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Musée Nissim de Camondo: Oase der Schönheit in Paris

Am Parc Monceau, nur einen Steinwurf vom Boulevard Malesherbes entfernt, liegt eines der schönsten Museen in Paris: Das Museum Nissim de Camondo. Wer nach Paris reist, sollte dem ehemaligen Stammsitz der Kaufmannsfamilie de Camondo einen Besuch abstatten.

Das Besondere an diesem Haus ist, dass man nicht den Eindruck hat, ein Museum zu besuchen. Vielmehr fühlt man sich zu Gast bei einem steinreichen Onkel, der gerade nicht daheim ist. Dabei ist Villa gar nicht so alt, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Man ist versucht, das Baujahr in das 18. Jahrhundert einzuorden – tatsächlich ist das Gebäude aber erst 1911 feriggestellt worden. Damals nach neuestem technischen Standard erbaut, verfügt der Prachtbau über Aufzüge, beheizte Bäder und eine Fernheizung. Doch die Innenreichtung gibt einem das Gefühl, sich in einem Hotel Particulier vor der französischen Revolution zu befinden.

Die Familie von Moise de Camondo, dem Erbauer des Hauses, stammt ursprünglich aus Istanbul. Die sephardisch-jüdischen Kaufleute kamen 1870 nach Paris, wo sie ihr Vermögen aufbauten. An der gleichen Stelle, wo heute das Museum steht, hatte man 1873 ein Haus gekauft, in dem die Familie lebte. Nachdem Tod der Eltern von Moise, ließ er das Gebäude abreißen und eben dieses Fin-de-Siècle-Haus an gleicher Stelle errichten.

Musée Nissim de Camondo: Oase der Schönheit in Paris Musée Nissim de Camondo: Oase der Schönheit in Paris

Moise de Camondo brauchte Platz, denn er sammelte mit fast besessener Leidenschaft Möbel, Geschirr, Gemälde und alles, was zu einem luxuriösen Hausstand gehört. Es durften allerdings nur die besten und ausgefallensten Stücke aus der Zeit von Louis XV. und Louis XVI. sein. Berühmte Möbel, die von den größten Tischlern (Ebenisten) der Zeit gemacht waren: Riesener, Oeben oder Jacob. Gemälde von Oudry und Vigee Lebrun. Silber, das einst für den Grafen Orloff gefertigt worden war. All dies gehörte schnell zur Ausstattung des Hauses de Camondo.

Trotz seines beträchtlichen Vermögens verschuldete sich der begeisterte Sammler bei vielen Antiqutätenhändlern so hoch, dass er über Jahre hinweg seine Verpflichtungen in Raten abzahlen mußte. Auf diese Weise entstand eine der bedeutendsten Sammlungen historischer Möbel, Kunstwerke und feinen Dingen des Alltags. Nach dem plötzlichen Tod von Nissim, dem einzigen Sohn von Moise de Camondo, beschloß dieser sein gesamtes Hab und Gut dem Musée des Arts décoratifs zu vermachen. 1936 eröffnete das Museé Nissim de Camondo als Zweigstelle des Louvre. Fortan haben die Kuratoren mit großer Sorgfalt dafür gesorgt, dass alles im Originalzustand belassen wurde.

Musée Nissim de Camondo: Oase der Schönheit in Paris Musée Nissim de Camondo: Oase der Schönheit in Paris

Besonders beeindruckend ist die Küche des Museums. Große Öfen, ein Fleischbräter, der aussieht wie eine Höllenmaschine, und hunderte blanke Kupfertöpfe hinterlassen einen bleibenden Eindruck. Neben der großzügigen Küche befindet sich das Gesinde-Esszimmer, wo die Dienstboten, Köche und Hausmädchen feiner speisten, als mancher Mensch heute. Auch die Bäder waren State-of-the-Art: Durch Fernwärme beheizt und mit Armaturen versehen, die über die neuen englischen Versandhauskataloge geordert wurden. Selbst die Zarin von Russland bestellte leidenschaftlich gerne über diesen neuen Vertriebskanal.

Das Haus ist wie eine Wunderkiste, die den Besucher in eine Zeit vergangener Tage entführt. Durch das Museum lebt die Geschichte der von den Nazis deportierten und ermordeten jüdischen Familie de Camondo fort.

Weitere Informationen unter www.lesartsdecoratifs.fr.

Text: Peter Kempe
Fotos: Del Moral

Seit 30 Jahren beschäftigt sich der Peter Kempe mit Stil, der Haute Couture und den Pariser Modemachern im Speziellen. Er schreibt als begeisterter Autor für den Blog Horstson. Dort sinniert er über die Welt des Handwerks, über den wahren Wert von Qualität und den Stellenwert der Ästhetik. Er nutzt das Medium Internet, um gerade junge Menschen für diese Werte zu begeistern. Im wahren Leben betreibt Peter Kempe gemeinsam mit Thomas Kuball das „Kaufhaus des Besonderen“ Kuball & Kempe in Hamburg.