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Magazin

Porsche 911 Carrera RSR 2.8

Carrerissima

Text: Mathias Paulokat
Fotos: RM Auctions

„Rar, sehr rar!“ Das wäre auch eine passende Ausschreibung des Kürzels RSR. Denn die schnellen 911er sind äußerst selten anzutreffende Sportgeräte. Porsche-Kenner wissen allerdings: RSR steht für eine der sportlichsten Varianten überhaupt, einen 911er zu bewegen. Und diese geht zurück auf den 911-Urtyp mit einem aufgebohrten 2,8-Liter-Boxermotor, der den beiden Hinterrädern rund 300 PS zumutet. Jetzt fällt beim internationalen Auktionshaus RM der Hammer über ein solches Porsche-Prachtexemplar. Zum ersten, zum zweiten, zum dritten: Wir erteilen an dieser Stelle schon einmal den Zuschlag für unseren Classic Driver Klassiker-Brevier!

Anfang der 1970er Jahre und damit in besten Ölkrisenzeiten setzte sich bei Porsche endgültig das Leistungsprinzip durch. Der zuletzt etwas pummelig wirkende 356er hatte seine Wachablösung durch die neue 911er Baureihe bereits 1965 erlebt. Doch es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis Porsche richtig ernst machte. Im Motorsport wollte man seine Meriten verdienen und dafür musste der gut veranlagte Elfer deutlich aufgerüstet werden. Deswegen entstand 1972 der legendäre Carrera RS 2.7. Weltweit bekannt als der Porsche mit dem Entenbürzel, aufgrund seines Heckspoilers über dem hinteren Luftschacht der Motorklappe.

Die erforderliche Homologation in der damaligen Gruppe 4 erforderte eine Kleinauflage von 500 Fahrzeugen. Doch siehe da: Die puristischen und beinahe 250 km/h schnellen Zweisitzer waren bereits im November desselben Jahres restlos vergriffen. Heute erzielen Porsche Carrera RS Modelle tatsächlich Verkaufspreise von weit über 200.000 Euro. Was wird da erst ein originaler RSR einbringen? Vermutlich viel. Richtig, bei 330.000 bis 380.000 Euro liegt das Estimate, welches RM für den silbernen RSR angibt. Denn hinzu kommt, dass diese äußerst potenten Porsche auch als wahre Wegbereiter der späteren leistungsstarken Turbo-Modelle gelten dürfen. Damit sind sie echte Meilensteine in der Firmengeschichte der Zuffenhausener Fahrzeugschmiede.

Extra leicht, extra schnell

„Luftgekühlter, horizontal verbauter Sechszylinder-Boxermotor im Heck mit Einspritzung und 2,8 Liter Hubraum, 300 PS Leistung, Fünf-Gang 915/08 Getriebe in umgekehrter Transaxle-Bauweise, ein komplett manuell einstellbares Fahrwerk, Hochleistungsscheibenbremsanlage, Radstand von 2.268 mm, Leergewicht 900 Kilogramm.“ So lautet der Steckbrief des ersten 911 RSR. Wie kam es vor rund vierzig Jahren zu diesem radikalen Konzept?

Erfolgsorientierung führte zu dieser Leistungskur. In den frühen 1970er Jahren wollte Porsche an frühere sportliche Erfolge von Ferrari anknüpfen. Die FIA hatte hierfür die Bedingungen geschaffen. Das Reglement der Gruppe 4 wurde dahingehend geändert, dass seriennahen Fahrzeugen gegenüber Exoten der Vorzug gegeben wurde. Ein optimales Leistungsgewicht war das Prinzip, welches Porsche fortan verfolgte. „Schon der RS maximierte mit seinem auf 2,7 Liter Hubraum aufgebohrten Sechszylinder-Boxermotor die wichtigsten Sportwagen Attribute: Beschleunigungsvermögen, Handling, Direktheit, Fahrfreude, Wettbewerbsfähigkeit“, stellten wir in unserem Brevier über den RS 2.7 fest.

Den Spurt absolvierten die schnellen Elfer mit der auf Normalbenzin ausgelegten Boxer-Maschine mit mechanischer Einspritzung in gerade einmal 5,8 Sekunden. Den Top-Speed des 960 Kilogramm leichten Sportwagens gibt Porsche heute offiziell mit 245 km/h an. Per manuellem Fünfganggetriebe lädt der Fahrer dabei konsequent bis zur Höchstgeschwindigkeit nach. Mit Einzelradaufhängung an Querlenkern und Dämpferbeinen mit längs liegenden Torsionsfedern und Stabilisatoren vorne und Einzelradaufhängung an Schräglenker-Hinterachsen verfügen RS-Modelle über ein äußerst agiles Fahrwerk, was sie noch heute bei historischen Motorsport-Veranstaltungen zu Erfolgstypen macht. Der RSR aber kann noch mehr.

Noch leichter, noch schneller

Die nächste, noch sportlichere Ausbaustufe stellte dann der RSR dar – dieser Typ war von Anfang an für den Wettbewerb konzipiert. Ein um 100 ccm größerer Hubraum, geänderte Steuerzeiten der Nockenwellen und eine höhere Kompression ließen die Leistung von 210 PS auf 300 PS ansteigen. Damit ist der Wagen rund 275 km/h schnell. Vor allen Dingen aber stark im Spurt und Handling, mithin deutlich wichtigere Attribute auf der Rennstrecke als die V-max. In die breit gemachte und tief liegenden Karosserie mit Elementen aus leichtem Fiberglas wurden große BBS-Felgen mit Track-Reifen verbaut. Peter Gregg und Hurley Haywood festigten den RSR-Ruf, indem sie 1973 das erste Weltmeisterschaftsrennen, die 24 Stunden von Daytona, gewannen. Doch dies sollte erst der Anfang sein. Am Ende der Saison hatte der RSR die europäische Meisterschaft für GTs nach Hause gefahren, den Camel GT Challenge Cup (IMSA-Trophy) und die Targa Florio gewonnen sowie weitere bedeutende Rennen in der Trans Am Championship Serie errungen.

Das Fahrzeug, welches bei RM unter den Hammer kommt, ist der zweite jemals in die USA exportierte RSR. Ausgeliefert wurde er 1973 an Peter Gregg nach Jacksonville, Florida. Am 17. Mai 1973 hielt Hector Rebaque den Titel für das Fahrzeug in Händen. Rebaque machte sich zu jener Zeit einen Namen als recht heißblütiger Fahrer aus Mexiko City – auch im RSR. Danach übernahm ein weiterer südamerikanischer Fahrer das Auto: Manfredo Lippmann aus Guatemala. Er veräußerte das Auto laut RM-Recherchen im Jahr 1980, worauf es zunächst von der Bildfläche verschwand. Der jetzige Eigentümer importierte den RSR 1993 nach Italien und lieferte das Auto in „as raced condition“ bei RM ein. Bieter sollten wissen, dass der Motor mit der Kennung 6640503 nicht der ursprünglich verbaute ist, wohl aber den originalen Porsche-Spezifikationen genügt. Einige weitere kleinere Änderungen gibt der Auktionskatalog bekannt. Festzustellen ist jedoch, dass derartige Fahrzeuge äußerst selten auf den Markt kommen. Das macht sie auch ohne „Matching Numbers“ hochgradig begehrt – und teuer.

Das Porsche Archiv meldet zu den Produktionszahlen: Von den insgesamt 1.580 Fahrzeugen der ersten RS-Baureihe wurden 1.308 als komfortable Touring-Version ausgeliefert, 217 Sportwagen als Leichtbauversion und nur 55 als knallharte Rennversion für die Gruppe 4, die sogenannten RSR-Modelle. Hinzu kommen noch zehn Prototypen, was eine Gesamtstückzahl von 1.590 Fahrzeugen macht. Vergleichsweise häufig sieht man RS-Modelle bei Klassikerveranstaltungen. Die raren RSR-Fahrzeuge krönen zweifelsohne die Präsenz dieser sportlichen 911er.

Die Daten

Motor:
Sechszylinder-Boxermotor, Sauger, luftgekühlt mit je einer oben liegenden Nockenwelle pro Seite

Hubraum:
werksseitig aufgebohrt auf 2,8 Liter

Kraftstoffanlage:
mechanische Einspritzung

Leistung:
300 PS

Kraftübertragung:
mechanisches Fünfganggetriebe, vollsynchronisiert

Kupplung:
Einscheiben-Trockenkupplung

V-Max:
rund 275 km/h

Beschleunigung:
in unter 5,0 Sekunden von 0 auf 100 km/h

Treibstoff:
Normalbenzin

Radstand:
2.268 mm

Leergewicht:
900 Kilogramm

Baujahr:
1973