Im Frühjahr war der BMW X1 für Classic Driver als Produktions- und Reisewagen zwischen München und den Südtiroler Alpen im Einsatz. Hinter den Kulissen unserer Dreharbeiten spurtete das neue Light-SUV von BMW die Berge hinauf, transportierte sperrige Requisiten und übte sich in maßvollem Kraftstoffkonsum. Welche Talente außerdem im Grenzgänger stecken, erläutert unser Praxistest mit dem Diesel-Topmodell BMW X1 xDrive23d.
Der BMW X1 ist eine dieser neuen Fahrzeuggattungen, die man nicht so recht einordnen kann. Ähnlich wie sein großer Bruder, der 5er Gran Turismo, ist der X1 ein Hybrid aus verschiedenen Fahrzeugkonzepten. Kritisch betrachtet: nicht Fisch und nicht Fleisch. Positiv gesehen: Vielleicht ein kleines Multitalent? Auf den ersten Blick scheint der BMW X1 gedrungen, so als würde man einen Geländewagen auf zu kleine Räder stellen. Dennoch wirkt das Auto durch seine hoch ragende Karosserie stattlich, aber keinesfalls behäbig wie der große Bruder X5. Das Blech der Seitenpartie ist so konturiert, dass es dem X1 eine Dynamik verleiht, die deutlich an den 1er erinnert. Unterstrichen wird der sportliche Eindruck von zahlreichen Elementen im Aluminium-Look.
Noch weiter abgesackt als die Karosserie scheinen das Cockpit beziehungsweise die Sitze zu sein. Denn über alles erhaben fühlt man sich im BMW X1 nicht, eher behütet. Sprichwörtlich: Wie in einem Panzer. Die Motorhaube verläuft gefühlt nur knapp unter Augenhöhe. Dass dadurch die Übersichtlichkeit vor allem beim Einparken zu wünschen übrig lässt, bügelt heutzutage immerhin die elektronische Parkhilfe wieder aus.
Das Armaturenbrett des X1 folgt der sportlichen Linie und wirkt – BMW-typisch – vor lauter Aufgeräumtheit geradezu spartanisch. Wenig Schnickschnack, dafür der mittlerweile bewährte iDrive-Regler auf der Mittelkonsole. Für die zumeist junge Zielgruppe, die BMW anpeilt, verfügt der X1 optional über eine USB-Schnittstelle für den MP3-Player inklusive praktischer Halterung an der Mittelkonsole. Die simpelsten Kommandos erteilt man der Audio-Anlage über das Dreispeichen-Multifunktionslenkrad, das gegen Aufpreis erhältlich ist.
Unsere Requisiten finden im gesamten Fond des X1 Platz. Mit umgelegter Rückbank wächst das Fassungsvermögen von 420 auf beachtliche 1.350 Liter und bietet reichlich Stauraum für Skier, Snowboards und alpines Zubehör. Für einen Wochenendausflug mit mehr als zwei Personen überzeugt der X1 mit angemessenem Sitzkomfort sowie entsprechender Beinfreiheit im Fond. Gegen Aufpreis gibt es einen praktischen Skisack zum Durchreichen von bis zu vier Paar Ski oder zwei Snowboards.
Konsequenten Vortrieb verspricht die Antriebskomponente unseres BMW X1 xDrive23d: Sein 2,0 Liter Bi-Turbodiesel leistet 204 PS bei 4.400/min und ein Drehmoment von 400 Nm bei 2.000 bis 2.250 Nm. Die Kraft überträgt die Sechsgang-Automatik dank xDrive an alle vier Räder. Dass die Einstiegsversionen 18i, 18d und 20d serienmäßig nicht mit Allradantrieb, sondern mit Heckantrieb ausgeliefert werden, unterstreicht das unkonventionelle Konzept des X1. Und ist eine Konsequenz auf die Bedürfnisse der meisten Kunden, ihren „Off-Roader“ ausschließlich on-road zu bewegen. Bei unserer 39.100 Euro teuren Top-Variante ist das xDrive serienmäßig an Board – dem Prestigefaktor und schlupffreien Antrieb zuliebe.
Der kompakte Zweilitermotor schiebt den BMW X1 zwar nicht brachial, aber immerhin souverän nach vorn. Auf dem Datenblatt ist eine kurze Spurtzeit von 7,3 Sekunden für Null bis 100 km/h angegeben. Im 1.670 Kilogramm schweren X1 fühlt sich die Beschleunigung jedoch eher komfortabel als sportlich an. Doch wer das gewohnt „knackige“ BMW-Sportlenkrad in den Händen hält und die Sechsgang-Automatik über die Schaltwippen bedient, kann sich einer sportlichen Fahrweise kaum entziehen. Die Kurvendynamik des X1 bringt schlussendlich den ersehnten Kick: Während sich die grobstolligen M+S-Reifen auf den knochentrockenen Serpentinen eisern in den Asphalt krallen, werden wir eine Etage höher ordentlich in die Sitzwangen gepresst.
Bei unserer dynamischen Berg- und Talfahrt gönnt sich der X1 xDrive23d knapp über acht Liter Treibstoff. Bei gezügelter Fahrweise unterbietet der Zweilitermotor im Praxistest diesen Wert um etwa einen Liter und verfehlte damit knapp die Herstellerangaben von durchschnittlich 6,3 Liter auf 100 km.
Fazit: Man muss sich schon von automobilen Traditionen lösen können, um Fahrzeuge wie den BMW X1 zu mögen. So, wie eine Limousine heute auch ein Coupé sein kann oder ein Geländewagen zugleich als komfortables Reisemobil dient, vereint der BMW X1 Geländetauglichkeit und Reisekomfort mit den Talenten einer sportlichen Kompaktklasse – und das äußerst überzeugend. Unser BMW X1 xDrive23d jedenfalls hat sich dann doch als kleines Multitalent bewiesen.
Text: Jan Richter
Fotos: Nanette Schärf
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