Der Porsche 911 hat eine weltweite Fangemeinde. Alle Baureihen sind begehrt. Er ist ein Sportwagen, der wie kein zweiter das Publikum fasziniert. Warum eigentlich? Classic Driver sprach mit dem technischen Historiker und Porsche-Archivar Dieter Landenberger.
Herr Landenberger, das Phänomen Porsche 911 ist beeindruckend. Der Wagen behauptet sich seit Jahrzehnten im Markt. Mehr noch, er gilt weltweit als automobile Sportwagen-Ikone. Aus Sicht des technischen Historikers: Wie erklären Sie das? Und was zeichnet eine Autombilikone eigentlich aus?
Automobile Ikonen, das sind Autos, die diesen gewissen X-Faktor haben. Fahrzeuge, die Charakter haben, der sich im besten Fall über lange Zeit bewährt und unverfälscht bleibt. Ein Charakter, der Zeitlosigkeit ausstrahlt, der Moden und Trends begründet, ohne ihnen später hinterher zu laufen. Eine Ikone muss zum Zeitpunkt des Erscheinens bereits ihrer Zeit voraus sein, muss modern sein, aber nicht modisch. Das Fahrzeug sticht dann im Ergebnis aus dem Einerlei des Straßenverkehrs heraus, weil es ein hohes Maß an Eigenständigkeit besitzt. Das alles repräsentiert der Porsche 911.
Das klingt plausibel. Können Sie es für den 911 noch präziser fassen?
Der Porsche 911 ist die Summe seiner Eigenschaften. Es gibt aus meiner Sicht nicht unbedingt ein einzelnes Merkmal, welches den Charakter begründet, sondern viele. Los geht es mit dem Design des 911. Das ist unverwechselbar. Schon kleine Kinder erkennen das Auto auf einem Parkplatz aus weiter Ferne. Dann die wichtigen miteinander vereinten Charakterzüge wie Performance, Effizienz, Alltagstauglichkeit, Sportlichkeit – all das ist im 911 ohne Zweifel einmalig. Da fällt mir kein anders Auto ein, welches dieses breite Spektrum zu einem harmonischen Ganzen zu vereinen vermag.
Das Grunddesign und die Performance, das waren schon immer Kernwerte des Porsche 911. Das Thema der hohen Effizienz ist erst in den späteren Baureihen verstärkend dazu gekommen...
...das gerade würde ich nicht behaupten. Vielmehr das Gegenteil: Schauen Sie sich den Ur-Elfer an. Da haben wir das Thema Leistungsgewicht, was ganz wunderbar heraus gearbeitet wurde. Nehmen Sie den Verbrauch: Ein F-Modell fahren Sie problemlos zwischen zehn und 12 Litern und sind dabei nicht langsam unterwegs. Also: Eingebettet in ihrer Zeit, waren die Fahrzeuge auch in dieser Kategorie führend. Sicherlich, das alles resultierte primär noch nicht aus ökologischen Gesichtspunkten, sondern vielmehr aus dem Rennsport. Denn wer weniger verbraucht, kann einen längeren Stint fahren.
Ich habe folgenden Eindruck: Je stärker man in den Baureihen zurückgeht, desto purer begegnet einem der Porsche 911. Sehen Sie das auch so?
Ja, das kann man definitiv sagen. Wobei: Es stellt sich bei genauem Hinsehen die Frage nach der Definition von „pur“. Ist es die reine Sportlichkeit, ist es die reine Reduktion? Nehmen Sie ein G-Modell mit der schmalen Karosse – das ist ein sehr pures Fahrzeug. Oder ein Clubsport-Modell oder einen SC RS. Wide-Body, Heckantrieb, Gewicht um die 1.000 Kilogramm. Das sind Autos, die haben überhaupt nichts Überflüssiges. Die Perfektion des Weglassens gab es insofern schon früher. Treiber war hier immer der Rennsport. Ferdinand sagte einmal: Der perfekte Rennwagen ist der, der nach dem Überqueren der Ziellinie auf dem ersten Platz auseinander fällt. Und die Philosophie von Ferry Porsche war: Spaß wird nicht durch Komfort erzeugt – ganz im Gegenteil.
Wie wichtig ist denn nun für den neuen Porsche 911 der Baureihe 991 die Ahnenreihe? Und: Wenn man sich für einen klassischen Elfer entscheidet – was wären aus Ihrer Sicht derzeit besonders attraktive Modelle?
Schauen Sie sich das Auto an. Es ist das Produkt der Ahnenreihe. Eine wunderbare und weiter entwickelte, zeitgemäße Synthese aller wichtigen Merkmale. Das Design ist hier eine Projektionsfläche. Ich erkenne ganz viel 993 wieder. Ich sehe hier den Ur-Elfer. Und dennoch wirkt das Auto unglaublich modern. Auf der Strecke ist der neue 911 beeindruckend direkt, der Motor ist ähnlich emotional wie ein klassisches Triebwerk. Ab 5.000 Touren steigen Erinnerungen an den 2,7 RS auf. Ich persönlich höre sogar ein wenig den RSR heraus. Also, mich macht das Auto emotional stark an. Denn auch aus vermeintlich negativen Dingen haben wir Konsequenzen gezogen. Der 996 war einigen Kunden etwas zu weich abgestimmt. Das haben wir in den Produktkliniken gelernt und daraus unsere Schlüsse gezogen. Ich bin somit überzeugt: Der Elfer wird immer Elfer bleiben. Sie haben ansonsten Recht, praktisch alle 911er sind mit ihrem Erscheinen „instant classics“. Mein Klassiker-Tipp ist vielleicht nicht ganz originell – und dennoch: ein G-Modell geht immer. Doch nehmen Sie auch die Autos, die jetzt auf dem Sprung vom Gebrauchtwagen zum Youngtimer sind. Hier wieder der 996. Das ist ein Auto, das zukünftig auch einmal Klassikerstatus erreichen wird. Viele Fahrzeuge werden derzeit verbraucht. Fahrzeuge mit wenigen Kilometern werden seltener. Ich empfehle daher jetzt den Kauf eines guten Exemplars. Wer etwas mehr ausgeben will, erwirbt mit dem Turbo oder gar Turbo S der Baureihe 996 einen Supersportwagen zum Schnäppchenpreis. Und wenn es doch ein Sauger sein soll: Kaufen Sie den Millenium-Elfer. Ein unglaubliches schönes Auto, von dem ich schon heute sehr überzeugt bin. Und natürlich der 996 GT3! Ein Auto, handmade in Weissach. Da steckt unglaublich viel Renntechnologie drin. Bei der 996-Baureihe ist derzeit für jeden etwas dabei.
Interview: Mathias Paulokat