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Aston Martin V8 Vantage



Vergessen Sie den Hype. Vergessen Sie die Wartelisten. Vergessen Sie all die Stapel atemloser Motorprosa. Gerade mal einhundert Meilen auf den Straßen Englands werden ausreichen, Sie zu überzeugen: Der Aston Martin V8 Vantage ist ein Glückstreffer, wahrscheinlich das beste Modell der Markenfamilie und mit Sicherheit der feinste Sportwagen der Welt!

Sehnlich, sehnlicher, am sehnlichsten erwartet. Seit Aston Martin erstmals die Idee eines „Junior-Modells“ äußerte, brodelt es in der internationalen Motorpresse. „Baby Aston“ und „911er-Jäger“ las man in den Schlagzeilen. Dann kam der erste Prototyp – und sah derart hinreißend aus, dass die Firmenzentrale in Gaydon in der Brandung der eingehenden Bestellungen fast unterzugehen schien. Jeder wollte und musste einen neuen, kleinen Aston haben. Doch je größer die Vorfreude, desto herber fällt auch jede Enttäuschung aus. Ob der Aston Martin V8 Vantage die hohen Erwartungen erfüllt, wird sich in unserem Fahrbericht zeigen.

Nachdem ich nun bereits einige Tage die Schlüssel zu einem wunderbar eingefahrenen Testwagen in der Tasche trage, spüre ich schon eine gewisse Sehnsucht. Ich kenne das Gefühl von früheren Supersport-Testwagen aus dem 170-260.000 Euro-Segment. Es ist der ständig pochende Wunsch, die Schlüssel einfach nie wieder herauszugeben. Ein äußerst gutes Zeichen also. Auch das Cockpit ist mir ein gutes Zuhause geworden, die meisten Komponenten und dem grundlegenden Stil sind mir aus dem DB9 bekannt. Leider haben es die Ingenieure immer noch nicht geschafft, die Instrumente und das optionale Navigationssystem etwas lesbarer zu gestalten.

Der Tachometer reicht bis zur 220-Meilen-Marke in Kontinentaleuropa der Strich bei rund 350 km/h - die Höchstgeschwindigkeit liegt bei rund 280 km/h. Doch selbst mit 100 Meilen pro Stunde, also 160 km/h und noch vor dem Zenit der Tachonadel, dürfte ich mich im Fall einer Kontrolle umgehend von meinem geliebten britischen Führerschein verabschieden. Die zusätzliche digitale Tachometeranzeige erinnert noch einmal an die Potenz der Maschine, ist aber bei Sonnenlicht ebenfalls nicht gut zu erkennen. Man sitzt eben nicht in einem BMW oder Mercedes, sondern einem Aston Martin. Die Sitze stammen ebenfalls aus dem älteren Modellbruder DB9 und bieten selbst Zwei-Meter-Menschen ausreichend Platz. Nur meine Lendenwirbel würden sich auf die Dauer über etwas mehr Unterstützung freuen.

Nach diesen wenigen Kritikpunkten geht es von jetzt an steil nach oben. Der 4,3 Liter V8-Aluminiummotor wird in Deutschland gefertigt und überspielt seine Hochdreh-Natur – 380 PS bei 7.300/min, 417 Nm bei 5.000/min – durch ausgesprochene Leichtfüßigkeit, Lenkbarkeit und Wendigkeit über das gesamte Drehzahlband. Natürlich spielt der V8 Vantage nicht in der Liga eines - rund 110 PS stärkeren – Ferrari 430. Und alle, die den kleinen Aston für seine mangelnde Triebhaftigkeit kritisieren, seien daran erinnert, wozu allzu viel Druck nämlich noch führen kann: zu Stress.

Doch ganz egal in welchem Gang ich das Gaspedal durchtrete – das britische Umland verschwimmt sofort zu farbigen Schlieren. Trotzdem fühle ich mich selbst bei vollendetem Vorwärtsdrang als Herr der Lage. Wie die Aufhängung straff zwischen dem ultrasteifen Chassis und der Straße vermittelt, wie die Steuerung jede Nuance meiner Lenkradbewegung präzise umsetzt und wie der Motor auf jede mikroskopische Dosis meines Gasfußes reagiert, ist schlicht unglaublich. Keine plötzlichen Leistungseinschläge, keine kritischen Grenzsituationen, nichts. Mir wird klar, warum der V8 Vantage im Rennen der Supersportwagen – trotz verhältnismäßig normalen PS- und Zylinderzahlen – doch so gut abschneidet: Er fährt so verdammt einfach. Falls es Ihnen jedoch nach Genickschlag-Beschleunigungen gelüsten sollte, wird der Aston Sie enttäuschen – für solche Kraftproben ist er schlicht zu gut erzogen.



Doch lassen Sie uns einen Moment Atem holen und die Architektur des Wagens betrachten. Dank der neuen VH-Plattform-Technologie ist Aston Martin mittlerweile in der Lage, schnelle Kurswechsel in der Modellpolitik vorzunehmen und sich dabei trotzdem immer auf ein ausgereiftes, erprobtes und ausgesprochen steifes Chassis zu verlassen. Zudem lässt sich die Plattform einfach mit anderen „Familienmitgliedern“ wie beispielsweise der Aufhängung, dem Transaxle-Getriebe oder dem Interieur verbinden. Die Wahl eines V8-Antriebs bedeutet, dass sich auch der Motor ohne große Probleme im Heck platzieren lässt und in Verbindung mit dem Transaxle-Getriebe und den kurzen Überhängen ergibt sich eine optimale Gewichtsverteilung mit einem niedrigen Schwerpunkt und der Hauptmasse innerhalb des Radstandes. Als Resultat darf man sich über Handling und Wendigkeit freuen, die einem sonst nur von der Go-Kart-Bahn bekannt sind.

Doch halt: Wo ist denn die sequentielle Schaltung? Vorläufig stellt Aston Martin nur eine klassische Graziano-Sechsgangschaltung mit Handschaltknauf zur Verfügung. Nach kurzer Aufwärmzeit gehen die Gangwechsel damit flüssig zur Hand, die Kupplung ist nicht zu schwergängig und selbst ein gutes Stück Stop-and-go-Verkehr während der Rückfahrt von Goodwood überstehe ich ohne Oberschenkelkrämpfe. Und auch die Bremsen tun Ihren Job, fühlen sich für meinen Geschmack aber etwas leblos an – vielleicht weil der Wagen sonst so überaus vital herüberkommt.

Aston Martin V8 Vantage Aston Martin V8 Vantage

Optisch ist der Aston Martin V8 Vantage eine einzige Wucht: Klein und kompakt, dabei nicht gedrungen oder gepresst, und der V8 - Aluminium – Komposit - Motor hat auf den ersten Blick mehr von einem „Mini-Vanquish“ als von einem „Junior-DB9“. Der Innenraum kommt mit zwei Sitzen aus, den Gepäckraum erreicht man – erstmals seit dem innovativen DB2/4 von 1950 – über eine Heckklappe. Zwar bringt man keine Ausstände darin unter, aber auch DB9 und Vanquish haben ihren Erfolg nicht der großen Ladekapazität zu verdanken. Um es kurz zu machen – der V8 Vantage sieht einfach fantastisch aus, er verkörpert alle positiven Eigenschaften der Marke (Männlichkeit, Kraft, Präsenz) und stimmt letztendlich auch mit den Dimensionen des von der Presse auserkorenen Erzrivalen, des aktuellen Porsche 911, überein. Und während Porsche momentan – sowohl wirtschaftlich, als auch modellpolitisch – in alle Himmelsrichtungen wächst, hat Aston Martin sich mit dem V8 erfolgreich verkleinert und in diesem Match einen beachtlichen Siegtreffer gelandet.

Habe ich noch etwas vergessen? Eher nein. Der Aston Martin V8 Vantage ist wirklich so gut, wie es alle Welt behauptet. Und all jene, die immernoch am Preis-Leistungs-Verhältnis herummäkeln, frage ich nur: Was gibt es für eine Alternative?

Sie möchten den Aston Martin V8 Vantage als Bildschirmhintergrund? Klicken Sie hier in unsere Rubrik ‚Wallpaper’.

Text & Fotos: Steve Wakefield


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