Wem herkömmliche SUVs bisher zu klobig erschienen, Limousinen zu bieder und Coupés zu unpraktisch, der wird den neuesten Lückenfüller von BMW lieben. Der BMW X6 zielt genau auf die Marktnische, von der wir bis vor kurzem nicht einmal wussten, dass es sie gibt.
Ein SUV als Coupé, wozu? Eine Frage die sich im Heimatland des neuen X6 wohl kaum einer stellt. Dort, im amerikanischen Spartanburg, ist der Neue einfach nur „wonderful“. Mit seinen 4,87 Metern Länge und einer üppigen Breite von 1,98 m fällt er zwischen den Half Trucks und King Size-SUVs lediglich durch seine Form, nicht aber durch seine Größe auf. In Deutschland dürfte dem X6 hingegen mehr Aufmerksamkeit zu Teil werden. Das jüngste Mitglied der X-Familie steht auf seinen serienmäßigen 19-Zöllern und mit einer extrem breiten Frontansicht betont maskulin auf der Straße. Dazu trägt auch die geduckte Haltung des Greenhouse bei, die in Verbindung mit der abfallenden Dachlinie dem X6 ein gedrungenes Äußeres verleiht. Ungewöhnliche Ansichten für ein SUV, aber etwas Show ist bei diesem BMW durchaus gewollt und so kommt es, dass die eingangs gestellte Frage schnell zur Nebensächlichkeit verkommt.
Ob der neue X6 unter dem Blech genauso verführerisch ist, haben wir bei ersten Testfahrten durch South Carolina überprüft. Um es vorwegzunehmen: Wer angesichts der üppigen Breitreifen und der rustikalen Erscheinung glaubt, der X6 sei der richtige Partner für eine Geländepartie, der irrt. Zwar verspricht der Hersteller eine Watttiefe von 50 cm, jedoch dürfte angesichts der Hochgeschwindigkeitsreifen und der insgesamt niedrigen Bodenfreiheit bereits kurz hinter der heimischen Rasenkante Schluß sein mit der Expedition. Aber wenn man es genau nimmt, wurden ja auch die über 500.000 bisher gebauten BMW X5 nicht für Saharaexpeditionen und Urwalddurchquerungen missbraucht sondern versahen ihren Dienst unauffällig zwischen Supermarkt und Fitnesscenter.
Gelände nein, Straße dafür aber umso mehr. Und wie. Der exklusiv für dieses Modell neu konstruierte 4,2 Liter V8-Biturbomotor zeigt bereits kurz nach dem Anlassen, wie man die 2,2 Tonnen des X6 nachhaltig beschleunigt. Unter dem Stakkato des typischen 8-Zylindersounds aus den beiden verchromten Auspuffrohren drückt der vollständig aus Leichtmetall gefertigte Kraftprotz das viertürige Coupe dermaßen vehement voran, dass so manchem bizepstrainierten Sportwagen die Kolben kullern dürften. 5,4 Sekunden stehen am Ende für den Sprint auf 100 km/h auf der Uhr. Angesichts der Masse des neuen X6 ein beachtlicher Wert, zumal der Punch bis weit darüber anhält.
Technisch zieht BMW dafür alle Register. So versorgt je ein zwischen den Zylinderköpfen liegender Turbolader eine Zylinderbank mit zuvor gekühlter Frischluft. Die Abgase werden dann von den ebenfalls im V des Achtzylinders liegenden Katalysatoren gereinigt abgegeben. Der Vorteil dieser Neukonstruktion besteht in einem dem Saugmotor identischen Ansprechverhalten und einer optimalen Abgasnachbehandlung. Dass für diese Bauweise die komplette Motorgeometrie umstrukturiert werden musste, belegt den hohen Anspruch, den BMW an dieses Aggregat hat.
Gleichzeitig sorgt aber auch ein Bündel von Maßnahmen auf der Kraftübertragungsseite für ein optimales Fahrvergnügen. So wurde das mit permanentem Allradantrieb ausgerüstete Sechs-Gang- Automatikgetriebe nochmals in das Fitnesscenter von ZF geschickt. Ziel war es dabei, die Schaltzeiten zwischen den einzelnen Gängen zu verkürzen und das Powererlebnis noch eindrucksvoller zu gestalten. Auf der abgesperrten Rennstrecke kann man dies gut nacherleben. Mit traumwandlerischer Sicherheit trifft der Automat stets den richtigen Gang, sodass auch geübte Fahrer an den serienmäßigen Schaltpaddels am Lenkrad kaum Verbesserungen erreichen können.
Dass bei einem derart ausgeklügelten System Fahrwerk, Lenkung und Bremsen nicht hinten anstehen können, versteht sich von selbst. Viele aus dem aktuellen X5 (E70) bekannten Elemente wurden in verfeinerter Form übernommen. So steuert die Elektronik das x-Drive genannte Allradsystem von BMW im Sinne noch größerer Fahrstabilität noch aufwendiger als bisher an. Diesem unter dem Begriff Dynamik Performance Control zusammengefaßte Paket verdankt der X6 eine überraschende Handlichkeit, vor allem in schnellen Wechselkurven.
Als weiterer Bestandteil der aktiven Fahrsicherheit verfügt die Bremsanlage neben dem obligatorischen ABS, der Bergabfahrhilfe HDC und der Anhängerstabilisierung nun auch über die Möglichkeit, durch gezieltes Abbremsen von einzelnen Rädern die Stabilität in Kurven zu erhöhen. Nebenbei bietet die großzügig ausgelegte Anlage ausreichende Reserven, um den X6 im Notfall sicher zum Stehen zu bringen.
Sollte es dennoch einmal eng werden, hat BMW den neuen Allradler mit einer hochstabilen Sicherheitskarosse nebst acht Airbags ausgerüstet. Im Bereich der aktiven Sicherheit bietet der X6 zusätzlich serienmäßig Bi-Xenonscheinwerfer, verschiedene Rückhaltesysteme und eine ausgeklügelte Komfortelektronik, die den Fahrer beispielsweise durch automatisches Einschalten des Fahrlichts oder Abblenden der Spiegel bestmöglich entlastet.
Diesen Zweck verfolgt auch der großzügige Innenraum, der vier Personen optimale Einstiegs-und Sitzverhältnisse bietet. Einzig die Rundumsicht zum Parkieren könnte besser sein, weshalb die angebotene Rückfahrkamera ein Muss auf der Ausstattungsliste sein sollte. Wer bei dem Grundpreis von 73.800 Euro noch ein paar Euro übrig hat, kann diese angesichts des üppigen Verbrauches von um die 15 Liter Superplus entweder in das heimische Sparschwein stecken oder aber – die Lösung für Besserverdiener – in die adrette Ledergarnitur samt lederbezogener Schalttafel investieren. Denn dann wird aus dem adretten Muskelprotz auch im Innenraum eine American Beauty.
Text: Sven Jürisch
Fotos: Sven Jürisch / BMW
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