Maybach, bisher Innbegriff des ultimativen Luxuswagens, stellte dieser Tage eine dritte Edition seines Produktes vor: Nach dem Chauffeurswagen Maybach 62 und der verkürzten Version 57 gesellt sich die betont sportlich ausgelegte Version 57 S dazu. Die Kunden, so der Tenor bei Maybach, verlangten nach mehr Leistung, nach mehr Sportlichkeit. In der Enklave des Luxus, dem bergigen Hinterland Marbellas, haben wir mit dem neuen sportlichen Maybach eine Proberunde gedreht.
Unser Ziel: das Ascari Race Resort. Hier auf dem wohl exklusivsten Rundkurs der Welt soll der neue Maybach 57 S zeigen, was in ihm steckt. Wir wollen erfahren, ob sich der distinguierte Diener in getragener Zweifarbenlackierung wirklich als sportliches „Selbstfahrerauto“ eignet.
Schon auf der Fahrt durch die Hügellandschaft der Sierra de las Nieves wird deutlich, dass auch dieser Maybach zu dem erlesenen Kreis absoluter Dreamcars gehört. Um die scharfen Kehren der schmalen Landstraße lässt sich der Wagen mit einer derart spielerischen Leichtigkeit zirkeln, als hätte man es mit einem Vertreter der Kompaktklasse zu tun und nicht mit einer 5,8 Meter langen Limousine. Dem Fahrer bereitet es diebische Freude, mit dem 57 S das allgemein beliebte Cornering zu betreiben. Schnell in die Kurve rein, im Scheitelpunkt den Schub avisieren und dann am Kurvenausgang die volle Kraft der elektronisch begrenzten 1000 Nm genießen. Dank des mit 1,5 bar aufgeladenen 12-Zylinder-Biturbomotors ist es möglich, den Maybach aus jeder noch so haarigen Kurvenkombination heraus zu beschleunigen, ohne dabei auch nur einen Moment auf den Leistungseinsatz warten zu müssen. So muss sich Münchhausen auf der Kanonenkugel gefühlt haben.
Die Passagiere können es sich inzwischen auf den leicht veränderten Multikontursitzen bequem machen. Der Blick wird dabei möglicherweise auf die dem 57 S vorbehaltenen Carbonapplikationen und den großzügigen Klavierlackblenden fallen. Die einzigartige Kombination aus beiden Materialen versteht es, besonders durch ihre handwerklich außergewöhnlich perfekte Verarbeitung zu gefallen. Gleiches gilt auch für die Ledersitzgarnitur, die beim Sportmodell über farblich abgesetzte Kedern verfügt. Auch in diesem Punkt hat Maybach sich dem Motto verpflichtet: Das Beste ist gerade gut genug.
Auf dem Ascari Race Resort angekommen, vollzieht sich des Wunders erster Teil. War der Auftritt des Maybachs auf der kurvigen Passstrecke schon eindrucksvoll, so dürfte das nun Folgende auch dem letzten Zweifler den Mund offen stehen lassen. Auf das „Go“ des Instruktors schießt der schwere Wagen, dem man bis dato lediglich schnelle Autobahnetappen zugetraut hatte, wie von der Tarantel gestochen in den 26 Kurven zählenden Privatrennkurs. Mit ungeahnter Geschwindigkeit und dennoch ohne großen fahrerischen Aufwand ist es „dank der von Michelin exklusiv für den 57 S hergestellten 20 Zoll Reifen“ möglich, die wuchtige Limousine in die Kurven zu zwingen, ohne die Kontrolle über den Wagen zu verlieren.
Das Anbremsen vollzieht sich dank der üppig dimensionierten und elektronisch unterstützten Bremsanlage mit jeweils zwei Vierkolben-Festsattelbremssätteln an einem Vorderrad ebenso mühelos wie wirkungsvoll. Das mehrfach in der Härte verstellbare, adaptive Luftfederfahrwerk und die 15 mm tiefer gelegte Karosse tragen ebenfalls dazu bei, dass der Maybach jederzeit perfekt zu kontrollieren ist. Die Stabilisatoren wurden ebenso der gebotenen Leistung entsprechend angepasst, wie das adaptive Dämpfungssystem ADS II. Lediglich der Lenkung hat man bei Maybach offenbar weniger Aufmerksamkeit gewidmet. Als Kugelumlauflenkung verfügt sie konstruktionsbedingt über eine ungenaue Mittellage, was unpräzises Einlenken, und einen bisweilen eckigen Fahrstil zur Folge hat.
Doch besteht die Welt nicht nur aus Kurven, und nachdem man die letzte Spitzkehre verlassen hat, folgt des Ritts auf der Kanonenkugel zweiter Teil. Sobald der Drehzahlmesser 2500 U/min anzeigt, heißt es: Feuer frei. Der Maybach scheint sich selber überholen zu wollen, so ungestüm schiebt der 615 PS starke, bei AMG handgefertigte Motor die ehemalige Chauffeurslimousine voran. Schuld an der hohen Leistungsausbeute sind neben den beiden überarbeiteten Turboladern die wassergekühlten Ladeluftkühler und der auf 6,0 Liter vergrößerte Hubraum. Damit avanciert der 57 S nebenbei auch zur schnellsten deutschen Serienlimousine. Seine Höchstgeschwindigkeit liegt elektronisch begrenzt bei 275 km/h. Beim Ausdrehen auf der langen Zielgeraden mögen sich empfindliche Ohren über den harten metallischen Klang des Motors im Innern der fliegenden Luxussuite beklagen. Dieser will nicht wirklich zu dem souveränen Habitus des Wagens passen.
Nach der ersten Runde kommt man aufgrund des ungemeinen Fahrspaßes mit dem Maybach 57 S nicht auf den Gedanken, den Befehlen des Instruktors Folge zu leisten und die Boxengasse anzufahren. Eine weitere Runde zur Optimierung der Rundenzeiten ist Pflicht. Dass dieser Spaß ohne schwerwiegende Folgen für Mensch und Maschine bleibt, dafür garantiert zum einen das unverändert hohe Sicherheitskonzept des Maybach mit insgesamt zehn Airbags, als aber auch die großzügige Auslegung sämtlicher Komponenten der Fahrwerksstruktur. So sind beispielsweise die Achsen grundsätzlich für ein Gesamtgewicht von vier Tonnen (Gewicht der gepanzerten Version) ausgelegt und verdauen daher die im sportlichen Betrieb auftretenden Belastungen problemlos.
Alles hat ein Ende, auch unser kleiner Ausflug zum Ascari Race Resort. Und so rollt der ausschließlich in den Farben Schwarz und Silber lieferbare Luxusliner nach getaner Arbeit wieder gen Marbella, nicht ohne seine Passagiere nach allen Regeln der Kunst zu verwöhnen. Denn selbstverständlich bleibt der Maybach auch im Sportlerdress ganz Gentleman der alten Schule und egalisiert im Komfortmodus Straßenunebenheiten perfekt, stellt den Passagieren ein Höchstmaß an Innenraumkomfort etwa durch die bordeigene Minibar zur Verfügung und macht auch vor dem Marbella Club Hotel eine glänzende Figur. Dort angekommen, werden wir uns künftig überlegen, dem Chauffeur häufiger einen Tag mehr frei zu geben – ganz dem Motto: Luxus ist überdurchschnittlicher, nicht lebensnotwendiger Aufwand.
Sie möchten den Maybach 57 S als Hintergrundbild? Klicken Sie hier in unsere Rubrik ‚Wallpaper’.
Text: Sven Jürisch
Fotos: Classic Driver
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