Chantilly wirkte, als wäre es über Nacht nach Andalusien verpflanzt worden - so heiß waren die Temperaturen am letzten Wochenende. Doch auch die ungewöhnliche Hitze konnte diesen Ort nicht seines Zaubers berauben.
Wenn Bonaparte auf Bugatti trifft
Den Auftakt bildete am Samstagmorgen im kühlen Schatten des Waldes von Chantilly eine kurze Tour bei der sich so unterschiedliche Autos einreihten wie Bugatti Brescia der Vorkriegszeit bis hin zu modernen Supersportwagen. Mit von der Partie waren auch eine Reihe von Bentley mit dem Spirit von Woolf Barnato an Bord, denn ihre Fahrer hatten der Hitze getrotzt und aus England und Belgien den Weg zu den Gärten des Herzogs von Aumale in Chantilly angesteuert.
Die Route führte weiter zum Château de Compiègne, einst Residenz französischer Royaler wie Kaiser und berühmt als das wohl größte neoklassizistische Schloss der Grande Nation. Ob sich Napoleon Bonaparte über den Besuch von Claudio Rodaros Porsche 917K in Gulf-Farben auf dem edlen Kies vor seinem Anwesen gefreut hätte? Der Prototyp hatte wunderbarerweise eine Straßenzulassung erhalten und meisterte diese Rallye mit Bravour, inklusive mittelalterlicher Kopfsteinpflaster, schmalen Brücken und zahlreichen Fahrbahnschwellen. Für die unzähligen Carspotter, welche die Straßen säumten, war allein dieser Anblick schon ein Fest fürs Auge.
Parade der 100-Jährigen
Bentley blickt in diesem Jahr auf ein Jahrhundert zurück und wird bei den wichtigsten Concours entsprechend gefeiert werden. Natürlich bietet Chantilly den prachtvollen Automobilen mit dem geflügelten B eine gebührende Kulisse: Allein drei Klassen beim Concours d`Etat waren der Marke gewidmet und zeigten Modelle der Vor- und Nachkriegszeit, geschlossen und als Droptop. William E. „Chip” Connor, ein gern gesehener hochkarätiger Concours-Gast hatte ein großartiges Bentley 8-Litre Coupé von 1931 mitgebracht und kehrt erfolgreich nach Hongkong zurück mit „Best of Show” für Vorkriegsmodelle.
Eine andere Marke, die mit dem Buchstaben B beginnt und ebenfalls 2019 zum Hundertjährigen gefeiert wurde, ist Ballot, deren in Paris gebaute Autos von 1919 an sich mit Erfolg Herausforderungen wie dem Indianapolis-Rennen stellten. Ausgerechnet hier auf historischem französischen Boden ging aber Citroën als weiteres Mitglied im Club der Hundertjährigen leer aus. Nur ein Citroën in Form des GS-basierten Konzeptfahrzeug Camargue hatte seinen Moment im Rampenlicht in der Klasse von Autos, die von Marcello Gandini gezeichnet worden waren. Enthusiasten der Marke kamen nur im großzügigen Clubbereich auf ihre Kosten.
Franzosen unter sich
Schien die Klasse „Voisin cars with Voisin coachwork” zunächst wie eine nur Spezialisten vorbehaltene Nische, dann entpuppte sich der superbe Auftritt als beispielhafte Hommage an den Witz und die Vielseitigkeit von Gabriel Voisins Genie. Die Modelle Clairière und Aérodyne hätten beide „Best of Show”-Auszeichnungen verdient.
„Best of Show” für die Nachkriegsära ging in diesem Jahr an ein französisches Automobil, das Eleganz, Seltenheit und eine Fülle exzentrischer Details miteinander verband. Der Talbot-Lago T26GS von 1948 mit Karosserie von Figoni und Falaschi profitierte von einer einmaligen Restaurierung, die all Feinheiten des Designs wie sie vom ursprünglichen Besitzer, einem Reißverschlussfabrikanten, bestellt worden waren, in neuem Glanz erstrahlen ließ. Insgesamt war es eine logische, verdiente und naheliegende Wahl der Juroren.
Klassen zu benennen, ist eine Kunst für sich
Für die Organisatoren ist die Entwicklung der unterschiedlichsten Klassen für einen Concours vermutlich eine anregende wie unterhaltsame Aufgabe, birgt aber ihre Tücken und kann bisweilen zu merkwürdigen Ergebnissen führen. Einige der Klassen, die für Chantilly ausgewählt worden waren, zeigten ausgesprochen außergewöhnliche Fahrzeuge, andere wurden den erwartbaren Ansprüchen nicht gerecht. Die Kategorie japanischer Sportwagen wirkte eher bescheiden und die Facel Vega-Klasse hätte noch ein paar Ergänzungen und mehr Modellvielfalt vertragen. Die Hommage zum 50. Jubiläum des Porsche 917 bot nur drei Exemplare auf. Das dürfte für Peter Auto verblüffend gewesen sein, hatten sie doch auf den Grids im historischen Motorsport weit mehr dieser Legenden begrüßen können.
Rennsport in den Genen
Zwar trägt dieser Concours den Titel „Arts & Elegance”, aber weil Motorsport zur DNA von Peter Auto gehört, zählen Rennwagen seit Jahren zum festen Kern von Chantilly. Da war einmal der Kreis aus Rennwagen von Matra, die zum 50. Jubiläum von Sir Jackie Stewarts erstem Formel 1-Weltmeistertitel gleich am Eingang versammelt worden waren. Kaum zu übersehen war auch die spektakuläre Schau von McLaren-Rennwagen - vom in Le Mans siegreichen F1 GTR bis zum von Richard Mille gesponserten Senna GTR.
Die bunte post-1994-Klasse der Endurance GT zeigte die Fahrzeuge, die uns von Peter Autos Endurance Legends-Teilnehmern gut bekannt sind. Die außergewöhnlichen Grids der Aston Martin-Rennwagen der Nachkriegszeit beeindruckten mit einer LMP1 Lola in Gulf-Farben und weiteren legendären Exemplaren wie dem DB4GT Zagato und ein DBR1 sowie ein DBRS9, den Classic Driver-Händler Dylan Miles ausstellte.
Hier hätte sich der Porsche 917K, ehemals von Graf Rossi, der sich in geradezu atemberaubenden Originalzustand befindet und lange nicht mehr der Öffentlichkeit gezeigt worden war, eine mutige Wahl für „Best of Show” geboten. Zumal Titelsponsor Richard Mille sich dem Rennsport und der DNA der Show verschrieben hat.
Vom Art de Vivre zum Lifestyle
Hatten sich die ersten Schönheitswettbewerbe von Chantilly Arts & Elegance noch ganz der französischen Etiquette und einem strengen Règlement verschrieben, so konnte man in diesem Jahr eine starke Tendenz hin zu einem Lifestyle-orientierten Event beobachten. So wurden Klassiker und moderne Supersportwagen locker gemischt, wobei gerade letztere mit gehörigem Temperament auf dem Schlossrasen vorfuhren.
Erstmals in der fünfjährigen Geschichte des Concours fanden sich mehr moderne Bugatti als Vorkriegsmodelle ein. Pagani nutzte ebenfalls die aristokratische Kulisse von Chantilly, um den 20. Geburtstag des Zonda zu würdigen, während Bentley den neuen Flying Spur auffahren ließ, Ateliers Diva ihr jüngstes Karbonfaser-Coupé zeigte, und daneben der sensationelle Targa, den wir Anfang des Jahres fahren konnten. McLaren entschied sich, im Concours d`Elegance den Speedtail vorzuführen - ein Concours, der Prototypen und Concept Cars mit exklusiver Mode mischte. Eine reife Leistung, denn zur Zeit zeigt die Haute Couture in Paris. Der Speedtail wurde mit „Best of Show” belohnt.
Die Entwicklung hin zu einer Kombination aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft macht strategisch Sinn, denn die Pariser Automesse hat viel von ihrem einstigen Glanz verloren und gleichzeitig ziehen Luxusmarken die Präsentation neuer Modelle in der eleganten und entspannten Atmosphäre einer vornehmen Umgebung vor. Wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bevor sich Chantilly Arts & Elegance dann über zwei Tage erstreckt. Noch steht nichts fest, aber für uns wäre es in diesem Rahmen eine durch und durch angemessene Entscheidung.
Text: Etienne Raynaud / Fotos: Rémi Dargegen