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BMW 635d

Übe Verzicht! So lautet das Postulat dieser Tage. Weniger ist schließlich mehr. Sehr gerne: Wir verzichten freiwillig: auf zwei Türen, auf hochoktonanen Super-Kraftstoff. Ein Acht- oder gar Zwölfzylinder? Nicht nötig, sechs Zylinder reichen und 6,9 Liter Durchschnittsverbrauch auf 100 Kilometer auch. Tatsächlich: Classic Driver fährt Selbstzünder - aber was für einen! 286 PS und 580 Newtonmeter Drehmoment klingen überzeugend. Und das in einem Coupé großer Klasse. Der BMW 635d - ein Sechser, der glücklich macht.

Es geht auch anders! Dieser Einsicht scheint BMW spätestens seit den Linienentwürfen von Chef-Couturier Chris Bangle konsequent zu folgen – mit Erfolg: BMW fährt von einem Absatzhoch zum Nächsten. Dank progressiv schlüssigem Design, den richtigen Fahrzeugmodellen zur richtigen Zeit und dank wirksamer und sparsamer Motoren. Der große 6er macht da keine Ausnahme. Als erstes Fahrzeug in diesem Segment hat das stattliche Coupé einen Dieselmotor im Wagenbug. Dreieinhalb Liter vermutet man bei der Typisierung, tatsächlich aber sind es nur 2.993 Kubikzentimeter Hubraum. Der Dreiliter könnte unter Leistungsgesichtspunkten aber glatt als 3,5 Liter Motor durchgehen. Ein famoses Aggregat: ein Reihensechszylinder mit variablem Twin-Turbo, Vollaluminium-Kurbelgehäuse und Common-Rail-Einspritzung der dritten Generation.

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München, Milbertshofen. Direkt unter dem halb gläsernen, halb metallischen Doppelkegel der neuen BMW Welt parkiert der 6er. In Tiefseeblau und sattelbraunem Leder ist der GT scheinbar genau der fehlende Protagonist, welcher dem Bau des Wiener Architekturbüros Coop Himmelb(l)au seine automobile Bestimmung schenkt. Der Gran-Turismo ist würdiger Repräsentant der Neuauflage der beiden mehr als 75.500mal produzierten Modellvarianten BMW 6er Coupé und 6er Cabrio. Sein Anspruch ist nicht geringer, als der technologisch und fahrdynamisch führende 2+2 Sitzer im Luxussegment zu sein. Das ist hoch gegriffen und doch berechtigt. Wer einmal die potenten BMW M6 Varianten bewegt hat, weiß aus eigener Erfahrung, in welch einsamer Klasse die großen BMW spielen. Das M6 Coupé ist ein hedonistisch zeitloser Katapult, der in kundiger Hand virtuos einen wahren Flow von Endorphinen bewirkt. Das M6 Cabriolet gebiert sich genießerisch als opulent bemessene Fahrmaschine für die Avantgarde, denen ein Porsche Cabriolet einfach etwas zu normal ist. Der 635d – das ist die neue Vernunft in einer ganz und gar unvernünftigen Fahrzeugform: dem Coupé.



Wenn man sich dem 6er nähert, könnte man glauben, dieser Wagen sei schon ewig Bestandteil der BMW-Fahrzeugpalette, so schlüssig und konsequent BMW-typisch fährt er vor. Die Tradition des Gran-Turismo in einer 70-jährigen Geschichte, angefangen beim BMW 327/28 Coupé, über den 3200 CS, den 3.0 Csi bis zum BMW 635 Csi und der 8er Reihe lebt hier ganz offenkundig fort. Das Exterieurdesign im aktuellen Modelljahrgang des 6ers wurde behutsam akzentuiert. Geblieben ist die skulpturale Form mit umlaufenden Linien, fließend miteinander verbundenen Flächen und einer dynamisch gestreckten Silhouette. Vorne sorgt eine Lichtkante für die Illusion einer breiteren Spur. Auch der Lufteinlass ist größer. Blinkzeichen geben jetzt LED-Einheiten. Die Coronaringe der Bi-Xenon-Doppelrundscheinwerfer schärfen den Blick und glänzen mit der neuen Tagfahrlichtfunktion.

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Die Fahrertür mit rahmenloser Fensterscheibe schwingt auf. Großzügige Proportionen erlauben einen eleganten Einstieg. Das Innenraumdesign greift das Spiel aus fließenden Linien und gespannten Flächen auf. Weiches Leder mit seidenmattem Griff löst sofort ein Ur-Gefühl verlässlicher Geborgenheit aus. Ins Auge fallen die längs geschliffenen und polierten Aluminiumzierteile. „Chrome Pearl Grey Design“ heißt das bei BMW. Auch die Haptik enttäuscht nicht. Die Bedienelemente sind auf das Wesentliche reduziert und sitzen da, wo man Sie als Fahrer erwartet. Auch der iDrive Zentralknopf gibt wenig Rätsel auf. Dennoch verlangt es einige Übung, mal eben vom Navigationsmenü zum Radio-Suchlauf hinzudrehen und zwischendrin die Luftzufuhr zu regeln.

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Der Zündschlüssel rastet ein. Gestartet wird per Knopfdruck. Der Motor reagiert sofort: doch von wegen unkultiviertes Dieselrasseln oder -klappern. Kein rallendes Lärmen, sondern subtiler Drehzahlklang dringt an das Ohr. Akustisch beherrscht dieser Diesel sein Fach. Es geht raus aus München in Richtung Stuttgart, Landstraßen locken. Der 6er drängt nach vorne. Mit bulliger Kraft, dabei doch sensibel reagierend, schiebt der Motor das Coupé nachdrücklich nach vorn. Die Leistungsentfaltung in diesem Zweitonner wirkt geradezu spielerisch und begeistert bei jedem Gasstoß. Möglich macht dies ein Common-Rail-Einspritzsystem und eine doppelte Turboaufladung mit zwei Ladern unterschiedlicher Größe – Variable Twin Turbo, kurz VTT System genannt. Bei niedrigen Motordrehzahlen wird zunächst der kleine Lader aktiv. Aufgrund des geringen Trägheitsmomentes entfaltet er seine Wirkung schon bei leichtem Gasbefehl. Mit steigender Drehzahl schaltet sich der größere Lader hinzu. Bereits bei 1.750 Umdrehungen liegt das maximale Drehmoment an.



Rechts ab auf die A7. Ab jetzt geht es aufwärts – in den Norden nach Hamburg. Ein kurzer Stau noch, danach ist die Bahn frei und trocken. In 6,3 Sekunden spurtet der Diesel-6er aus dem Stand auf 100 km/h, erreicht ohne Mühen die auf 250 km/h begrenzte Höchstgeschwindigkeit. Bei 4.400 Touren sind alle 286 PS am Werken. Das Vollaluminium-Fahrwerk harmoniert so souverän mit der Sechsgang-Sportautomatik, dass die fein gearbeiteten Schaltwippen zum Beiwerk werden. Dazu die anderen elektronischen Annehmlichkeiten – allesamt Sonderausstattungen: Head-up Dislplay, Tempomat mit aktiver Geschwindigkeitsregelung und automatischer Abstandsregelung dank Radartechnik, Wankstabilisator DynamicDrive, vibrierende Spurverlassenswarnung, Aktivlenkung und adaptives Kurvenlicht sorgen für sicheres und entspanntes Reisen.

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Und sparsames dazu: mit Bremsenergie-Rückgewinnung und vorausschauender Fahrweise soll ein Durchschnittsverbrauch von 6,9 Litern Diesel auf 100 Kilometern möglich sein. Unser Testverbrauch lag um einen Liter höher, was aber immer noch einen guten Wert in dieser Fahrzeugklasse darstellt. Sparsam und doch luxuriös elegant ist das Reisen im 635d Coupé gleichwohl nur auf den vorderen Sitzplätzen. Der Einstieg in den Fond ist für groß gewachsene Menschen kein Vergnügen und das lange Sitzen auch nicht. Dafür bietet der Kofferraum genug Platz für reichlich Gepäck – nicht nur für eine Reise quer durch Deutschland. In der Grundausstattung kostet der 635d inklusive Mehrwertsteuer 72.500 Euro. Gut 90.000 Euro kommen mit den Sonderausstattungen unseres Testfahrzeugs zusammen. Und auf diese wird man nur ungerne verzichten. Damit ist deutlich: das Motto „Weniger ist mehr“ stimmt nicht immer. Das volle Programm Fahrfreude und Eleganz hat auch im 635d seinen Preis.

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Text & Fotos: Mathias Paulokat


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