In den letzten Jahren schien beim Speed-Wochenende beharrlich die Sonne auf Goodwood. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen. Diesmal versank der Garten von Lord March im Schlamm - ein Erlebnis, das die Besucher des britischen Rockspektakels in Glastonbury nur zu gut kennen dürften. Während die Größen der Musik einige hundert Meilen westlich vor einem völlig durchnässten, aber hingerissenem Publikum aufspielten, gaben sich in Goodwood die automobilen Superstars die Ehre und begeisterten ihre Fans mit dem Sound einer ebenfalls feuchten, aber vielstimmigen Motoren-Symphonie in der Grafschaft West Sussex.
Roaring in the Rain
Mit seinem Fokus auf die große Historie sowie die lebhafte Gegenwart des Automobils hat das Festival of Speed die schmerzliche Lücke, welche die British Motor Show hinterlassen hat, mehr als füllen können. Eine Entwicklung, die sich auch an den vielen Performance-Modellen, die in diesem Jahr beim Festival erstmals gezeigt wurden, ablesen lässt. Trotzdem, so spannend es sein mag, neue Supercars wie einen Ferrari 458 MM, einen Mercedes-Benz AMG GT-R oder den Bristol „Project Pinnacle” beim legendären Hillclimb von Goodwood anzufeuern, Publikumslieblinge bleiben die klassischen Rennmaschinen, die hier ihr seltenes Gastspiel geben. Wo sonst könnte man die Evolution des Ford GT - vom 1964er GT40-Prototyp bis zu den aktuellen Le Mans-Teilnehmern - erleben? Wo sonst würde gleichberechtigt ein Begleittransporter der Rallye Dakar mit zehn Tonnen zusammen mit jedem bedeutenden BMW, Motorsport-Modelle und Art Cars inklusive, vorfahren?
"Nur in Goodwood!"
Durch die Aufteilung in viele unterschiedliche Klassen, fand praktisch jeder Enthusiast ein Spektakel nach seinem Geschmack - dazu muss man auch die Anwesenheit des Ehrengastes und Hollywoodstars Keanu Reeves zählen. Und immer wieder hat Lord March auch Überraschungen parat, bei denen selbst Connaisseure sich fragen müssen: „Was, um Himmels willen, ist denn das?” Zum Beispiel einen Renault Étoile Filante, der immer noch den Weltrekord auf Land hält, den diese Turbinenmaschine 1956 aufgestellt hat. Oder der Lancia LaSupra Marke Eigenbau mit über 900 PS - ein Über-Delta, dessen Besitzer ihn täglich gefahren hat. Eigentlich ist es ja egal, für welches Auto man sich in Goodwood speziell begeistern mag. Was zählt, ist die tiefe Verbindung zwischen Mensch und Maschine, die bei diesem einzigartig erfolgreichen Speed-Festival zelebriert wird. Auch dieses Jahr gab es für Classic Driver diese Momente, die man so eben nur hier bei Gastgeber Lord March erleben kann: Beispielsweise James Hunts Sohn Tom am Steuer des gelben Porsche 911 3.0 RSR zu sehen - jenem Porsche, den der große Hunt als Dienstwagen benutzte. Wunderbar war auch der Ausdruck des Glücks im Gesicht von Gianni Agnellis Enkel Lapo Elkann, der als Beifahrer im feuerspeienden Fiat „Biest von Turin” die Ziellinie passierte. Wir freuen uns schon auf das Festival of Speed 2017, allerdings üben wir vorher noch ein paar beschwörende Sonnentänze ein.
Fotos: Goodwood