Dreißig Jahre nachdem das letzte Modell der legendären BMW 02-Serie vom Band gelaufen ist, präsentieren die Weißblauen mit dem 1er Coupé einen Nachfolger. Dabei tritt der jüngste Spross der 1er-Familie ein schweres Erbe an. Denn mit der 1966 vorgestellten „Null-Zwo“-Baureihe, spätestens aber mit den Topmodellen 2002ti und 2002 Turbo, meißelte BMW seinen Namen in den Granit der sportlichen Kompaktwagengeschichte. Kein Wunder, denn der turbobeatmete 2002 leistete ganze 170 PS und ambitionierte Piloten konnten mit einer Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h über die Autobahn donnern - für Mitte der 70er-Jahre fast schon eine obszöne Leistung.
Nicht mit einem, sondern gleich mit zwei Truboladern haben die BMW-Ingenieure das 3-Liter-Aggregat des 135i versehen. Allerdings verzichtete man auf den beim 2002 Turbo sehr beliebten, in Spiegelschrift verfassten „Turbo“-Schriftzug auf dem Frontspoiler. Zu Recht, denn der kleine „Bayernblitz“ verbirgt seine außergewöhnliche Fahrleistung in einem auf Understatement getrimmten und zugleich sportlich anmutenden Blechkleid. Die Frontpartie lässt eindeutig die Familienzugehörigkeit zur 1er-Reihe erkennen: Die Gestaltung des Kühlergrills mit der Doppelniere und die Scheinwerfer sind identisch. Der kurze vordere Überhang, die lange Motorhaube und der gestreckte Radstand spiegeln eine moderne Interpretation der 2002-Serie wider. Das knackige Heck und die plusternden Radhäuser weisen auf athletisches Fahrvergnügen hin. Diese Schlagrichtung unterstreicht eine kleine Lippe am Heck des schnellen Teutonen.
Allerdings polarisiert das Team um BMW-Markendesignchef Adrian van Hooydonk erneut bei der Gestaltung des 1er Coupés. Als „grauslich“ empfinden viele die lichtbrechenden Kanten und die bauchigen Linien, andere sehen darin der „Designweisheit“ letzten Schluss. Glücklich geeint werden die geteilten Meinungslager allerdings durch die Freude, die der agile Kleinwagen erzeugt, sobald man hinter seinem Steuer sitzt und sich von der Leistung des Reihensechszylnder-Twinturbos beeindrucken lässt.
„The Ultimate Driving Machine“, mit diesem Claim wurde schon in den USA und im Vereinigten Königreich für die 1er Coupé Vorfahren geworben. Ob auch der „Neue“ diesem Anspruch gerecht wird, konnte eine PS-hungrige Meute von Journalisten auf der schwedischen Insel Gotland überprüfen. Warum präsentiert man ein gar sportliches Vehikel in einem Teil Europas, auf dessen Straßen lediglich eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h erlaubt ist? Der Grund ist eine veritable, neue Rennstrecke – der Gotlandring. Auf dem Track fühlt sich der flinke Bayer pudelwohl und es macht richtig Spaß, seinen 306 Pferdestärken die Sporen zu geben.
Beeindruckend ist das Ansprechverhalten des 135i Coupés.
Bereits ab 1.300/min steht das maximale Drehmoment von satten 400 Newtonmetern zur Verfügung und lässt den harten Tritt auf das Gaspedal zu einem Beschleunigungsrauch a là Cayman S werden – nur noch schneller. Brauch der kleine Bayer für den Sprint 0,2 Sekunden weniger. Diese sonst nur von durstigen, deutlich hubraumstärkeren Saugmotoren bekannte Leistungscharakteristik verdankt der flinke Dreitürer der Twin-Turbo-Technologie. Dabei beatmen zwei gekoppelte Lader, jeweils drei Zylinder mit komprimierter Luft. Das geringe Trägheitsmoment der vergleichsweise kleinen Turbinen trägt sein Übriges zur Vermeidung des berüchtigten „Turbolochs“ bei.
Nach etwas mehr als fünf Sekunden passiert die Nadel die 100 km/h-Marke und marschiert fröhlich weiter in Richtung der 280 auf dem Tacho. Leider wird der schnellen Pace bei 250 km/h eine elektronische Grenze gesetzt, allerdings spürt man, dass der Wagen an diesem Punkt noch über einige Reserven verfügt.
Diese erlaubte Form des Doppeldopings geht direkt auf den Fahrer über. Die sechsgängige Klaviatur des sportlich abgestimmten Schaltgetriebes sorgt für ein sich wiederholendes „sforzato“ des PS-Orchesters, sodass es richtig Freude macht, hinter dem ledernen Sportlenkrad zu schalten und walten. Bemerkenswert ist auch das Fahrverhalten des 135i. Selbst der von Donnergott Thor verordnete skandinavische Dauerregen brachte den Wagen nicht aus der Spur. Sogar die Konfrontation mit fahrtechnischen Grenzbereichen ließ den süddeutschen Heißsporn kalt. Für diese Linientreue sorgt eine truppenstarke Drei-Buchstaben-Assistenzsystem-Armee, bestehend aus ABS, ASC, CBC und DCS. Interessant ist die Cornering Brake Control (CBC), sie stabilisiert das Fahrzeug beim Bremsen in Kurven – natürlich nur bei Bedarf. Oftmals verlieren auf Sportlichkeit getrimmte „Alltagswagen“ durch den Einsatz allzu vieler elektronischer Helfer an Esprit. Nicht so der 135i, hier hat BMW die Gradwanderung zwischen Sicherheit und Fahrspaß mit Bravour gemeistert und ein kompaktes Coupé vorgestellt, in dem es sich sowohl vortrefflich cruisen lässt, man es aber auch ordentlich Krachen lassen kann.
Das Raumangebot des BMW-Benjamin ist für einen kompakten Dreitürer mehr als angemessen und bietet vier Personen Platz. Die vordere Konsole gleicht in der Anordnung der Anzeigen, Schalter und des optionalen Navigationssystems der Serie. Nur acht individuell programmierbare Funktionstasten weisen auf das erweiterte iDrive-System hin. Dort können besonders häufig genutzte Anwendungen abgespeichert werden. Über eine USB-Schnittstelle lässt sich bequem ein iPod anschließen, den man in einer praktischen Tasche unter der Mittelarmlehne verstauen kann. Der Kofferraum ist absolut Golfbag-geeignet und Dank des optionalen Skisacks steht auch dem Kurztrip auf die Piste nichts im Wege.
Mit dem 135i Coupé kehrt BMW in das Segment der sportlich-kraftvollen Kompakten zurück. Eine Sparte, die für den Konzern einen wichtigen Wendepunkt in seiner Geschichte bedeutete und deren Wiederbelebung längst überfällig war. Wie schon bei seinen Vorfahren, dem 2002ti und dem 2002 Turbo, steht der Fahrspaß im Fokus, den der flotte Bayer definitiv bieten kann. Der Preis von rund 40.000 €, das M Sportfahrwerk ist inklusive, entspricht einem angemessenem Preis-Leistungs-Verhältnis. Für den Hatchback verachtenden US-Markt wird das im Werk Leipzig gefertigte 1er Coupé der Türöffner für „Bimmer“-Fans.
Der „Mini BMW“ tritt mit großen Schritten in die Fußstapfen der legendären 2002-Reihe. Gemessen an seiner Leistung und dem daraus resultierenden Fahrspaß macht dem 1er Coupé so schnell keiner was vor. Allerdings könnte das etwas zu brave Design bei der Legendenbildung hinderlich sein. Es bleibt spannend zu beobachten, wie die Modellreihe angenommen wird.
Text: J. Philip Rathgen
Fotos: BMW
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