen. Der Wind greift kaum ins Cockpit. Noch jenseits der 100 km/h spürt man nur eine leichte Brise, sind gepflegte Konversationen mit dem Beifahrer ohne lautstarke Modulation der Stimme möglich. Das ist auf längeren Strecken sehr angenehm. Kompliment an die Ingenieure dieses ausgefeilten Aero-Designs.

Porsche 911 Targa (997/2) Porsche 911 Targa (997/2)

Zügig aber nicht zugig geht es voran. Ich fliege am Ostufer des Lago di Valvestino vorüber. Ausreichend Kraft ist mein Begleiter. Sowohl im 345 PS starken Targa 4 wie auch in der 385 PS starken Targa 4S Variante, gut in Szene gesetzt durch das neue Porsche Doppelkupplungsgetriebe, kurz PDK. Die ebenfalls neuen Motoren mit Porsche Direkteinspritzung sind stärker als beim Vorgänger. Eine neu bedarfsgeregelte Ölpumpe, eine externe Wasserpumpe, eine neue Sauganlage mit Doppel-Luftfilter und eine effektivere Abgasanlage sind weitere Verbesserungen, die sich bei Verbrauch, Wartung und Fahrwerten bezahlt machen.

Die Südspitze des Lago d’Idro ist erreicht. Ein gerades Straßenstück nach Vestone reizt den Vortrieb. Die neuen Aggregate entfalten auch im Glasdach 911 beeindruckende Kräfte. 284 km/h soll der Targa 4 in der Spitze laufen, 297 km/h sogar der Targa 4S. Bei diesen Fahrzeugen vermutlich nur selten provozierte Geschwindigkeiten. Fünf, beziehungsweise 4,7 Sekunden lauten die Messwerte für den Standardsprint von 0 auf 100 km/h mit PDK. Mit konventioneller Handschaltung sind es nur jeweils 0,2 Sekunden mehr. Wer hat da noch Zweifel, dass der 911 Targa ein echter Sportler ist?

Porsche 911 Targa (997/2) Porsche 911 Targa (997/2)

Die Ziffer „4“ steht bei Porsche bekanntermaßen für den Allradantrieb. Dieser ist auch beim Targa neu und vollkommen elektronisch ausgelegt. Und richtig: es gibt den 911 Targa nur als Allradmodell. Warum das? Porsches Erklärung: die Targa Klientel legt neben dem Fahrgenuss ein großes Augenmerk auf die Sicherheit. Und hier setzt der neue Allradantrieb Maßstäbe. Erkennungsmerkmal der Allrad-Modelle ist das um 44 Millimeter breitere Heck aufgrund ausgestellter Radhäuser nebst dem Reflektorband zwischen den Rückleuchten. Eine Reminiszenz an frühe 911er, etwa der Baureihen 964 oder 993. Die Doppelspeichen Felgen sind auch eine Neuentwicklung und stellen derzeit die leichtesten Porsche Serienfelgen dar. Aufgezogen sind beim Targa 4 Reifen der Dimension 235/40 ZR 18 vorne und 295/35 ZR 18 hinten. Der Targa 4S erhält noch mehr Aufstandsfläche mit 235/35 ZR 19, beziehungsweise 305/30 ZR 19 Reifen.

So besohlt läuft der Porsche präzise durch jede Kurve, tritt ohne Schlupf an und verzögert vehement; insbesondere mit der optionalen PCCB Keramikbremse. Die Sport und Sport Plus Tasten katapultieren den 911 noch einmal in ganz andere fahrdynamische Dimensionen. Zum Targa indes paßt die souverän wirkende Basisabstimmung. Längst liegt Salò hinter mir, das Fasano zur Rechten. Soll der Targa-Traum etwa schon zu Ende sein? Nein; Targa-Piloten haben ihren eigenen Kopf. Und der sagt: einmal die große Seen-Rundfahrt bitte! Über Limone, Riva del Garda, Malcesine durch den Orchestergraben der Galerietunnel zum Abendessen runter nach Sirmione. Zwischendurch einen Ristretto, Sonne tanken und den Tag genießen.

Erst weit nach Mitternacht säuselt der Targa die Occidentale zurück auf den Hotelparkplatz. Der Schotter schurgelt. Bi-Xenonlichter erlöschen, der Motor verstummt. Ich öffne noch einmal das Panoramadach. Leise surrt es zurück. Der Duft von Limonen strömt herein. Grillen zirpen. Hoch über mir entdecke ich den großen Wagen. Leuchtend schön. Einzigartig. Dennoch: tauschen möchte ich nicht. Ich bleibe beim 911er - am Targasee.

Text & Fotos: Mathias Paulokat

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