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Das Motorrad-Festival Glemseck in 101 beinharten Bildern

Am vergangenen Wochenende traf sich die europäische Motorrad-Community beim großen Motorrad-Festival Glemseck 101 an der ehemaligen Solitude-Rennstrecke bei Stuttgart. Fotograf Frederic Seemann war für Classic Driver vor Ort - und hat die härtesten Typen und heißesten Maschinen abgelichtet.

Der Spirit von Solitude

„Wheels and Waves in Biarritz hat den Atlantik und wir haben den Spirit der ehemaligen Solitude-Rennstrecke“, erklärte Jörg Litzenburger vor vier Jahren, als das Motorradfestival in Frankreich an den Start ging. Der Organisationsleiter von Glemseck 101 sollte recht behalten. Dass aber dieser Spirit bei der zehnjährigen Jubiläumsveranstaltung vom 4. bis 6. September 2015 so eine Anziehungskraft versprühen sollte, dass am Samstag die Autobahnausfahrt wegen einem zu langen Rückstau gesperrt werden musste, hätte auch er sich nicht träumen lassen. Doch Motorradfahren ist wieder in, es entsteht eine neue Motorradkultur – und die Caféracer-Szene beflügelt ganze Generationen. Junge und Ältere müssen den Rebellen in sich nicht mehr zügeln, sondern dürfen ihren Stil entfalten und umsetzten – ihn einfach ausleben.

Nicht toll, sondern "geil"

Und das Erfreuliche daran: Es herrscht Toleranz untereinander. Café Racer, Scrambler, Bobber, Sportler, Tourer und Chopper. Alle Motorrad-Kategorien stehen Seite an Seite. Typen in Old-School-Klamotten stoßen mit Kuttenträgern und Membrankombi-Fahrern an. Jeder darf sein, wie er will. Beim Motorrad steht eine Idee im Vordergrund, und nicht der Preis. Es herrscht auch kein Markenneid, junge Frauen erstürmen die ehemalige Männerdomäne und Youngster fordern charmant die Etablierten heraus. Toll, nein, hier muss man einfach „geil“ sagen. Diese neue Motorrad-Kultur, wie sie bei Glemseck 101 europaweit einzigartig zu erleben ist, hat die Motorradbrache gerettet. Und, es ist kein Ende abzusehen. Das Potential ist rießengroß.

Eine sorgfältige Auswahl

Auch Wheels and Waves hat sich dieses Jahr gegenüber dem Vorjahr verzigfacht – und dabei deutlich an Charme verloren. Der Charme des französischen Laissez-faire war diesem Ansturm nicht mehr gewachsen. Stundenlage Wartezeiten bei der Akkreditierung und ein chaotisch zusammengestelltes Starterfeld beim berühmten Bergsprint "Punk's Peak Race", dem Herzstück der Veranstaltung, sorgten für Verstimmung. In Stuttgart hingegen lief alles rund, trotz der Massen. Aber Jörg Litzenburger und sein Team arbeiten hart daran, dass Glemseck auch in Zukunft bleibt, was es ist. Jeder Sprintteilnehmer wird sorgfältig ausgewählt, damit dem Publikum eine spannende Vielfalt geboten werden kann und damit auch neue Leute eine Chance bekommen.

Individualität und Schaffenskraft

Individualität und Schaffenskraft sollen nicht der Professionalität der Hersteller weichen. So gibt es lieber einen Sonderlauf für die weltweit umgebauten BMW R nine T, bevor die Vielzahl dieser neuen Kultfahrzeuge den Lauf der europäischen Veredler-Szene zu stark dominieren. Deus, Blitz, Urban Motor, El Solitario, Jens vom Brauck, Wrenchmonkees und andere präsentieren Jahr für Jahr ihre neuesten Kreationen. Manch kleine Edelschmiede baut ein Jahr lang an einem Motorrad, nur um das Sprintrennen zu gewinnen. Auch Classic-Driver-Händler Premiummotorrad durfte sich in diesem erlauchten Umfeld von nur 32 Fahrern messen. In diesem Jahr mit einer Egli-Honda aus dem Jahr 1981, mit der sehr schön das Potential der Ikonen von damals erlebt werden konnte.

Die Stars der Motorrad-Szene

Auch Motorrad-Stars gehören dazu, ohne dass diese eine Veranstaltung zu sehr dominieren sollten. Doch auch diese Erkenntnis gehört zur Entwicklung von Glemseck 101. Siegte vor zwei Jahren TT-Star Guy Martin das Klassik-Rennen und gewannen im letzten Jahr die Motorrad-Amazonen Nina Prinz und Katja Poensgen, standen dieses Jahr wieder die Privatiers im Vordergrund. Die Profis hatten sich primär in Sonderläufen zu messen. Das Rennen der Rennen war dieses Jahr das Duell des Übermotorrads Kawasaki Ninja H2R, pilotiert von Testfahrerin Francesca Gasperi, gegen Superbike-Weltmeister Troy Corser auf der Lotus. Ja auch Motorrad-Premieren gehören zu Glemseck 101. Noch niemals zuvor war die atemberaubende Lotus C-01 in der Öffentlichkeit zu sehen. Aber es waren noch andere Top-Fahrer in den Starterlisten zu sehen, beispielsweise die schnellste TT-Frau, Maria Costello, die eine von Edelweiss Motorsport getunte BMW R nine T pilotierte.

Wenn die Stimme versagt...

Summa summarum gab es nur einen „Schwachpunkt“ bei der Veranstaltung. Die Stimme von Jörg Litzenburger. Nach sieben Stunden Moderation am Samstag, wurde diese am Sonntag immer leiser. Das muss anders werden, denn keiner spricht so fundiert wie er. Er kennt jeden Fahrer der Sonderläufe und jedes Motorrad, trotz der Größe der Veranstaltung. Das ist professionell und das geht nur mit einer großen Portion Enthusiasmus. In jedem Fall steht summa summarum fest: Glemseck 101 mit dem Spirit der ehemaligen Solitude-Rennstrecke ist die Nummer 1.

Autor Tobias Aichele ist nicht nur einer der wichtigsten Kenner der europäischen Motorradszene, im Showroom seiner Firma Premiummotorrad in der Motorworld Region Stuttgart stehen auch einige der interessantesten klassischen Motorräder zum Verkauf.