Der Ford GT von 2004 ist zwar der erfolgreichste, aber bei weitem nicht der einzige Versuch der Ford Motor Company, ihr großes Erbe von Le Mans zu reanimieren. Bereits 1995 wurde das Ford GT90 Concept als offizieller Nachfolger des legendären Ford GT40 präsentiert. Doch es blieb beim Einzelstück – aus offensichtlichen Gründen. Am 21. Januar soll das 720 PS starke und 407 km/h schnelle Zwölfzylinder-Getüm in Arizona versteigert werden.
Ford kann auf eine ganze Reihe von großen Modellerfolgen zurückblicken, doch die Ford GT40 Rennwagen, mit denen der Markenrennstall zwischen 1966 und 1969 vier Mal in Folge die 24 Stunden von Le Mans gewann und damit den ewigen Widersacher Ferrari düpierte, nehmen in der Firmengeschichte einen Ehrenplatz ein. So wundert es kaum, dass der Mythos auch Jahrzehnte später noch als Inspiration für die Entwicklung neuer Sportwagen diente. Mit dem optisch sehr nah an der Sechzigerjahre-Vorlage gebliebenen Remake von 2004, dem Ford GT, wurde das klassische Sportwagenkonzept erneut auf die Straße geschickt. Einen ersten Versuch, den Ferrari-Killer zu reanimieren, unternahmen die Ingenieure der Ford-Entwicklungseinheit SVT jedoch schon im Januar 1995 auf der Detroit Motor Show.
Mit einem Budget von drei Millionen US-Dollar, aber nur einem halben Jahr Zeit, hatten die Entwickler einen Supersportwagen konstruiert, der alle Zeitgenossen in den Schatten stellen sollte. Das Ford GT90 Concept war mit einem aus zwei gekürzten Lincoln-Achtzylindern gefertigten V12-Mittelmotor-Triebwerk mit vier Turboladern bestückt, das gewaltige 720 PS und 894 Nm auf die Straße brachte. Laut Ford erreichte die Studie bei ersten Tests eine Höchstgeschwindigkeit von 407 km/h – und ließ damit selbst den McLaren F1, den damals schnellsten Sportwagen der Welt, um Längen hinter sich. Als Technikspender diente eine weitere Sportwagenlegende dieser Zeit: der Jaguar XJ220. Aus ihm stammte unter anderem das Fünfgang-Schaltgetriebe und die Aufhängung, die dem Wagen auch bei Höchstgeschwindigkeit eine gute Straßenlage garantieren sollte.
So beeindruckend die Leistungskurve auch aus heutiger Sicht noch erscheinen mag – ästhetisch hat der bügeleisenförmige Ford GT90 seinen Zenit längst überschritten. Doch auch für die Formensprache der Neunzigerjahre finden sich mittlerweile Liebhaber. Und in ein paar Jahren wird der heute noch etwas plump wirkende Look wohl endgültig in den Kanon der automobilen Designgeschichte aufgenommen werden. Die GT90-Studie war 1995 übrigens der erste Ford, bei dem die neue „Edge“-Designphilosophie zur Anwendung kam. Die Kombination aus großen Flächen, scharfen Winkeln, Dreiecken und Glaselementen wurde später bei Serienmodellen wie Ka und Cougar übernommen.
Nach dem Messedebüt in Detroit reiste das Ford GT90 Concept durch die Welt, wurde unter anderem in Frankfurt und Tokyo ausgestellt. Eine Serienproduktion zogen die Vorstände trotzdem nicht in Betracht; das Konzept sollte viel mehr als internes Erprobungsfahrzeug für neue Technologien dienen. Das amerikanische Auktionshaus RM Auctions bringt den Zwölfzylinder-Zeitzeugen am 21. Januar 2010 zum ersten Mal unter den Hammer. Als sehr gut erhalten, gepflegt und einsatzbereit wird das ungewöhnliche Einzelstück im Katalog zur „Automobiles of Arizona“-Auktion beschrieben. Den Schätzpreis gibt RM allerdings nur auf Anfrage bekannt.
Text: Jan Baedeker
Fotos: RM Auctions
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