Theorie und Praxis: Gerade erst präsentierten wir exklusiv die zeitgemäße Interpretation eines Porsche 911 ST von PS Automobile. Die bloßen Ansichten, Fakten und Daten des schiefergrauen Fahrzeugs begeisterten. Doch einen Porsche muss man fahren. Und genau das haben wir getan.
Vorweg: Der Kreis Starnberg im Süden unseres Landes braucht sich mit seiner Porsche-Dichte nicht zu verstecken. Doch seit letzter Woche darf man sich dort über einen Neuzugang freuen, welcher der Marke alle Ehre macht. Die detailbewusste Interpretation des klassischen Porsche 911 ST der Porsche-Revitalisierer PS Automobile aus Lippstadt ist rundum eine Augenweide. Und ein famoses Klangerlebnis. Ein in seiner Form purer Porsche trifft hier auf ungefilterten Hörgenuss, den ein exzellent eingespieltes Blechbläser-Sextett im breiten Heck konzertant entfaltet. Aber wie fährt sich das Sportgerät?
Dirk Sadlowski, Gründer und Inhaber von PS Automobile, formulierte den Anspruch wie folgt: „Wir nehmen von der Porsche-Technik aus den unterschiedlichen klassischen Baureihen das jeweils Beste und bringen es in die schönste Form. Das Ergebnis ist unsere zeitgemäße Interpretation des Porsche 911 ST.“ Um es gleich zu sagen: Unbescheiden ist das nicht. Sondern vielmehr ein Griff ganz nach oben ins Regal - dort wo die Preziosen und Ikonen zu stehen pflegen. Der klassische Porsche 911 ST ist fraglos eine solche Ikone - ähnlich dem Porsche 911 Carrera RS, der gerade seinen 40. Geburtstag feiert, oder dem legendären Porsche 911 Turbo, Baumuster 930.
Frühe Neunelfer sind heute sehr begehrt. Die Preise für diese Modelle ziehen kontinuierlich an, gute Exemplare sind rar. Das hat Auswirkungen auf den Markt: Tatsächlich springt der Preisschub just in diesen Monaten von den F-Modellen auf die nachfolgenden G-Modelle über. Und auch gute 964-Modelle ab Baujahr 1990 ziehen bereits spürbar an. Zur Einordnung: Der Ur-Elfer wurde 1963 auf der IAA in Frankfurt als Nachfolger des Porsche 356 präsentiert. Ein Jahr später folgte die Markteinführung. Anfang der 1970er Jahre fächerte Porsche die Modellpalette weiter auf. Primär für Rennzwecke entwickelten die Stuttgarter das sogenannte ST-Modell. Das Auto entstand in limitierter Stückzahl ausschließlich in den Jahren 1971 und 1972. Mit einem 2,5 Liter Boxer ausgerüstet, leisteten diese Elfer damals bereits beachtliche 270 PS. In Kombination mit einem Leergewicht von unter einer Tonne festigten sie den Ruf des wettbewerbstauglichen Sportgeräts. ST-Modelle gingen beispielsweise am Nürburging, bei der Targa Florio, in Daytona und Sebring an den Start und fuhren dort Erfolge ein.
PS Automobile hat nun auf Basis eines luftgekühlten Porsche 911 des Baumusters 964 einen solchen Sportler neu herangezüchtet. Die genaue Beschreibung der Umbauten haben wir in unserem "Auto der Woche"-Bericht ausführlich dargestellt. Schon bei der ersten Begegnung fallen das hohe Verarbeitungsniveau und die Liebe zu zahlreichen Details auf. Ein prüfender Blick: Perfekte Spaltmaße am ganzen Fahrzeug. Die Front sieht stark aus. Die Seitenlinie mit den typischen Fuchsfelgen betört. Die Schokoladenseite ist aber eindeutig das Heck. Die ausgestellten Kotflügel wirken gerade im Farbton Schiefergrau wie zwei Muskelstränge, die sich kraftvoll spannen. In dezentem Chrom gefasste, feine Rückleuchten vermitteln in Verbindung mit der filigranen Stossstange einen ausgesprochen kultivierten Eindruck, der dem ST eine beinahe intellektuelle Klasse gibt. Mit einem metallischen Schnappen öffnet die Fahrertür, leicht schwingt sie auf, und die linke Hand greift unwillkürlich an den feinen Fensterrahmen. Die üblicherweise dunkle Eloxierung ist verschwunden. Stattdessen schimmert poliertes Aluminium, welches eine wunderbare Oberfläche und Haptik aufweist.
Der Eindruck des arrivierten und gereiften Ur-Elfer verfliegt, sobald er Zündschlüssel den Motor erweckt. Prompt prasselt der Sechser im Heck drauf los. Frisch klingt das. Wohlig brummend, bei Gasstößen kehlig und kernig tönt der nun rund 300 PS starke luftgekühlte Metallboxer. Und genau so gesund geht es voran. Doch erst mal sachte, denn das kundige Warmfahren gehört auch bei einem neu aufgebauten Athleten eindeutig zu den Geboten hinter dem Steuer.
Doch wenn die rund zehn Liter Ölinhalt und die Edelstahlauspuffanlage erst einmal Betriebstemperatur erreicht haben, will der ST-Aufbau nur eines: nach vorne preschen. Und das vehement. Dabei vermittelt das Auto umgehend Vertrauen, es ist das genaue Gegenteil einer Diva. Der Elfer hängt wunderbar verlässlich und vorhersehbar am Gas. Das Aggregat liefert ordentlich Punch. Gleichwohl bietet eine noch stärkere Variante mit bis zu 370 PS bei Bedarf noch weiteren Schub. Die Gänge sind ideal aufeinander und die abrufbare Motorleistung abgestuft. Und so darf man das Gas ohne Reue sehr beherzt durchtreten. Beeindruckend energisch dreht der Motor aus und klingt dabei einfach furios, metallisch, ingeniös.
Das Fahrerlebnis eines Sportwagens entsteht erst in Kombination mit dessen Fahrwerk. Hier hat PS Automobile reichlich ausgetauscht, getestet und abgestimmt. Leicht eingekürzte und straffere Federn lassen den 911 tiefer auf dem Asphalt kauern. Der tiefere Schwerpunkt kommt unmittelbar den fahrbaren Kurvengeschwindigkeiten zu Gute. Erstaunlich präzise geht es durch kurviges Geläuf. Ist man zu forsch dabei, weist das treibende Heck dezent darauf hin. Doch aufgrund eines insgesamt sorgsam tarierten und neutral ausgelegten Fahrwerks erreichen auch weniger trainierte Fahrer beachtlich hohe Tempi. Die Kombination aus Kraft, Klang und Abstimmung macht diese Lippstädter Interpretation des 911 ST richtig gut. Dazu kommt das beeindruckend straffe Gefühl eines Porsche wie bei seiner Werksauslieferung. PS Automobile kann man zu diesem Sportler nur gratulieren: Rundum gut gemacht!
Porsche 911 Klassiker finden Sie im Classic Driver Marktplatz.
Text & Fotos: Mathias Paulokat