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Mercedes-Benz E36 AMG Cabrio: Symphonie in E

Mercedes-Benz E36 AMG Cabrio: Symphonie in E

Mit dem Mercedes-Benz E-Klasse Cabriolet des Typs 124 setzte sich Daimler bereits zum Debüt auf der IAA 1991 ein Denkmal. Perfekte Linienführung, höchste Qualität in Kombination mit unabdingbarer Zuverlässigkeit. Doch was war mit den Emotionen? Wem die Serienversion E 320 zu wenig Power anbot, der griff zum E 36 vom Haustuner AMG. Classic-Driver-Händler The Aston Workshop hat aktuell eines der seltenen Cabriolets im Angebot.

Dass der W124 in seiner offenen Version recht schnell zum Klassiker reifen würde, war kein Geheimnis. Das viersitzige Cabriolet hatte alles, was ein Star braucht. Einen renommierten Hersteller, eine bildhübsche Linie und ein nicht unerheblicher Neupreis ließen das Cabriolet nie in die Gruppe der günstigen Gebrauchtwagen abrutschen. Das einzige, was dem von Bruno Sacco gezeichneten Beauty Zeit seines Lebens fehlte, war schlicht Leistung. Angetreten mit dem Anspruch, als Sechszylinder-Cabriolet die oberen Zehntausend begeistern zu wollen, musste sich Daimler in der zweiten Produktionszeit der Realität beugen.

Dem anfangs ausschließlich verbauten Reihensechszylinder aus dem 300 E und dem 300 E-24V wurden mit Rücksicht auf den stagnierenden Absatz die Vierzylindermodelle E 200 und E 220 zur Seite gestellt. Das drückte zwar den bis dato unerhört hohen Einstandspreis, sorgte aber nicht unbedingt für ein Plus an Fahrspaß. Das konnte das zum Ende der Bauzeit eingeführte Topmodel des Haustuners AMG schon besser. Doch nicht der der Limousine E 500 vorbehaltene 5,0 Liter V8 feierte seinen Einstand im offenen W 124, sondern ein deutlich aufgewerteter Reihensechszylinder, dessen Basis der bewährte 3,2 Liter Motor (220 PS) mit Vierventiltechnik bot. Das Aggregat wurde neben dem Cabriolet auch in der Kombi- und der Coupéversion des W 124 angeboten und konnte bei Bedarf als Komplettfahrzeug mit Aerodynamikpaket und allerlei sportlichen Zutaten geordert werden.

Mercedes-Benz E36 AMG Cabrio: Symphonie in E
Mercedes-Benz E36 AMG Cabrio: Symphonie in E Mercedes-Benz E36 AMG Cabrio: Symphonie in E

Herzstück der Leistungskur aus Affalterbach bildete jedoch der deutlich erstarkte Motor. Der 24-Ventiler musste sich bei AMG einen kompletten Neuaufbau gefallen lassen. Eine Hubraumvergrößerung um 800 ccm ließ Hub und Bohrung auf ein fast identisches Maß anwachsen. Beste Voraussetzungen also für einen optimalen Drehmomentverlauf. Und so fiel der Zuwachs dann auch wie erwartet kräftig aus: Über 300 Nm, und damit fast das Maximum des Serientriebwerks, lagen bereits bei 1.500/min an. Nur wenige Umdrehungen mehr und der Reihensechszylinder drückte üppige 350 Nm auf die Kurbelwelle. Damit die 272 PS auch lange Vollastetappen überlebten, setzte AMG auf zusätzliche Ölspritzdüsen unter den Aluminiumkolben. Das hohe Niveau der Laufkultur bewahrten die Techniker durch einzeln selektierte Kolben und Pleuel sowie eine feingewuchtete Kurbelwelle. Ein Aufwand, der in der Großserie kaum zu realisieren gewesen wäre und schon deshalb seinen Preis hatte.

Damit der Gaswechsel auch zügig von statten gehen konnte, war neben der verstärkten Motorbasis vor allem viel Kopfarbeit nötig. Der serienmäßige Vierventilzylinderkopf erhielt während der zweitägigen Bauphase des Motors in Affalterbach polierte Ein- und Auslasskanäle und veränderte Nockenwellen. Dass am Ende das Motormanagement eine entsprechende Anpassung erfuhr, verstand sich angesichts des Perfektionswillens von AMG von selbst. Der E 36 legt dadurch auch heute noch jene selbstverständliche Problemlosigkeit an den Tag, wie jeder andere W124 und wird so zum perfekten Alltagsklassiker.

Mercedes-Benz E36 AMG Cabrio: Symphonie in E
Mercedes-Benz E36 AMG Cabrio: Symphonie in E Mercedes-Benz E36 AMG Cabrio: Symphonie in E

Das Besondere an dem E 36 Komplettfahrzeug besteht jedoch in der Kombination der perfekten Maschine mit einem angepassten Fahrwerk und einer verstärkten Bremsanlage aus dem Achtzylinder-SL der Baureihe R129 mit Vierkolben-Festsätteln und innenbelüfteten Bremsscheiben. Die Befürchtung, dass das serienmäßige Viergang-Automatikgetriebe die gesamten Bemühungen der Motorentechniker im Ansatz zerstören könnte, erwiesen sich als unbegründet. Im Gegenteil: Statt sich in den hakeligen Gassen des Mercedes-Fünfgang- Schaltgetriebes zu verirren, konnte der Fahrer seine Konzentration dem Streckenverlauf widmen und war im Zweifel sogar schneller unterwegs. Aufgrund der elektronischen Steuerung konnte das Getriebe sogar von einer betont sportlichen auf eine höchst ökonomische Fahrweise umgeschaltet werden und machte das E 36 Cabriolet so zu einem entspannten Langstreckenwagen.

Das veränderte Wesen des nur 68 Mal gebauten offenen Viersitzers wird bereits nach wenigen Metern deutlich. Anders als das stets etwas schwer in den Federn hängende Serienpendant reagiert dieses Cabrio, trotz seines hohen Gewichtes von immerhin 1,8 Tonnen, außerordentlich spontan auf die Gaspedalbewegungen des Fahrers. Die Automatik spielt dabei den Part des Jubelpersers und schaltet weich und effizient zurück, ohne den Motor pseudo-sportlich in höchste Drehzahlen zu schicken. Stets herrscht das Gefühl souverän federnder Sportlichkeit, welche gut mit der durch einen dezenten Anbauteilesatz veredelten Karosserie des Cabriolets korrespondiert. Der edle Touch des Mercedes setzt sich durch das noble Interieur unseres Fotowagens in champignon-farbenem Leder fort, das in Kombination mit der hochwertigen Wurzelholzausstattung genau den richtigen Ton trifft.

Mercedes-Benz E36 AMG Cabrio: Symphonie in E

Für die schönste Zeit des Lebens sorgt dagegen das grenzenlose Komforterlebnis des Mercedes. So schwingt das elektro-hydraulisch angetriebene Dach nahezu lautlos in den Verdeckkasten, sorgen die elektrisch verstellbaren Sitze samt Sitzheizung und orthopädischen Polstern für Erholung und fächelt die Klimaanlage den Insassen selbst in stickigen Großstädten ausreichend kühle Luft zu. Die unerschütterliche Verarbeitung gepaart mit der hohen Karosseriesteifigkeit des W124 sorgt für den Rest an Behaglichkeit. Denn selbst die optisch außergewöhnlich gut mit der Gesamtlinie korrespondierenden 17-Zoll-Felgen mit ihren 225er Reifen, können die Karosserie nicht zu einem knirschenden Eigenleben bewegen.

Ein Cabriolet zu schön, um wahr zu sein? Ohne Frage, daran ändert auch diese Rechtslenkerversion vom britischen Händler The Aston Workshop wenig. Denn auch wenn dies für Europa ein wenig hinderlich sein mag, so gibt es für den uneingeschränkten Genuss dieses Youngtimers eine Lösung: Ein Umzug auf die Insel, auch wenn dort das Verdeck vermutlich häufiger geschlossen sein dürfte.

Text: Sven Jürisch
Fotos: Tim Wallace (www.ambientlife.co.uk)