Cooler Coup!
Text & Fotos: Mathias Paulokat
Rare Britannia! Wer auf Leistung und Exklusivität Wert legt, dennoch nicht das ganz große Geld in einen britischen Klassiker investieren möchte, der könnte in einem Jensen C-V8 das richtige Fahrzeug finden. Noch nicht einmal halb so teuer wie ein Aston Martin DB6, preisgünstiger und bedeutend rarer als ein Jaguar E-Type, wartet das großzügige Coupé aus West Bromwich auf seine Entdeckung. Immer noch. Classic Driver nimmt den Jensen in der beliebten Rubrik Klassiker in Augenschein.
Selten, das sind die Jensen Coupés aus den frühen sechziger Jahren allesamt. Jene stämmigen Tourer mit dem zugeschnürten Blick und der breiten Spur. Vom Mk III aus dem Baujahr 1965 gibt es tatsächlich nur abgezählte 181 Exemplare. „Selten“, was bei einem Vorkriegsfahrzeug immer auch die Exklusivität unterstreicht, das klingt hier allerdings auch ein wenig nach einer Entschuldigung. Denn während ein Jaguar E-Type bereits auf den ersten Blick betört, ein Aston Martin DB6 Respekt einflößt, macht der Jensen eher stutzig. Mehr noch: Er polarisiert. Wie kaum ein anderer Brite seiner Klasse. Eindeutig: Der Jensen C-V8 – er ist ein Exot.
Das wiederum passt auf den Punkt genau zum Image der Marke Jensen. Die Brüder Alan und Richard Jensen aus der Grafschaft Staffordshire waren ihrer Zeit entweder um einige Jahre voraus oder um Meilen hinterher. Das war bereits so mit den handverlesenen Modellen Jensen 541 S und 541 R Saloon, welche die Formensprache des C-V8 bereits Anfang der 50er Jahre in vielen Details vorwegnahmen. Das Exotendasein zeigte sich auch mit den späteren Jensen Interceptor Fahrzeugen der 70er Jahre, die eine schon fast brachial zu nennende Wende des Karosseriedesigns bei Jensen markierten und kompromisslos funktionale Sachlichkeit zur Schau trugen. Echter Bauhaus im Automobilbau.
Ein Exot, keine Ikone
Die Manufaktur Jensen – dieser Begriff ist aufgrund einiger weniger hundert gebauter Exemplare pro Typ hier wirklich zutreffend – steht für Außergewöhnliches. Wie zum Beispiel den Jensen FF aus dem Jahre 1966, dem unmittelbaren Nachfolger des C-V8. Das erste Straßenauto mit echtem Allradantrieb, unkonventionellem italienischem Design von Vignale und mit einem Preis von 6.018 Pfund Sterling über ein Drittel teurer als ein Aston Martin DB6 (4.229 Pfund Sterling). Damals wie heute reibt man sich ungläubig die Augen.
Und stößt bei der Markenrecherche unwillkürlich auf den C-V8. Exakt 499 Exemplare kamen in drei Serien zwischen 1962 und 1966 auf die Räder. Nicht nur eine erneute Herausforderung für Konstrukteur Eric Neil, sondern auch für das Sehorgan von Automobilliebhabern: Eine geschwungene Grundlinie über einem stabilen Leiterrohramen, die von Sicken und Falzen immer wieder unterbrochen, ja fast schon gestört wird. Vorne ein aggressiver, ein gieriger Blick mit Doppelaugen und einem nur halboffenen Haimaul, dessen Zähne hier in Form von senkrechtem Kühlerchrom hervor blitzen. Am Heck des knapp 4,70 Meter langen Wagens allerdings schockiert Gegensätzliches: Ein untrainiert wirkendes, ausladendes Hinterteil grinst uns allzu feist mit Halbkugellämpchen gleich einem gestrandetem Wels aus Knopfaugen entgegen. „Cheers!“ scheint dieses Heck zu sagen.
Bei der ersten Serie ist die große Kofferaumklappe sogar noch mit Chromaufsatzbeschlägen hinter der Heckscheibe angeschlagen. Das passt zum Mini, wirkt hier aber doch sehr antiquiert und wenig elegant. Überhaupt kommen dem Betrachter beim Anblick des stämmigen GT einige überraschende Déjà vú Erlebnisse: Die Speere über den Radhäusern scheinen dem Mercedes-Benz 300 SL von 1954 entliehen. Von der Seite erinnert der Brite ab der A-Säule frappierend an eine Kreuzung aus Jaguar XK 150 Coupé und Mk II Limousine. Die Speichenfelgen unterstützen diese optische Täuschung. Serienmäßig stand der C-V8 auf Stahlfelgen.
Multipolar: das Design
Das hintere Radhaus, der gesamte hintere Kotflügel – schräg von vorne betrachtet für Kenner wiederum eine scheinbar verblüffende Reminiszenz an den Mercedes-Benz 190 SL Roadster. Der gekniffene Blick ruft eine noch seltenere Begegnung mit dem Bentley S3 Continental „Chinese Eye“ von Park Ward ins Bewußtsein, nur wirkt der Ausdruck beim Jensen straffer und sportlicher. Wie nach einem Lifiting, weil die Lampen hintereinander versetzt in den nur scheinbar zu kleinen Höhlen kauern.
Bis auf den Bentley wurden alle soeben genannten Fahrzeuge vor dem Jensen der Öffentlichkeit präsentiert. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Kevin Beattie jedoch, der zum Produktionsende des C-V 8 als technischer Direktor bei Jensen an Bord ging, sah in dem Coupé ein stilistisches Desaster. Eric Neil hingegen seinerzeit wohl die bloße Notwendigkeit, den schweren Rohrrahmen, dessen rechte, luftdicht mit Öl befüllte Röhre auch als Vakuum-Reservoir für die Bremsanlage diente, einigermaßen klassisch einzukleiden: mit einer Karosserie, die größtenteils aus Glasfaser besteht und das Gewicht des Autos auf immer noch mehr als 1,5 Tonnen reduziert.
Wer allerdings erst einmal in einem C-V 8 Platz genommen hat, wird kaum etwas zu Mäkeln finden. Die Saloon-Atmosphäre fällt hier besonders großzügig aus. Eine reichhaltige in Chrom gefasste Instrumentierung von British Jaeger schmeichelt den Augen des Betrachters. Lederbespannungen, poliertes Metall und Wurzelholz sind selbstverständlich. Das Gestühl bietet einen erstaunlichen Komfort. Vorne wie hinten. Überhaupt kein Vergleich zu dem bereits zitierten E-Type. Natürlich ist auch dieser C-V8 ein Rechtslenker. Das ist Gewöhnungssache. Tatsächlich haben nur zehn links gelenkte C-V8 die Werkshallen in West Bromwich verlassen.
Fahreindruck und Fazit
Richtig gemütlich wird es, wenn der Motor angeheizt wird. Denn dann offenbart der Jensen C-V8 Mk III auch akustisch, was in ihm steckt: Ein ausgewachsener V8 von Chrysler mit knapp 6,3 Litern Hubraum und deutlich über 300 PS. Tausendfach erprobte Großserie. In der ersten Serie des C-V8 kam noch ein 5,9 Liter Motor mit „nur“ rund 305 PS zum Einsatz. Auch der reichte bereits für Höchstgeschwindigkeiten jenseits der 200 km/h. Und das 1961! Bis zu 330 PS hingegen wurden bei nicht modifizierten Mk III gemessen. Genauso wie flüchtige 6,7 Sekunden für den Sprint von 0 auf 60 Meilen und eine Spitzengeschwindigkeit von fast 230 km/h. Leistung und Performance satt und einem DB6 oder E-Type vollauf ebenbürtig.
Reguliert wird der Kraftfluss in diesem wie nahezu allen anderen Exemplaren durch ein Torqueflite-Automatikgetriebe, was sich auf der Straße als gute Wahl entpuppt. Schnell, flüsternd, manchmal auch vernehmlich grummelnd, aber immer sehr souverän und lässig durcheilt der Jensen die kühlen Alleen rund um die ausgedehnte Golfanlage. Der Motor holt mühelos ausreichend Kraft von unten. Das Getriebe setzt diese über die starre Hinterachse mit Halbelliptikfedern und Panhardstarb in kontrollierten Vortrieb um. Sehr zügig nimmt der Jensen Fahrt auf, die schnell ins Rasante übergeht.
Lange und großzügige Straßen sind sein Revier. Kein Zweifel, der Jensen ist ein ausgezeichneter Tourer. Entwickelt und gebaut für weite Strecken und hohe Dauergeschwindigkeiten. Aber: Obacht in langsam gefahrenen Kurven. Die Lenkung erinnert hier an Vorkriegswagen. Ihre Rückstellkräfte sind gering und verlangen aktiven Eingriff. Gemächliche Kurvenfahrten sind seine Sache nicht, schneller Geradeauslauf dafür um so mehr. Schade nur, dass dieses besondere Fahrvergnügen nur einer kleinen Schar Autoenthusiasten vorbehalten bleibt. Wenige sind wissend genug, um den Jensen gebührend zu schätzen.
Fakten
Hersteller: Jensen Motors, West Bromwich Modell: C-V Mk III Fahrzeugtyp: GT, Coupéform Baujahr: 1965 Karosserie: Glasfaserkarosse auf Leiterrahmen aus Stahl Motor: Chrysler V8 Motor mit 6.276 ccm Getriebe: Torqueflite 3-Gang Automatik Leistung: 330 PS Höchstgeschwindigkeit: rund 225 km/h Abmessungen: Länge: 4.645 mm, Breite: 1.715 mm, Höhe: 1.402 mm Gewicht: 1.525 Kilogramm Produktionszahl: 181 Herkunftsland: Great Britain |