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Bertone Pandion: Besucher aus der Zukunft

Alpha Centauri statt Alfa Romeo: Bertone präsentiert zum 100. Alfa-Geburtstag in Genf eine höchst kreative Konzeptstudie im Science-Fiction-Look. In seinem „Algorithmischen Design“ verbindet der Bertone Pandion neueste Trends aus Bionik, digitaler Kunst und organischer Architektur. Als Vorbild für die gewaltigen Tür-Schwingen diente ein Seeadler, das dematerialisierte Heck soll an rasende Pixelstürme und Kometenschweife erinnern.

Mike Robinson scheint ein kreativer Kopf zu sein. Die Konzeptstudie, die der neue Bertone-Designchef nach zweijähriger Abwesenheit auf dem Genfer Salon präsentiert, sprudelt nahezu über vor Inspirationen und Ideen. Natürlich ist das unwirklich anmutende Coupé – im Gegensatz zur Alfa Spider Jubiläums-Studie von Pininfarina – nicht auf eine Umsetzung in der Serie ausgelegt. Weniger hingegen würde es verwundern, den 4,60 Meter langen, nur 1,20 Meter flachen Bertone Pandion demnächst in einer Science-Fiction-Vision aus Hollywood wieder zu entdecken. Das Schlüsselwort zum Verständnis des Designkonzeptes ist „Algorithmisches Design“. Statt sich bei der Entwicklung der Form auf die üblichen 3D-Programme zu verlassen, mit denen Automobildesigner normalerweise ihre Karosserien entwickeln, nutzten Robinson und sein Team ein Programm, mit dem in der experimentellen Architektur organische Bauformen entwickelt werden. Die Arbeitsweise, bei der Naturphänomene durch non-lineare, anti-geometrische Systeme unter Einbeziehung des Zufallsprinzips entwickelt werden, ist laut Bertone näher an der Abstrakten Malerei als am Autodesign angesiedelt.

Die Zielsetzung für sein erstes Projekt bei Bertone war es laut Robinson, ein organisches Ganzes zu schaffen. Als konzeptionelle Grundlage diente das Markenlogo von Alfa Romeo, auf dem eine menschenfressende Schlange einem Kreuz gegenüber gestellt wird. Den Kontrast zwischen technologie und Sinnlichkeit, Rationalität und Instinkt, Architektur und Skulptur, Strukturalismus und Organismus, den man aus dem Symbol herauslesen kann, hat der Designer in seinem Entwurf vereint. In seiner grundlegenden Form entspricht der Bertone Pandion dem klassischen Schönheitsideal eines sportlichen Coupés: Lange Front, weit zurück gesetztes Cockpit, dazu fließende Flächen und muskulöse Linien. Bei der Ausgestaltung wurde es derweil schon experimenteller: In der Frontansicht erinnert der Alfa an den Helm eines altertümlichen Kriegers, der durch schmale Sehschlitze seinem Feind entgegen blickt. Im Kühlermaul sitzen statt des üblichen Mash-Grills tausende ineinander verzahnte Klingen. Auch das sich selbst dematerialisierende Heck, das an digitale Pixelstürme oder den Schweif eines Kometen erinnern soll, um Bewegung zu visualisieren, bricht mit allen Konventionen.

Bertone Pandion: Besucher aus der Zukunft Bertone Pandion: Besucher aus der Zukunft

Prägnantestes Merkmal der Studie ist jedoch das Türkonzept. Nachdem Bertone bereits in den 1970er Jahren mit dem Lamborghini Countach die Flügeltüren revolutionierte, musste für den Entwurf des Jahres 2010 freilich etwas noch Beeindruckenderes entstehen. Als Vorbild diente den Designern ein Seeadler, dessen wissenschaftlicher Bezeichnung Pandion Haliaetus die Studie auch ihren Namen verdankt. Ähnlich einem Raubvogel erhebt der Prototyp also seine Schwingen: Die gesamte Seitenfläche des Wagens ist um die Hinterachse herum befestigt und dreht sich beim Öffnen um 90 Grad nach hinten. Mehr als 3,6 Meter stehen die Schwingen wie riesige Hasenohren in die Luft. Im Innenraum empfängt einen nach dem Einsteigen ein eher minimalistischer Glamour: Man nimmt Platz auf einer schwerelos wirkenden Chaise Lounge, die sich durch den Einsatz des neuartigen Werkstoffs Technogel der Physiognomie des Fahrers anpasst. Auch die Ausstattung des Cockpits wirkt überraschend flüssig, wozu sicherlich auch der wie ein blauer Swimmingpool erleuchtete Boden beiträgt.

„Autos funktionieren wie Filme“, erklärt Designchef Robinson schlussendlich, „sie müssen eine Geschichte erzählen, um die Menschen zu überzeugen. Die besten Automobildesigner sind notwenidigerweise auch gute Geschichtenerzähler und ihre Produkte, egal ob Konzeptstudie oder Massenautomobil, reflektieren die Fährigkeit ihres Schöpfers, faszinierende Ideen aus allen Bereichen und Disziplinen zu sammeln und in neue, fesselnde Geschichten zu transformieren. Dies war auch unser Ansatz für den Alfa Pandion“.

Text: Jan Baedeker
Fotos: Bertone




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