Noch bis zum 3. April 2011 sind die Messetore der 23. Techno-Classica geöffnet. Die Leitmesse ist unverändert auf Rekordkurs. 1.200 Aussteller füllen auch in diesem Jahr wieder alle 20 Messehallen bis auf den letzten Quadratmeter. Rund 2.500 ausgestellte und zum Verkauf angebotene Klassiker machen die Auswahl schwer. Classic Driver hat das Angebot bei einem Messerundgang sondiert und präsentiert interessante Fundstücke aus dem Händler-Netzwerk.
Essen á la carte: Mehr denn je besticht das Fahrzeugangebot der 23. Techno-Classica in Essen einerseits durch eine beachtliche Vielfalt, andererseits auch durch hohe Qualität einzelner angebotener Fahrzeuge. Laien sind in Anbetracht der schieren Fülle der Eindrücke schnell überfordert und selbst ausgewiesene Kenner der Materie haben alle Mühe, am Fachbesuchertag einen umfassenden Überblick zu gewinnen. Dabei wechseln besondere Fahrzeuge meist schon am ersten Tag der Messe den Eigentümer. Und wer am Donnerstag und Freitag nach Essen kommt, erlebt traditionell intensive Geschäftsstimmung. Diejenigen, die über ihre Wahl noch eine Nacht geschlafen haben, siegeln spätestens jetzt die Verträge. Insofern ist unsere Auswahl nach einem Messerundgang vielleicht nicht umfassend repräsentativ, dafür aber exemplarisch für eine Messe, die zu Recht den Titel auf „weltweite Leitmesse“ reklamiert.
Starten wir beim Classic Driver Händler Thiesen in Halle 12. Mit rund 40 Fahrzeugen präsentiert die Eberhard Thiesen KG gemeinsam mit Thiesen Berlin ein sehr umfangreiches Angebot. Und gewohnt hohe Qualität dazu. Aufgefallen sind uns ein Concours-erporbter Talbot-Lago T26 Grand Sport Coupé (435.000 Euro). Ferner ein Mille Miglia taugliches Nardi 750 Vignale Coupé (89.000 Euro) und ein Bentley 4 ½ Liter „Bluebell“ von Bentley Guru L. C. McKenzie, der für 490.000 Euro angeboten wird. Ein weiteres britisches Highlight stellt fraglos das Bentley R-Type Continental Fastback Coupé von 1954 in dezentem Sherwood Green dar. Das Interieur des faszinierenden Gleiters ist mit hellem Leder ausgeschlagen, welches mit braunem Krokodilleder abgesetzt ist. Ein urbritischer Traum – Kaufpreisvorstellung: 685.000 Euro.
Freunde der Marke Mercedes-Benz reiben sich bei Thiesen überdies ungläubig die Augen, werden sie doch glauben, dass eine absolute Pretiose aus dem Stuttgarter Museum den Weg nach Essen auf die Verkaufsfläche gefunden hat. Der legendäre blaue Renntransporter parkiert mit einem silbernen 300er Flügeltürer stilecht in Halle 12. Die Auflösung dieser unerwarteten Erscheinung: Es handelt sich bei dem „blauen Wunder“ um eine Replika, gleichwohl sehr aufwändig hergestellt, angeboten für 265.000 Euro. Der originale Flügel auf dem Transportdeck ist bei diesem Preis selbstredend nicht inkludiert. Dr. Rainer Herbst und Karl-Helmut Laarkamp stellen am Abend des ersten Tages einmütig fest: „Wir sind mit dem Messeauftakt zufrieden und führen bereits einige aussichtsreiche Gespräche.“
Bei der Scuderia Sportiva Colonia stoßen wir auf einen seltenen Ghia 450 SS. Classic Driver Händler Early 911s hat erwartungsgemäß feine Ware aus Stuttgart dabei. Noch zu haben ist der besondere 911 S 2,3 Safari – eine zugegeben eher auffällige Art, einen frühen Porsche 911 zu fahren. Konsequent britisch zeigt sich der niederländische Händler Altena. Hier fallen uns schöne Jaguar XK und Austin Healey Modelle zu fairen Preisen auf. Britisches hat auch der Aston Workshop aus England dabei – die DB4-Modelle bestechen durch das hohe Niveau ihrer Restauration.
Top Cars hatte aus Bochum eine kurze Anreise. Die Fahrzeugauswahl präsentiert sich in 2011 wiederum auffallend vielfältig. Vom Vintage-Klassiker bis zum Neuwagen ist praktisch alles dabei. Auch Supersportwagen bietet Top Cars an – beispielsweise einen Porsche GT2 für rund 200.000 Euro. Reichhaltige Auswahl findet sich auch in Halle 6 bei der Gallery Brummen. Die ebenfalls niederländische Gallery zählt mittlerweile zu den größten Klassiker-Händlern Europas, insofern wundert die hohe Markenvielfalt nicht. Tipp: knapp 100 Fahrzeuge sind im Classic Driver Automarkt eingestellt – ein vorheriges Sondieren erleichtert die Suche. Auch Classic Driver Händler Movendi aus dem Düsseldorfer Meilenwerk hat in Halle 6 den bekannt großzügigen Stand bezogen, die Fahrzeugauswahl konzentriert sich hier einmal mehr auf Qualität.
Hierfür ist auch Steenbuck-Automobiles bekannt. In Halle 12 entdecken wir mehrere erwähnenswerte Besonderheiten: beispielsweise ein bestechend originales 911T Coupé aus 1973er Jahrgang mit rund 70.000 Kilometer auf dem Tacho. Sogar ein früher Strafzettel liegt noch bei den Fahrzeugpapieren. Für 64.500 Euro fertigt Steenbuck die übrigen Papiere aus. Ebenfalls bemerkenswert ist ein BMW 328 mit Autenrieth Karosse, der für 520.000 Euro im Angebot ist. Ein extrem penibel restaurierter Triumph TR6 steht für 45.000 Euro zum Verkauf – etwas für Perfektionisten. „Es läuft rund“, so Rainhard H. Sachse, „wir erleben auch dieses Jahr wieder eine rege Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Fahrzeugen.“
Und nach Einzelstücken. Der skurrile Fiat 1100 TV Padovan ist bereits am ersten Messetag beim belgischen Händler Marreyt Classics verkauft. Springbokhält für extrovertierte Sportwagenfahrer einen schönen De Tomaso Mangustabereit. Bei Houtkamp finden sich rare britische Alternativen: ein Austin Healey 1000 Le Mans und einer von nur 105 gebauten Healey Silverstone.
Das Team vom Mercedes-Benz Classic Center zeigt erwartungsgemäß einen Querschnitt verschiedener Sternenwagen. Erstaunlich ist hier immer wieder das Preisniveau, welches augenscheinlich einen deutlichen „Werkszuschlag“ beinhaltet. Wer nach 300 SL Flügeltürer oder Roadster sucht, wird ohnehin eher bei HK-Engineering vorbei schauen. Die Auswahl ist bemerkenswert. Wenig andere Fahrzeuge gelten als so wertstabil. „Einen 300 SL kaufen, ist doch wie Geld wechseln“, meint ein Interessent. Nur vielleicht etwas emotionaler. Unerwarteter Gast: Brabus. Die Bottroper wartet in Kooperation mit der Lueg Gruppe mit einer neuen Klassik-Sparte auf. Bei Mechatronik brennt sich förmlich ein maisgelbes 300 SE Cabriolet ins Auge des Betrachters. Das Fahrzeug wurde 1962 an die Firma Behr – bekannt für Kühlsysteme – ausgeliefert. Jetzt soll es nach erfolgter Mechatronik Totalrestauration nach China ausgeflogen werden.
Eberlein Ferrari Kassel zeigt neben weiteren Klassikern aus Maranello auch einen Ferrari 250 GTO. Franco Lambo präsentiert einen schönen Alfa Romeo Montreal in Orange, während Frank Dale die großen Gleiter von Bentley und Rolls-Royce nach Essen gebracht hat. Weiterhin gesichtet: Bratke Exclusive Cars und auch Art & Revs. Einer der Messehöhepunkte der diesjährigen TC ist wieder die Coys Auktion. Diese startet am Samstag, dem 2. April, um 15:00 Uhr. Sämtliche Lots sind im Classic Driver Automarkt eingestellt.
Weniger überzeugend fiel die private Fahrzeugbörse im Innenhof der Messe aus. Hier fehlte einfach eine nennenswerte Anzahl der erhofften originalen Garagenfundstücke mit geringer Laufleistung, die diesen Bereich üblicherweise zu einer kleinen Attraktion der Messe machen. Ein BMW 2002 turbo mit unter 100.000 Kilometer Laufleistung soll für knapp 40.000 Euro den Besitzer wechseln. Ein barockes 300 S Coupé parkt in trauter Eintracht neben einem W123er Südfrankreich-Coupé für rund 15.000 Euro. Auffallend: Porsche hat sich endgültig auch zu einer Ersatzwährung entwickelt. Es ist schon beachtlich, dass gute SC und 3,2 Liter Modelle der G-Reihe mittlerweile deutlich über 30.000 Euro bringen sollen. Zu attraktiven Preisen kommen derzeit noch reichlich Mercedes-SL der Baureihe R129 auf den Markt – aus gutem Grund, gilt der bombensichere Roadster doch schon längst als Klassiker der Zukunft. In diesem Sinne ist auf der 23. Techno-Classica wieder für jeden etwas dabei. Die Anreise nach Essen lohnt auch in 2011. Und wenn Sie tatsächlich verhindert sein sollten: Lesen Sie in Kürze unseren umfangreichen Messebericht.
Text & Fotos: Mathias Paulokat