Zwischen der Mille Miglia und dem Concorso d’Eleganza Villa D’Este liegen Welten. Während das Starterfeld der Mille Miglia sich von Jahr zu Jahr immer mehr gleicht, kann beim schönsten Concours Europas jedes Mal eine neue Auswahl besonders schöner und seltener Klassiker bestaunt werden.
Bei strahlendem Sonnenschein und einem Glas Spritz genossen die Gäste des Concorso d’Eleganza Villa d’Este das Deffilee der schönsten Automobile aus über acht Jahrzehnten auf der Terrasse des gleichnamigen Grand Hotels. Strahlender Sieger des Concours ist der ehemalige Microsoft Präsident Jon Shirley, der mit seinem wunderschönen Alfa Romeo 8C 2900B gleich beide Hauptpreise des Wettbewerbs gewann. Sowohl das Publikum, als auch die international besetzte Jury stimmten für das 1938 von Touring gefertigte Coupé. Dieser Alfa „Due Milla Nove“ hatte in den 30er Jahren den gleichen Stellenwert wie heutzutage ein Bugatti Veyron oder ein McLaren F1, nur mit einem bedeutenden Unterscheid: Er besaß Eleganz! Eine Eleganz die es ermöglichte, mit der Leistung eines Rennwagens vor der Mailänder Scala vorzufahren. Völlig zu recht darf sich der stolze Besitzer über die „Coppa d’Oro“ und den Pokal „Best of Show“ freuen.
Die Jury um den autobegeisterten Lord March wird es in diesem Jahr besonders schwer gehabt haben, aus den fünfzig angetretenen Klassikern den besten zu küren. Bei der Parade am Ufer des Comer Sees wurde zumindest allen Partizipanten gleich wohl begeisternder Applaus entgegengebracht. Diese Begeisterung hat ihre Quelle nicht nur in den außergewöhnlichen Formen, den besonderen Farben und den unbeschreiblichen Lauten der Gefährte – nein, es sind die Geschichten und Schicksale jeder einzelnen Karosse, die einen mitreißen.
Da ist beispielsweise der Ferrari 250 GT Lusso in der außergewöhnlichen Farbe Marrone Metallic. Einem Zufall ist es zu verdanken, dass die Geschichte dieser Luxus-Variante des legendären Ferrari 250 GT Rennwagens ans Licht kam. Ein amerikanischer Sammler erwarb 1997 das Sportcoupé und begann, ein wenig über die Geschichte des Wagens zu recherchieren. Heraus kam, dass dieser Wagen 1963 von Hollywood Sportscars in Beverly Hills an „Mister Obercool“ Steve McQueen ausgeliefert wurde. Man nimmt an, dass dies das erste „teure“ Auto ist, welches der autobegeisterte Steve McQueen sein Eigen nennen konnte.
Rührend ist ebenfalls die Geschichte des Bugatti 57 C Aravis mit einer Karosserie von Lectourneur & Marchand des Belgiers Albert Lemaire. Der turbogeladene Bugatti ist seit 70 Jahren im Besitz der Familie Lemaire. Der Onkel von Albert kaufte den Wagen 1939 direkt bei der Manufaktur. In den Kriegswirren wurde der Wagen getarnt, in dem man die Karosserie vollständig demontierte. Nach Kriegsende lies der Onkel den Bugatti wieder aufbauen und schenkte ihm dem heutigen Besitzer zu seinem 18. Geburtstag – zweifelsohne ein Geschenk fürs Leben. Hoffentlich wird Monsieur Lemaire dieses Schmuckstück weiterhin in der Familie halten.
Diese Anekdote ist eine von vielen Geschichten aus der 100 jährigen Historie der Marke Bugatti. Aus Anlass dieses Jubiläums zeigte die Marke aus Molsheim am Concours-Sonntag vier Veyron Sondermodelle in der Villa Erba, dem zweiten Schauplatz des Concorso Villa d’Este. Die vier Bugatti erinnern an die Rennerfolge der französischen Marke, an denen die Modelle vom Typ 35 maßgeblich beteiligt waren. Bei strömendem Regen präsentierten sich die vier 1.000-PS-Sportler in den National-Rennfarben der 30er Jahre: blau für Frankreich, rot für Italien, grün für England und weiß für Deutschland
Entgegen dem regnerischen Trend blickte BMW mit einer Sonderausstellung auf seine Roadster-Legenden der vergangenen 75 Jahre zurück. Das historische Abteilung des Gastgebers des Concorso - BMW Classic – präsentierte vom 315/1 bis zum aktuellen Z4 seine sieben offen Sportwagen. Natürlich durfte in dieser Ahnenreihe der BMW 507 nicht fehlen. Ganz gleich ob es regnet, stürmt oder schneit, der Platz hinter dem Steuer dieser Design-Ikone wird immer von Sonnenschein begleitet.
Geschützt vor den Wetterquerelen zeigte das Hamburger Museum Prototyp in der großen Halle der Villa Erba einen kleinen Teil seiner erst kürzlich beendeten Sonderausstellung „Stromlinie“, in deren Rahmen windschnittige Rennwagen wie der Porsche Typ 64 oder der BMW 328 Wendler gezeigt wurden. Ebenfalls sein 100. Jubiläum feiert die britische Automobilschmiede Morgan und präsentierte zu diesem Anlass den neuen Morgan Aero SuperSports.
Beim Conroso d’Eleganza Villa d’Este blickt man nicht nur zurück auf die Geschichte des Automobilbaus, sondern schaut zukunftsgewand nach vorn. Wie in jedem Jahr zeigten kleine und große Hersteller neue Studien. In diesem Jahr war Dr. Ulrich Bez mit dem kraftvollen Konzept Aston Martin One-77 angereist. Aber auch alternative Studien wie der Fisker Karma, das beiden schweizerischen Ideen Mindset und der Rinspeed iChange. Alle gezeigten Studien haben das Zeug zum modernen Klassiker.
Blickt man auf das knallgrüne BMW 2800 Konzept von Bertone aus dem Jahr 1969, das am Concours teilgenommen hat, so kann man sich gut vorstellen, dass auch einer der heutigen Modernisten beim Concours 2065 als Klassiker an den Start gehen könnte.
Abschließend bleibt zu sagen, dass der Concorso d’Eleganza Villa d’Este zu den besten Veranstaltungen im Automobil-Kalender zählt. Jedes Jahr aufs Neue ist die Auswahl der historischen Automobile einfach „Brutiful“, die Kombination aus kraftvollen Rennwagen und wunderschönen Karossen vor der einzigartigen Kulisse des Comer Sees atemberaubend.
Text: J. Philip Rathgen
Fotos: Nanette Schärf / Jan Baedeker
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