Wenn die „grüne Hölle“ in der Eifel liegt, dann darf sich Hamburgs Stadtpark „güner Himmel“ nennen. Wenigstens an diesem Wochenende: September, Spätsommer, das Stadtpark Revival 2006. Hochoktane Luft, wagemutige Piloten, quicklebendige Klassiker und beste Stimmung in den Fahrerlagern. Großes Autokino – live. Mitten in der Stadt.
Und eine Rekordbeteiligung zum kleinen Jubiläum des automobilen Spektakels: 450 Klassiker und 18.000 Besucher. Kein Zweifel, Hamburg hat Drive. Classic Driver läßt die Bilder sprechen und ein Wochenende Revue passieren.



Samstagmorgen. 08.30 Uhr. Sonnenstrahlen wärmen den Asphalt. Nebelschleier verdampfen, Motoren dröhnen, Stimmen rufen, Emotionen schäumen über. Hamburg hat ein Bermuda Dreieck. Es liegt zwischen Alsterdorf, Winterhude und Barmbek. Enthusiasten motorisierter Fortbewegung dürfen hier in ihren kühnsten Träumen versinken. Auf der gesperrten Saarlandstraße und dem Südring steigt die fünfte Auflage des Hamburger Stadtparkrennens. Schnelle Passagen: Auf einer Strecke von insgesamt 1,7 Kilometern Länge geht es dieses Wochenende rauf und runter. Es ist Motorevival im Stadtpark. Und Tausende kommen.



Das Hamburger Stadtparkrevival steht seit seiner Neuauflage im Sommer 1999 für ein bunt gemischtes Starterfeld in allen neun Klassen. In mehreren Startgruppen sowie Demo- und Sonderläufen geben sich Motorrad- und Autofahrer quasi die Zündschlüssel in die Hand. Ein schnelles Kontrastprogramm, das den Spannungsbogen für Teilnehmer und Zuschauer gleichermaßen unter Zug hält.
Wie zum Beispiel in der Klasse 2, der GT Wagen der Baujahre 1950 bis 1970. In der Gruppe 1 messen sich Fahrer von Chevrolet Corvette, Mercedes-Benz 300 SL Roadster, Cobra 427 S/C oder Ford Mustang 2+2. Auch südliches Heißblut à la Lamborghini Miura P400 und De Tomaso Pantera GTS/-GT4 beziehungsweise GT5 S Targa mischen mit, suchen den Fight gegen deutsche Verläßlichkeit vom Schlage eines Porsche 911 und BMW 2002 ti.



Kenner freuen sich über Anblick und Sound echter Raritäten wie den Porsche 904 GTS aus dem Prototyp Stall oder den massiven Cunningham Special von Jürgen Rieskamp. Acht Zylinder arbeiten in dem oliven Ungetüm von 1924. Lenkung, Bremsen und ein nicht synchronisiertes Getriebe verlangen nach überaus kräftigem Zupacken. Jürgen Rieskamp hat gut gefrühstückt und bewegt seinen Vorkriegsrennlaster mit Rauchschleppe, so wie bei einem angeschossenen Jagdbomber, souverän über die Strecke.



Natürlich fehlen auch die Briten nicht. – Wie auch im anglophilen Hamburg? Kenner kommen hier voll auf ihre Kosten. Die Starterlisten der unterschiedlichen Klassen zeigen mondäne Jaguar XK, Mk II und E-Type, kernige Austin Healeys nahezu aller Couleur, verläßliche MG TD, A und B, bullige Morgan Roadster bis hin zu unheimlich flinken Lotus Super Seven, Mini Cooper und Mini Moke. Auch die raren Großkatzen vom Schlage eines Jaguar C- und D-Type sowie XKSS sind mit von der Partie. Geschenkt, daß hier teilweise Replica auf die Strecke gehen – auch sie tragen mit mittlerweile über vierzig Jahren erfahrungsreiche Patina auf ihrem Blechkleid.



Die Stimmung steigt und für das gute Wetter wollen plötzlich alle verantwortlich sein. Nach wochenlangem Regen, verwöhnt wenigstens am Samstag die Sonne den Stadtpark, Teilnehmer und Besucher des Revivals. Dabei hatten die Veranstalter Uwe Quentmeier und Gordon Wray vom Team mediadirect doch so weitsichtig vorgesorgt und bereits einen Schneepflug bestellt. Nein, nicht bei Unimog Gaggenau, sondern bei Audi Ingolstadt. Abteilung Audi Tradition.

Die Farben: Weiß, Gelb und Schwarz. Das Räumfahrzeug: Der 476 PS starke Werks-Audi Sport quattro S1. Audi Tradition zeigt den gut zwanzig Jahren alten Rallye Boliden nebst einer Wanderer Stromlinie Spezial von 1939. Der Kracher aber ist der Quattro. Mit ihm gewann Walter Röhrl 1985 die Rallye San Remo. Diesmal sitzt der mehrfache Deutsche Meister Harald Demuth am Steuer. Der kann auch fahren. Und wie. Driftend und mit scharrenden Reifen peitscht Demuth den S1 über die trockene Piste. Leistungswerte aus der obersten Liga: In 3,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Baujahr 1985 wie gesagt – überlegen Sie einmal nur wenige Sekunden, was Audi in jener Zeit sonst auf die Räder gestellt hat. Sehen Sie!



Mercedes kontert nicht nur mit einer ebenso massiven Lampenorgel wie beim Audi S1, sondern mit einem auch leistungsmäßig gut bestücktem 500 SL Rallye. Robert Schäfer sitzt am Steuer – ein AMG- und Mercedes-Mann alter Schule aus dem Schwäbischen. Sein Renn-Benz zählt zweifelsohne zu den schnelleren seiner Art und steht für das sportlichste Ende der so beliebten Klassiker SL-Baureihe W 107.



Nur ein klein wenig beschaulicher geht es bei den übrigen Teilnehmern der Vorkriegsgeneration zu. Die ist ebenfalls prominent vertreten. Vor allen Dingen die Rileys und Austin Ulster (Specials) der Jahre 1929 bis 1937 drehen hier mächtig auf, während Morgan Threewheeler wie stechwütige Hornissen quer durchs Fahrerfeld schwadronieren. Eine Rarität entdecken wir bei Morganpark Händler Lutz Leberfinger: ein Devaux Coupé aus Australien. Das erste Fahrzeug in Europa. Produktionsnummer 007. Darüber wollen Sie mehr erfahren? Keine Bange, wir sind bereits zur exklusiven Testfahrt vorgemerkt.



Bei den Motorradhelden vergangener Tage schwingen sich Haudegen vom Schlage eines Jim Redman, Ernst Hiller und August „Gustl“ Hobl auf die Maschinen – viele Zweiräder aus dem Stall von Willi Marewski. Wolfgang Schneider macht seine NSU-Rennmaschinen noch einmal flott und auch die Gespannfahrer wagen sich auf den Parcours, lassen es fliegen. In die Auslage, den Kopf Zentimeter über dem Asphalt.



Tuchfühlung auch andernorts: Auf der Händlermeile präsentieren zahlreiche Anbieter klassischer Fahrzeuge ihre Schätze. Classic Driver Händler wie Clasico zeigen nicht nur potente Fahrerwagen, sondern bewegen sie auch. Ohne Schongang. Beeindruckend, wie Volvo Amazon, BMW und Mercedes-Klassiker über die Strecke fliegen. Auch Fahrzeuge der E. Thiesen KG finden sich im Starterfeld, das vor allen Dingen aber den vielen Privatfahrern gehört – darunter auch Teilnehmer aus dem Ausland. Schade nur, daß sich am Sonntag der Regen dann doch nicht zurück halten kann. Wer jedoch die Samstagnacht auf der Clasico Drivers Night verbracht hat, dürfte mit allen Wassern gewaschen sein und auch die ein oder andere Sintflut überstehen. Das Stadtparkrennen jedenfalls wird kaum im Bermuda Dreieck versinken. Fahren geht bei jedem Wetter – auch nächstes Jahr. Kurs 2007. Dann sieht Hamburg wieder grün.

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Alle Aufnahmen erhalten Sie im JPEG-Format in höchster Auflösung direkt vom Fotografen und Classic Driver Redakteur Mathias Paulokat. Für eine Bestellung senden Sie bitte einfach eine kurze Nachricht mit Ihren Adressdaten an die Autoren E-Mail dieses Artikels.

Text & Fotos: Mathias Paulokat