Porsche setzt große Hoffnungen auf den Panamera – und folgt damit dem allgemeinen Trend zur Sportlimousine. Doch funktioniert der Newcomer auch aus ästhetischer Sicht? Chris Hrabalek, Automobildesigner und Mitbegründer des Designstudios Fenomenon, hat für Classic Driver einen Blick auf den neuen Viertürer aus Stuttgart geworfen.
Porsches neues Modell, der Panamera, übernimmt eine ähnliche Rolle wie bereits der Boxster oder der Cayenne. Er soll den Absatz ankurbeln, dem aktuellen Marktgeschehen zum Trotz, und gleichzeitig die Enthusiasten der Marke weltweit davon überzeugen, dass die fünfte Baureihe nicht nur ein gutes Produkt ist – sondern auch wirklich ein echter Porsche.
Im Gegensatz zur allgemeinen Auffassung ist die schwerste Aufgabe eines Automobildesigners weder die Kunst, auffällige Grafiken am Computer zu erstellen, noch die Fähigkeit, Volumen, Flächen, Linien oder Designthemen mit geschultem Auge zu beurteilen. Es ist nicht einmal das Erkennen von ästhetischen Strömungen oder den Kundengeschmäckern der Zukunft. Die schwerste Aufgabe im Schaffen eines Automobildesigners besteht darin, das Publikum davon zu überzeugen, dass das endgültige Resultat seiner Arbeit tatsächlich die allerbeste von unzähligen Lösungen der ursprünglichen Aufgabenstellung ist.
Kaum eine Marke hat derart viele Anhänger wie Porsche. Doch ist diese Jüngerschaft, bestehend aus Besitzern wie Fans, nicht leicht zufrieden zu stellen. Vor allem die Redaktionen der Motorpresse kennen die Gemeinde nur zu gut, werden sie doch mit aufgebrachten Leserbriefen überhäuft, sobald Porsche sich mehr als ein paar Schritte von seiner gewohnten Position entfernt. Man denke nur an einen Versuch aus den Siebzigerjahren, den Porsche 911 – schon damals so etwas wie der Heilige Gral von Zuffenhausen – durch den neuen Porsche 928 zu ersetzen. Obwohl das Styling gleichzeitig ultraprogressiv und zeitlos war und der Ansatz den lange fälligen Brückenschlag zwischen Automobil- und Produktdesign verwirklichte, brach in der Markengemeinschaft die Hölle los! Die Porsche-Besitzer akzeptierten nur das, was sie gewohnt waren: Deutsche Rationalität, einen traditionsbewussten Stil und die Zündung links vom Lenkrad.
Im Gegensatz zu den viertürigen Konzeptstudien von Aston Martin und Lamborghini positioniert sich der Porsche Panamera eher als Alternative zu Maserati Quattroporte und Mercedes-Benz CLS, die sowohl ästhetisch als auch praktisch für den Alltag geschaffen sind. Die schwierige Aufgabe, eine entsprechend zivile und gleichzeitig außergewöhnliche Hülle zu entwerfen, lag nun bei der Inhouse-Design-Abteilung von Porsche. Im Jahr 2004 hatte der deutsche Automobildesigner Michael Mauer, unter anderem verantwortlich für die Linienführung von Mercedes-Benz SLK und Saab 9-X, die Designdirektion bei Porsche von Harm Laagay übernommen. Das Panamera-Projekt war für Mauer eine Gelegenheit, wie man sie als Designer wohl nur einmal im Leben bekommt: Zuffenhausen hatte ihm praktisch den Freibrief erteilt, sich von den Facelifts, Derivaten und Bodykits zu entfernen, um ein völlig neues Modell zu entwickeln.
Dennoch kann man das Styling des neuen Porsche Panamera wohl kaum als revolutionär bezeichnen, die Marken-DNA ist hinter jeder Rundung, jeder Linie, jedem Knick sichtbar. Doch auch wenn viele selbsternannte Fachmänner den Stil des Panamera als unispiriert und konservativ kritisieren, so ist er doch Meilen entfernt von der Uniformität eines Aston Martin Rapide. Auch die Ähnlichkeiten zu den Modellgeschwistern halten sich in Grenzen. Gerade im direkten Vergleich mit den Neunzigerjahre-Modellen wie etwa der 996er-Baureihe fällt auf, wie stimmig, klar und ausgeprägt die Formensprache des Porsche Panamera erscheint.
Das Styling entspricht im Weitesten der klaren und rationalen Linienführung, die seit Jahrzehnten an der Designschule in Pforzheim gelehrt wird und die sich – gerade im Ausland – immer größerer Beliebtheit erfreut. Es ist klar, dass der Porsche Panamera auch dann noch als „Made in Zuffenhausen“ zu identifizieren wäre, wenn man alle Markenembleme entfernen würde. Natürlich muss man sagen, dass stilistische Risiken, wie man sie bei der Entwicklung des Porsche 928 einging, beim Projekt Panamera vermieden wurden. Auch zu dem 1989 unter dem Namen Porsche 989 entwickelten viertürigen Prototypen, der Anfang der Neunzigerjahre den drastischen Umstrukturierungsmaßnahmen Wendelin Wiedekings zum Opfer fiel, gibt es so gut wie keine optischen Parallelen.
Mit einem endgültigen Urteil zur Ästhetik des Porsche Panamera sollte man dennoch warten, bis er tatsächlich auf dem Asphalt steht – und sich im alltäglichen Kontext des Straßenverkehrs bewegt. Dass er in jedem Fall als Meilenstein in die Geschichte der Marke eingehen und auch beim Erreichen der magischen Marke von 100.000 Fahrzeugen pro Jahr einen großen Dienst leisten wird, ist dagegen außer Frage. Mit anderen Worten: Einkommen gesichert, Job erledigt.
Chris Hrabalek wurde 1977 in Wien geboren und ist heute als Automobildesigner und strategischer Berater für verschiedene europäische Hersteller tätig. Internationales Aufsehen erregte Hrabalek auf dem Genfer Salon 2005 mit einer Neuinterpretation des Lancia Stratos, die er als Mitbegründer des Designstudios Fenomenon initiiert und gestaltet hatte.
Text: Chris Hrabalek
Fotos: Porsche
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