Aller guten Dinge sind drei! Ab Mitte Mai bereichert BMW seine Produktpalette um die dritte Generation des 5er Touring. Befürchtungen, BMW würde bei der Gestaltung der Heckpartie seiner provokanten Designlinie allzu treu bleiben, ließen sich unlängst dementieren. Gediegen wirkt das Heck des Premium-Kombis und verleiht der Karosserie ein harmonisches Profil. Dass sich der neue Touring nicht nur auf ein gepflegtes Äußeres reduziert, bewies eine erste Testfahrt...
Wir nehmen Platz im 545i, dem Topmodell der 5er-Reihe. Der erste Blick auf den Armaturenträger zeigt eine aufgeräumte, übersichtliche Kulisse – kein Wunder, seit Erfindung des iDrive, mit welchem der Fahrer das Management nahezu über das gesamte Technik-Paket übernimmt. Wir sind mit dem großdimensionierten Multifunktionsschalter aus gebürstetem Aluminium nicht vertraut, also bleibt uns nichts anderes übrig, als vor Beginn der Tour einen Crashkurs für eine halbwegs sichere Bedienung vorzunehmen. Technikfremden Erstnutzern empfehlen wir hierbei einen Griff zur Bedienungsanleitung. Unter höchster Konzentration haben wir nach etwa 15 Minuten die wichtigsten Funktionen des iDrive gelernt - Radio, „Navi“, Klimaautomatik und Telefon zeigen wahlweise im 8,8-Zoll-Farbdisplay die gewünschten Informationen an.
Beim Starten der Zündung erscheint im Sichtfeld des Fahrers, im Bereich Anfang der Motorhaube, das bekannte Head-Up-Display. Um alle angezeigten Daten vollständig überblicken zu können, muss der Fahrer allerdings eine relativ hohe Sitzposition wählen. Kein Problem, es lohnt sich, denn das digitale Datenblatt beweist sich als geniale Erfindung. Es zeigt dem Fahrer auf Wunsch eine Vielfalt an Informationen an, wie Geschwindigkeit, Routenführung, Kraftstoffverbrauch und vieles mehr. Durch die niedrige Position schränkt es die Sicht des Fahrers niemals ein. Falls das Auge aufgrund der Lichtverhältnisse doch zu sehr abgelenkt wird, lässt sich die Leuchtkraft entsprechend dosieren.
Vom BMW-Fahrerzentrum München aus fahren wir über die Autobahn A8 in Richtung Salzburg. Der leistungsstarke Achtzylinder des 545i reizt zum Gasgeben. 333 PS kombiniert mit 540 Nm beschleunigen rund 1.800 Kilogramm Kombi souverän über den Asphalt. Die Geräuschentwicklung reicht, je nach Gaspedaldosierung, von kaum vernehmbar bis leicht haarsträubend. Im angewählten Sportmodus der serienmäßigen Sechsgang-Automatik zeigt der Familienkombi seine aggressive Seite. Schaltübergange absolviert das Getriebe ohne Luft zu holen.
Wenige Passagen auf der Autobahn erlauben es uns, den 5er auszufahren. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h - elektronisch abgeriegelt - saugt das sportlich-abgestimmte Fahrwerk den 5er wie ein Magnet an die Fahrbahn. Bei dieser sportwagenähnlichen Coolness vergessen wir beinahe, dass der erreichte Geschwindigkeitsbereich im regen Berufsverkehr der A8 mit Vorsicht zu genießen ist. In brenzligen Situationen ist jedoch auf die leistungsstarke Bremsanlage Verlass, die den Touring immer und immer wieder souverän bändigt.
Um nicht in falsche Versuchungen zu kommen, schalten wir auf geschwindigkeitsbegrenzten Abschnitten die Active Cruise Control, kurz ACC, ein. Anders als bei einem herkömmlichen Tempomaten reguliert dieses System nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch den Abstand zum Vordermann – ein Gefühl wie in der ersten Fahrstunde und ganz nebenbei ein äußerst komfortables Sicherheits-Feature. Ebenfalls geschwindigkeitsrelevant arbeitet die BMW Aktivlenkung. Und zwar, indem sie Lenkübersetzung und Lenkniveau dem jeweiligen Tempo anpasst. In einfachen Worten: Bei steigender Geschwindigkeit wird die Lenkung indirekter abgestimmt. Spürbar direkter arbeitet die Lenkung bei langsamer Fahrt oder beispielsweise beim Einparken. Dann reichen dem 5er knapp zwei Lenkumdrehungen um die Räder von ganz rechts bis ganz links und umgekehrt einzuschlagen – am besten vergleichen Sie diesen Wert einmal mit dem Ihres Fahrzeugs.
Wir verlassen die Autobahn und fahren auf schmalen, kurvenreichen Bergpässen in Richtung Wolfgangsee. Trotz nasser Fahrbahn und ambitioniertem Fahrstil bleibt der Touring absolut beherrschbar. Das eingeschaltete DSC (Dynamic Stability Control) verhindert unerwünschte Drifts und hält den 5er sicher in der Spur. BMW, Freude am fahren - der 5er Touring manifestiert den Claim der Münchener!
Nach erfolgreicher Testfahrt entdecken wir die praktische Seite des 5er Touring. Im Vergleich zum Vorgänger haben die Münchener mit dem neuen Modell ein echtes Raumwunder geschaffen und es zusätzlich mit raffinierten, komfortablen Features ausgestattet. Die Liste beginnt mit der via Fernbedienung am Schlüssel oder leichtem Antippen des Klappengriffs zu öffnenden Heckklappe. Der schnelle Zugang zum Heckabteil erfolgt auch beim neuen Touring über das Öffnen der Heckscheibe. Bei beiden Varianten schiebt sich automatisch das Abdeckrollo zurück; beim Schließen muss dieses jedoch manuell zurückgezogen werden. Ein weiterer Clou ist der abschließbare Kofferraumboden, der nach dem Öffnen mit Hilfe von Gasdruckfedern selbstständig seine Position hält. Nun kann der Fahrer völlig stressfrei das darunter liegende Staufach für Kleinteile erreichen oder zum Notrad greifen.
Trotz des neuen Raumvorteils im Heckbereich – im Vergleich zum Vorgänger um satte 90 bis 125 Liter (bei Verzicht auf das Notrad und stattdessen Runflat-Bereifung) – bietet sich für die Passagiere im Fond eine Beinfreiheit auf Oberklassenniveau. Wer mehr als beispielsweise vier 46 Zoll große Golfbags im Touring verstauen möchte, kann das Ladevolumen durch Umklappen der Fondsitze von 500 bis 535 Liter auf 1615 bis 1650 Liter erweitern. Dank der serienmäßigen Niveauregulierung mit Luftfederung an der hinteren Radaufhängung lässt sich der Touring nun nach Herzenslust beladen – und zwar bis maximal 600 kg – ohne dabei seine Haltung zu verlieren.
Entspannt und mit überaus positiven Eindrücken treffen wir erneut im BMW-Fahrerzentrum ein. Unser einstimmiges Fazit: Der neue 5er Touring ist ein echtes Multitalent, das viele Komplimente, wie dynamisch, elegant, kraftvoll, komfortabel, oder vielseitig, verdient. Mit diesem Konzept treten die Münchener überaus schlagfertig gegen die Konkurrenz von Audi und Mercedes-Benz an. Wer am Ende die Marktführerschaft übernimmt, bleibt demnach mit Spannung zu erwarten.
Text: Jan Richter
Fotos: BMW Group