Amerikanischer Siebzigerjahre-Glamour trifft italienische Lifestyle-Grandezza: Zusammen mit Gucci präsentierte GM im Jahr 1979 die ultimative Design-Edition des Cadillac Seville. Selbst 33 Jahre später ist der Wagen ein modisches Statement – und Vorbild zahlreicher Fashion-Mobile.
In der Eröffnungsszene von Martin Scorseses Las-Vegas-Epos Casino steigt Robert de Niro alias Sam „Ace“ Rothstein in weißen Schlaghosen und lachsfarbenem Jackett in seinen 79er Cadillac Eldorado, dreht den Zündschlüssel – und verabschiedet sich in einer gewaltigen Explosion. Für Cineasten gehört die Einstellung zu den wichtigsten Opening Shots der Filmgeschichte, doch im Detail hat Scorsese geschlampt: Für einen mondänen Spielbank-Chef und Playboy wie Rothstein hätte es in den frühen Achtzigerjahren eigentlich nur ein passendes Automobil gegeben: den Cadillac Seville designed by Gucci.
Das italo-amerikanische Sondermodell war 1979 auf den Markt gekommen und an einer eleganten Lederausstattung sowie einem beigefarbenen Vinylbezug mit dem berühmten Gucci-Muster, der sich über die C-Säule erstreckte, zu erkennen. Größter Hingucker war jedoch das Gucci-Logo mit den zwei ineinander verschränken Gs, das als Kühlerfigur auf der Haube saß. Auch auf den Rädern fand sich das Logo wieder, während ein rot-grünen Streifen an der Unterkante des Kofferraums die traditionellen Farben des italienischen Modelabels zitierte. Cadillac bot die Lifestyle-Variante in drei Lacktönen an: Schwarz, Weiß und einem mittleren Braun. Im Innenraum folgte man der Exterieur-Linie – Doppel-G, Karo-Musterung und ein Schriftzug auf dem Handschuhfach wiesen die Passagiere auch dann noch auf die exquisite Ausstattungslinie hin, wenn man nach langer Nacht am Roulette-Tisch üben den „Strip“ in die Morgendämmerung glitt.
Entworfen hatte den Italo-Cadillac niemand geringeres als Dr. Aldo Gucci, einer von drei Söhnen des Firmengründers Guccio Gucci. Gegenüber einem Reporter der Palm Beach Post-Times betonte Gucci im September 1978 – nur wenige Tage vor der offiziellen Präsentation im Hotel Fountainbleau in Miami –, wie stolz er auf die Zusammenarbeit mit Cadillac sei. „Ich habe starke Gefühle für dieses Automobil, denn es unterscheidet sich grundlegend von allem, was ich in meinem Leben entworfen habe“, betonte der Designer bei einem Glas Champagner in der Auffahrt seines Anwesens in Palm Beach. „Dieser Cadillac ist ein weiterer Stein in unserer Halskette des internationalen Erfolgs“. Dass man ausgerechnet ein amerikanisches und kein italienisches Auto für das Projekt ausgewählt hatte, begründete Gucci mit seiner Verbundenheit mit den USA, die er als seine zweite Heimat und Säule des Erfolgs betrachtete.
Die Individualisierung des Gucci-Modells erfolgte übrigens nicht direkt bei Cadillac in Michigan, sondern von einer im Miami ansässigen Firma durchgeführt. Auch die weltweite Vermarktung erfolgte exklusiv über einen Händler in Florida. Mit einem Grundpreis von 19.900 US-Dollar lag der Gucci Seville gut 7.000 US-Dollar über dem Standard-Modell – eine stolze Differenz, die markenbewusste Cadillac-Kunden aber ohne Bedenken aus ihren Geldklammern lösten. Schließlich war im Preis auch ein komplettes und farblich abgestimmtes Reisegepäck-Set enthalten, in dem Sam „Ace“ Rothstein und seine Film-Ehefrau Ginger (alias Sharon Stone) nicht nur die Gucci-Garderobe, sondern auch die Casino-Einnahmen hätten stilvoll transportieren können. Angesichts des explosiven Schicksals hatte Scorsese mit seiner Wahl des Eldorado vielleicht doch nicht ganz unrecht: Um den Gucci Seville wäre es doch sehr, sehr schade gewesen.
Drei Jahrzehnte nach dem Seville wurde im März 2011 dann ein weiteres, denkbar konträres Gucci-Mobil präsentiert: Der Fiat 500 by Gucci stammte aus Italien und setzte statt auf Straßenkreuzer-Dimensionen eher auf urbane Mobilität im Retro-Look und kompakten Lifestyle. Wer den modischen Cinquecento einmal genauer Betrachtet, findet im Detail jedoch zahlreiche Parallelen zum "Big Daddy" aller Designer Cars.
Text: Jan Baedeker
Fotos: GM