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Magazin

Mercedes-Benz ML 500

Trotz stetig steigender Benzinpreise sind auch in Europa SUV-Fahrzeuge dabei, die Straßen zu erobern. Die Kreuzung von Luxuslimousine und Geländewagen schafft Distanz zum gemeinen Autofahrervolk. Ob die Neuauflage der M-Klasse neue Maßstäbe in diesem Segment setzt, haben wir am Topmodell ML 500 untersucht.

Vergleicht man den neuen ML mit seinem Vorgänger, drängt sich die Vermutung auf, man habe mindestens zwei Modellwechsel versäumt. So sehr steht das Design des „alten“ ML hinter dem mit betont muskulösen Radhäusern und der pfeilartigen Seitenlinie gezeichneten Nachfolger zurück. Es wird aber auch deutlich, dass sich sowohl das Design, als auch die technische Ausstattung der zweiten Auflage stärker an den Bedürfnissen ‚on road’ als ‚off road’ orientiert. Mit einer nunmehr selbsttragenden und deutlich steiferen Ganzstahlkarosse dient die neue M-Klasse eher als bequemer Cruiser für Stadt und Land. Die Zeiten des knorrigen Geländegängers sind eindeutig passé. DaimlerChrysler folgt damit einem Trend, der von der Kundschaft vorgegeben wurde. Die vermehrt anzutreffenden Breitreifen und Tieferlegungsfahrwerke an den jüngsten SUV-Kreationen sprechen eine deutliche Sprache.

Nach dem bequemen Einstieg bietet der Innenraum eine ungewöhnliche Weite. Ohne menschliches Zubehör oder Mitreisende kommt man sich in Anbetracht des üppigen Innenraumangebotes fast ein wenig verloren vor. Man reist auf bemerkenswert gut ausgeformten Multikonturvordersitzen, die sich Dank aufblasbarer Luftpolster perfekt dem Körper anpassen lassen und über die schnell ansprechenden Sitzheizung auch im Winter ein angenehmes Sitzgefühl vermitteln. Die hinteren Passagiere sind ebenfalls hervorragend untergebracht, sieht man einmal von der nicht lieferbaren hinteren Sitzheizung ab. Die Rundumsicht in der neuen M-Klasse ist durch das stark zerklüftete Heck und die sehr dunkel abgetönten Heck- und Seitenscheiben unbefriedigend. Speziell beim Parkieren oder Abbiegen wünscht man sich eine bessere Übersicht.

Die Bedienung eines modernen Automobils hat, bedingt durch die Vielzahl der Systeme, in den letzten Jahren den Besitzern einiges an Zugeständnissen abgefordert. DaimlerChrysler zeigt, dass es anders geht. Ohne Blick in die Betriebsanleitung ist es möglich, binnen kurzer Zeit auch die entlegensten Funktionen des Commandsystems oder des Bordcomputers sicher anzuwählen. Auch die Handhabung der Klimaanlage geht leicht von der Hand. Wenngleich an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben soll, daß sämtliche Schalter und Regler einen der Preislage wenig entsprechenden Eindruck hinterlassen. Das unpräzise und wackelige Drehreglerensemble der Heizungsreglage entspricht ebenso wenig dem Stil einer schwäbischen Luxuslimousine wie die graphische Gestaltung des Klimadisplays, dessen Piktogramme so klein ausfallen, daß es mitunter schwierig ist, überhaupt etwas zu erkennen.

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Für die große Reise ist der ML indes bestens präpariert. Durch eine riesige, elektrohydraulisch nach oben öffnende einteilige Hecktür lässt sich problemlos umfangreiches Reisegepäck verstauen. Bei Bedarf kann man die Sitze komplett oder teilweise umlegen. Dadurch wird der ML zum rollenden Sternenzelt. Im Kofferraum erleichtert das aufpreispflichtige Laderaumanagement die Handhabe. Die optisch ansprechend gestylten Aluminiumbauteile können in die serienmäßigen Laderaumschienen gesteckt werden und sichern so das Transportgut. Gut gedacht, clever gemacht. Kompliment.

Ist alles an Bord, kann es losgehen. Der in verschiedenen Konzernmodellen zum Einsatz kommende 5 Liter Leichtmetallachtzylinder schiebt in Verbindung mit der serienmäßigen Siebengangautomatik die immerhin 2,2 t schwere M-Klasse dermaßen voran, als würde sie an einer überdimensionalen Seilwinde hängen. Fällt der Schub bis circa 3000 Umdrehungen noch moderat aus, so zündet der Motor danach sein wahres Feuer. Er hängt dabei sauber am Gas und zeigt erst jenseits von 5800/min Anzeichen von erster Müdigkeit. Leider verzichtet Daimler auf das von Achtzylinderanhängern geschätzte Auspuffbrabbeln, obwohl man der M-Klasse durchaus stattliche Endrohre spendiert hat, ist das Klangerlebnis eher piano denn forte. Die Automatik unterstützt die dynamische Fortbewegung durch schnelle und meist unmerkliche Schaltvorgänge. Immer dann, wenn die Fuhre an Schwung zu verlieren droht, reicht ein kurzer Druck auf das Gaspedal und die Automatik schaltet sanft ein bis zwei Gänge zurück. Manuelle Eingriffsmöglichkeiten per Wipptasten am Lenkrad sind zwar vorhanden, fallen aber nach kurzer Probierphase in das Fach der unnützen Spielerei.

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Lediglich im Stadtverkehr fällt die Motor-/Getriebekombination durch ungebührliche Lastschläge beim Anfahren und Nachschieben beim Anhalten auf. Diesen Effekt sowie das ungewöhnliche Geräusch beim Wechsel von Vorwärts- auf Rückwärtsfahrt sollte DaimlerChrysler abstellen, um Komforteinbußen zu vermeiden Ein Reduktionsgetriebe gibt es nur gegen Aufpreis und ist Bestandteil des Offroadtechnickpaketes. Gedacht ist dies für den harten Geländeeinsatz. Dieser kommt für unseren ML im Hinblick auf die üppige Hochgeschwindigkeits-Bereifung eher nicht in Betracht – zu schnell setzt sich das Profil der Reifen zu, sodass der Vortrieb echte Schwierigkeiten bereitet.

Zu seinem Anspruch, ein großer, aber durchaus sportlicher Allrounder zu sein, passt die Abstimmung von Fahrwerk und Lenkung. Die Airmatic genannte Luftfederung ist zwar mit einem Sport und Komfortschalter in ihrer Wirkung beeinflussbar, doch der vom Hersteller gewählte Mittelweg entpuppt sich als runde Sache. In die Stellung Sport wechselt das System ab einer bestimmten Geschwindigkeit ehedem selbstständig. Mit der Airmatic ist es auch möglich, die M-Klasse um circa 80 mm in die Höhe zu liften. So lassen sich auch kleinere Hindernisse locker überrollen. Die präzise und mit geringen Lenkkräften agierende Servolenkung vermittelt einem das Gefühl, jederzeit Herr der Dinge zu sein. Unangenehme Rüttel- oder Schüttelbewegungen des formschönen Vierspeichenlenkrades bleiben weitgehend aus.

Am Ende hat die M-Klasse in ihrer neuesten Ausführung in jeder Beziehung an Reiz gewonnen und präsentiert sich als nahezu perfektes Auto. Lediglich die mäßige Geländeeignung mag den einen oder anderen stören. Aber für die Durchquerung von Schlamm und Matschlöchern wäre diese Perle deutschen Automobilbaus auch viel zu schade. Für diese Kunden hat man sich bei Daimler entschieden, das rustikalere G-Modell noch einige Zeit weiterzubauen.

Text: Sven Jürisch
Fotos: Lichterwahn


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