Ehe wir loslegen, noch eine kleine Vorbemerkung zum sich gerade „entspannenden” Markt für Sammlerfahrzeuge aus dem Munde von Stu Carpenter von Copley Motorcars in Massachusetts: „Ich denke, dass der Markt im Lauf der letzten sechs Jahre müde geworden ist. Viele Autos wurden verkauft, einfach, weil sie verfügbar waren - die Liebe der Käufers zu diesen Autos war oftmals nebensächlich. Heute kaufen Leute dagegen nur noch das, was sie wirklich wollen. Äußerliche Einflüsse spielen kaum noch eine Rolle.” In diesem Sinne - hier lesen Sie die Prognosen der Kenner, welche Klassiker man 2017 im Auge behalten sollte.
Der unterschätzte RS
Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass im letzten Jahr das Interesse an Youngtimer-Porsche nach oben geschossen ist. Bestes Beispiel für diesen Trend ist der makellose 993 GT2, der bei RM Sotheby's im September überwältigende 1.85 Million Pfund erlöste. Auch bei unserer Expertenriege ist die Wahl mehrheitlich auf diese Modelle gefallen, vor allem der Porsche 911 / 964 Carrera RS hat es ihnen angetan, auch wenn er nach ihrer Meinung noch unterbewertet ist. „Im Vergleich zum 993 RS schneiden die 964 RS schlechter ab,” findet Porsche-Spezialist Lee Maxted-Page. „Dabei bieten sie das wahre und großartige RS-Fahrerlebnis. Heute werden sie gekauft wie vor zehn Jahren die Carrera 2.7 RS - die Käufer schätzen an ihnen, dass sie fantastische, historisch bedeutsame Fahrerautos sind, wissen aber auch, dass sie in geringen Stückzahlen hergestellt wurden.” Der ebenfalls auf Porsche spezialisierte Manfred Hering von Early 911S ist ebenfalls dieser Meinung. Als Grund für die gestiegene Nachfrage nennt er aber auch die gelockerten Einfuhrbestimmungen in den USA. „Wir haben in den letzten vier Monaten fünf Fahrzeuge nach Amerika exportiert,” erzählt er, „die wenigsten wissen, dass das möglich ist.” Dieses Interesse spiegelt natürlich auch den allgemeinen Markttrend für moderne Supersportwagen. Für Peter Wallman, Europa-Geschäftsführer bei RM Sotheby's, wird sich diese Entwicklung noch weiter verstärken. „Die Lust auf moderne, gut gepflegte Supersportwagen mit wenigen Kilometern und nur einem Vorbesitzer ist momentan außergewöhnlich ausgeprägt. Wir alle wissen, dass die Kunden immer anspruchsvoller geworden sind. Ich denke, dass diese Käufer echte Sammler mit einer Passion für moderne Autos sind.” Simon Kidston von Kidston SA in Genf, der zugleich eine Schlüsselrolle in diesem Markt einnimmt, stimmt zu und findet es wichtig, nicht kurzsichtig zu agieren. „Weil alte Autos teurer sind und der demographische Wandel sich bemerkbar macht, rücken jetzt jüngere Porsche in den Fokus. Aber man wird das Gefühl nicht los, dass jetzt alle auf den Zug aufspringen. Alles dreht sich um Seltenheit und Laufleistung, aber für mich sind das etwas zu naive Kriterien für einen Kauf.”
Ein Aston für Anfänger
Der Trend zu den modernen Klassikern hat auch Aston Martin erfasst. Abgesehen von den V12 Vantage der ersten Generation und den manuell geschalteten DBS wird Markenspezialist Nicholas Mee im neuen Jahr auch den DB9 sehr genau beobachten. Das mag überraschen, weil dieser Aston Martin in hoher Stückzahl gebaut wurde, aber aus Mee spricht hier die Erfahrung. „Als der DB7 vorgestellt wurde, dachten viele Menschen, dass dessen hohes Volumen das Ende exklusiver Astons einläuten würde,” erzählt er. „Wie sich herausgestellt hat, lagen sie falsch. Heute werden Aston Martin DB7 vor allem als Vantage, GT oder Zagato durchaus gesammelt.” Die wachsende Präsenz des Herstellers in neuen Märkten hat auch das Interesse beflügelt. „Aston mag 15.000 Exemplare des DB9 gebaut haben, aber global betrachtet ist das eine exklusive Zahl.” Abgesehen davon, bieten sie mit der aktuellen Preisgestaltung „echte, klassisch proportionierte” Aston Martin, die für viele Käufer erschwinglich geworden sind.
Echte Wildpferde
Wenn Sie denken, dass Sie schon einen zweistelligen Millionenbetrag in die Hand nehmen müssen, um einen Ferrari mit grandioser Rennhistorie Ihr Eigen zu nennen, dann irren Sie! Als Spezialist für hochwertige Rennwagen glaubt Jan B. Lühn, dass die modernen Ferraris, welche für die Langstreckenweltmeisterschaft - vor allem auch als Werkswagen - entwickelt wurden, enormes Potenzial besitzen. „Man wird bald verstehen, dass es sich bei den Rennwagen aus Le Mans um echte Werks-Ferraris handelte, die sich in einem herausfordernden Feld mit anderen Marken messen mussten,” erklärt er. „Vergessen Sie nicht, dass die Teams nur mit zwei oder drei Fahrzeugen für die ganze Saison unterwegs waren - nur gerade einmal 20 Exemplare des 458 GT wurden gebaut, und eine ähnliche Zahl an F430.” Lühn betont auch, dass man nicht eine Truppe von 20 Mechanikern braucht, um diese Autos fahrbereit zu halten. „Sie wurden entwickelt, um 24 Stunden zu halten, das heißt, sie lassen sich relativ unkompliziert fahren und genießen.” Was den zu erwartenden Wertzuwachs betrifft, weiß Lühn, dass man noch gute und ordentliche Fahrzeuge für unter eine Million Euro bekommt. Zumindest noch für eine gewisse Zeit.
Der stille Star
Wer kann jetzt schon mit Sicherheit sagen, ob der Bugatti Veyron irgendwann an den astronomischen Sammlerwert eines McLaren F1 heranreichen wird? Zumindest Tom Hartley Junior lässt sich nicht beirren und setzt auf den französischen Hypercar. „Nur 450 Stück wurden gebaut; der Veyron besitzt vier Turbolader, acht Radiatoren und dazu noch eine Fertigungsqualität, die von keinem Supercar davor noch danach erreicht worden ist,” betont er. „Und doch werden sie günstiger als ein Ferrari F40 gehandelt, von dem 1.300 Einheiten gefertigt wurden - das ist doch unsinnig.” Eine Einschätzung, die von Max Girardo von Girardo & Co geteilt wird - auch für den Londoner Händler ist die geradezu aberwitzige Alltagstauglichkeit ein enormer Pluspunkt. „Das Auto bietet alles und legt dann noch nach. Sollte man einen Roadtrip planen, dann gibt es kein besseres Auto als den Veyron, um komfortabel von London, Paris oder Hamburg nach Gstaad zu fahren.” Allerdings empfiehlt er, sich nach einer Limited Edition oder einem One-Off-Modell umzusehen, denn sie werden in den nächsten Jahren eine immer stärkere Nachfrage erleben. Zusammen mit dem neuen, preiswerten Servicepaket von Bugatti und der baldigen Auslieferung des extrem teuren Nachfolgers Chiron dürfte der Veyron nach Meinung unserer Experten deutlich an Attraktivität gewinnen.
Es lebe der König!
Nachdem eine ganze Reihe von McLaren F1 im letzten Quartal von 2016 neue Besitzer fanden, fragt sich Simon Kidston wieder einmal, ob der legendäre britische Supersportwagen nicht doch der rechtmäßige Erbe des Ferrari 250 GTO ist. „Wir haben uns heuer um den Verkauf von gleich vier F1 gekümmert - das war rekordverdächtig. Und für einen wurde der höchste Preis überhaupt erzielt,” berichtet er. „Letztes Jahr hat RM Sotheby's als Teil der Pinnacle Collection einen modifizierten Straßenwagen versteigert, seitdem nimmt das Interesse an diesen Fahrzeugen rasant zu.” Mit seiner großartigen Renngeschichte, Alltagstauglichkeit, der umfassenden Betreuung durch das Werk und den vielen Events für die Besitzer gewinnt der F1 zunehmend an Attraktivität. Eine Entwicklung, die Kidston zu schätzen weiß, weil er selbst einige Jahre Eigner eines F1 war. Laut Kidston verdankt sich diese Nachfrage auch einer neuen Gruppe von Sammlern. „Sie sind etwas jünger und denken langfristig. Im Allgemeinen kaufen sie keine Bugatti EB110 oder Jaguar XJ220 - sie arbeiten sich nicht von einem unteren Level hoch, sondern steigen gleich ganz oben ein.”
Ein gesteigerter Sinn für Tradition
Was Wertschätzung und Vermarktung der eigenen Tradition angeht, beobachtet Dietrich Hatlapa von der Historic Automobile Group International, dass Hersteller „allmählich in die Gänge kommen.” Vor allem Lamborghini hat seine Abteilung Polo Storica um einige weniger bekannte Modelle aus der Vergangenheit erweitert. „So etwas wirkt sich unmittelbar auf die Präsenz eines Modells aus. Das liegt nicht nur an der PR, sondern auch an der neuen Verfügbarkeit von Ersatzteilen,” erklärt der Experte. „Beispiele wie Islero und Jarama mögen zwar nicht so spektakulär wie Miura oder Countach sein, aber ihre extreme Seltenheit - vom Islero wurden nur 225 Stück gebaut - gleicht das Feld wieder aus. Eine Wahl, die von exquisitem Geschmack zeugt. Gleichzeitig bekommt man einen tollen Zwölfzylinder mit viel interessanter Technik.” Ganz ähnlich urteilt Timm Meinrenken von Thiesen Hamburg: Der gleichermaßen seltene Maserati Mistral ist ein Must-have für alle Enthusiasten der Marke, zumal sich die engagierte Classiche-Abteilung Besitzer unterstützt. „Unangetastete Exemplare sind selten, aber sie sind eine interessante und erschwingliche Alternative zu einem Ferrari derselben Epoche.”
Back to The Basics
Obwohl viele moderne Autos in unserer Liste auftauchen, waren wir angenehm überrascht, als sich Stu Carpenter von Copley Motorcars im US-Bundesstaat Massachusetts für ein Vorkriegsmodell entschied. „Ich bin da ganz alte Schule in meiner Ansicht, dass man den Alfa Romeo 6C 1750 unbedingt im Auge behalten muss,” sagt er. „Der große Zagato und die Touring 8C sind schon am Markt reüssiert, aber die 1750 hinken noch ein wenig hinterher, weil sie als weniger schön wahrgenommen werden.” Obwohl der Gran Sport von Zagato den typischen Look verkörpert, erinnert er zugleich an eine Reihe von interessanten One-Offs, die ebenfalls darauf warten, entdeckt zu werden. „Sie sind selten, historische bedeutsam und nach meiner Meinung sehr attraktiv. Sie werden nicht unbedingt unter Wert gehandelt - ein gutes Exemplar mit überzeugender Geschichte kann an die 3 Millionen Dollar kosten -, aber ich bin sicher, dass die Preise noch weiter ansteigen werden.”
Es geht doch auch ohne Koteletten
Für Simon Kidston bildeten die Siebziger den Abschluss einer sehr anregenden Epoche in der Formel 1, deswegen wecken Autos aus der Zeit der „Schlaghosen und Koteletten” das Interesse der Sammler. „Die Fahrer waren echte Rebellen und hatten Charakter, die Teamleiter waren bunte Gestalten und die Rennstallfarben unvergesslich,” sagt er. „Und die Autos boten wie alle Formel 1-Maschinen absolute Spitzentechnologie. Man könnte auch sagen: Die NASA auf Rädern.” Mehr noch, sie sind, wie Kidston erklärt, im Vergleich zu den monströsen aufgeladenen Nachfolgern der achtziger Jahre einfach im Handling und relativ pflegeleicht. „Man braucht keinen Computer, um sie anzulassen, man hat nicht 1.100 PS im Nacken und man kann sie auf historischen Rennstrecken wie Monaco oder Silverstone einsetzen.” Als Spezialist für Vorkriegs-Bugattis und Rennwagen teilt William I'Anson diese Einschätzung. Er hat beobachtet, dass Drivers' Cars, die ausschließlich für den Motorsport gekauft werden, in Bezug auf Wert und Attraktivität „eine stärkere Wachstumsrate besitzen, als Autos, die rein als Investment oder Spekulationsobjekt dienen.” Er führt noch weiter aus: „Wenn Sie einen Formel 1-Wagen mit DFV-Technologie erwerben, ist Ihnen dieses bedeutende Investment zwar durchaus bewusst, aber Sie haben sich von der Leidenschaft leiten lassen.” In einem wettbewerbsintensiven Markt und mit einer wachsenden Zahl von Events, die auf diese Fahrzeuge zugeschnitten sind, wird die Suche nach den richtigen Exemplaren zur Herausforderung. „Aber wer viel Wumm fürs Geld sucht,” lacht Kidston, „liegt mit diesen Autos goldrichtig.”
Lektion 1: Das Beste der Besten kaufen
Hochwertige Restaurierungen von angesehenen Spezialisten erfordern hohe Investitionen an Zeit und Geld. Deswegen ist James Cottingham von DK Engineering überzeugt, dass Best-of-the-Best-Exemplare beispielsweise beim Ferrari Dino derzeit einen guten Wert versprechen. „Durch die gestiegenen Lohnkosten sowie den teureren Ersatzteilen sind auch die Preise für Restaurierungen gestiegen. Außerdem sind die Besten im Werkstattgeschäft immer ausgelastet,” erklärt er. „Wenn man sich für ein hervorragendes Exemplar wie den Dino entscheidet, dann ist das finanziell vernünftiger, als ein Projektauto zu erstehen, das dann zwei Jahre lang für 200.000 bis 300.000 Pfund plus Mehrwertsteuer aufwändig restauriert werden muss.” Zur Zeit werden sehr gute Autos zu kaum höheren Preisen als unrestaurierte Exemplare gehandelt. Diese Lücke wird nach Cottinghams Einschätzung in der Zukunft weiter wachsen. „Alle Dinos - selbst die gepflegten Modelle - müssen instandgesetzt werden. Die Bandbreite zwischen den guten und den schlechten Autos ist zur Zeit nicht besonders groß.”
Sehr bedeutsame Herkunft
Max Girardo wird 2017 nach Sportwagen der Fünfzigerjahre mit einer großen Rennhistorie Ausschau halten, vor allem jene, die sich bei bedeutenden Wettkämpfen wie der Mille Miglia gute Platzierungen erreichten. „Ich glaube wirklich unter anderem an die niedrigen Lancia Aurelia B20 GT, die sich bei großen Rennen gut geschlagen haben,” sagt er. „Als Marke weckt Lancia ein immer größeres Interesse. Es ist eine anspruchsvolle Wahl, auch wenn das Fahrzeug nicht die Power eines Ferrari besitzt. Aber das innovative Chassis und das Bremssystem sind viel besser, und es ist ein Vergnügen, die Aurelia zu fahren.” Ein weiterer Vorteil dieser Modelle, auf den Peter Wallman hinweist, ist ihre Berechtigung, an historischen Events wie der Mille Miglia teilzunehmen. „Wenn man ein Auto findet, das sich noch in einem vertretbaren finanziellen Rahmen bewegt, man damit den Eintritt zu einem berühmten Event erhält, dann werden sich die Leute wie verrückt darauf stürzen - vor allem, wenn es in der Epoche selbst Teilnehmer war,” erklärt er. „Autos von kleinen, exklusiven italienischen Herstellern wie die Double Bubble-Abarths von Zagato und die Lancias wurden in geringen Stückzahlen gebaut und sind schwer zu recherchieren, aber sie sind Miniversionen der „Big Banger-Ferraris” und man beginnt jetzt, ihre feinen, geradezu delikaten und klugen Gestaltungen zu würdigen.”
Fotos: Verschiedene Classic Driver-Händler