Opel und Luxus? Das ist viele Jahre her. Doch einst waren Diplomat, Kapitän und Senator begehrenswerte Luxuskarossen für die oberen Zehntausend.
Das Bild scheint aus einer völlig anderen Welt zu stammen. Opel und Luxus? Das war viele Jahrzehnte eine automobile Selbstverständlichkeit. Der Rüsselsheimer Hersteller, der sich längst auf Volumenmodelle zwischen Agila und Insignia kapriziert hat, war bis weit in die 70er Jahre hinein der bitterste Widersacher von Dauerkonkurrent Mercedes-Benz. Wer etwas auf sich hielt, stieg nicht automatisch in S-Klasse oder Ponton-Benz ein, sondern wählte nicht selten die Aushängeschilder der Marke Opel. Das Zeitalter, als sich die Rüsselsheimer aus der Noblesse des deutschen Automobilbaus zurückzogen, ist schon einige Zeit her. Erst wurde der traditionsreiche Commodore gestrichen, dann folgte das Aus für den Senator, seinen Coupé-Bruder Monza und schließlich war den GM-Oberen sogar der Omega als Mischung aus Ober- und Mittelklasse zu üppig für das bodenständige Blitz-Klientel.
Gerade in den 50er, 60er und 70er Jahren sah das ganz anders aus. Die mächtigen US-Luxuslimousinen von Konzernmutter General Motors sollten Opel auch in Europa einen Namen wie Donnerhall verschaffen. Krone der renommierten KAD-Reihe aus Kapitän, Admiral und Diplomat war mit dem Diplomat ab Mitte der 60er Jahre eine Oberklasselimousine, die der S-Klasse in kaum etwas nachstand.
Zehn Jahre zuvor hatte die Marke mit dem Blitz erstmals für Aufsehen gesorgt. Der Opel Kapitän wurde zwar bereits seit 1938 produziert; doch besonders erfolgreich war die Generation nach der Modellpflege im Sommer 1955. Der kleine Kühlergrill verschwand und die bis dato betont amerikanischen Formen bekamen eine europäischere Note. Bis heute gilt der Schlüsselloch-Kapitän von 1955 / 56 als eine der schönsten Limousinen, die jemals in Deutschland gebaut worden sind. Charakteristisch die bauchige Karosserieform und die kleinen Heckflossen mit den schmucken Rückleuchten. Der Innenraum des 4,74 Meter langen Hecktrieblers bietet auch nach heutigen Maßstäben opulente Platzverhältnisse für bis zu fünf Personen. Die vier Türen boten sämtlich nicht nur die üblichen Seitenfenster zum Kurbeln, sondern auch Ausstellfenster für eine angenehme Frischluftzufuhr. Eine besondere Schau sind nicht nur die unzähligen Chromapplikationen, sondern auch das übersichtliche Armaturenbrett. Die Schalter befinden sich fein säuberlich links und rechts von der kargen Instrumentierung. Die Analoguhr musste man über eine Spindel im Handschuhfach regelmäßig aufziehen.
Der Konkurrent des Mercedes-Benz 220 Ponton war nach damaligen Maßstäben kraftvoll motorisiert: Der Luxus-Opel verwöhnte seine Insassen mit einem 2,5 Liter großen Reihensechszylinder, 75 PS und 140 km/h Spitzengeschwindigkeit. Geschaltet wurde in Form eines umgedrehten „Y“ am Lenkrad. Drei Gänge und 170 Nm Drehmoment mussten reichen, um die Alpen zu erklimmen und auf der Autobahn Tempo 140 zu packen. Der Traum einer Oberklasselimousine aus Rüsselsheim kostete im Jahre 1956 mindestens 9.350 Mark; die Luxusversion einen guten Tausender mehr.
Noch luxuriöser ließ es sich ab Mitte der 60er Jahre im Diplomat B reisen. Den kantig geformten Diplomaten gab es auf besonderen Wunsch sogar mit verlängertem Radstand. Für Botschaften, Regierungsvertreter und den diplomatischen Dienst setzten eine Handvoll Langversionen der Marke mit dem Blitz Mitte der 70er Jahre eine wahrhaftige Krone auf. Der bereits üppig dimensionierte Serien-Diplomat Typ B wurde auf besonderen Wunsch um wertvolle 15 Zentimeter verlängert und bot auf seinen 5,07 Metern allen erdenklichen Luxus. Hier konnten sich besonders die Insassen im Fond auf einem weichen Sofa räkeln – bespannt mit kratzigem Flockvelours oder rustikalem Leder. Zu seiner aktiven Zeit wurde die elegant-kantige Limousine bei Empfängen in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn eingesetzt. „Als der amerikanische Präsident Gerald Ford seinerzeit Deutschland besuchte, war das Begleitpersonal auch mit diesem Diplomat unterwegs“, erinnert sich Heinz Zettl, der lange Jahre bei Opel für die historischen Fahrzeuge zuständig war, „firmeneigene Fahrer chauffierten über die Jahre eine Fülle von Politikern, vorwiegend aus dem Ausland.“ Bis heute strahlt der Diplomat B Würde, Eleganz und Anmut aus.
Wer in den späten 60er und 70er Jahren einen 230 PS starken Opel Diplomat 5.4 V8 bewegte, der hatte es wirtschaftlich geschafft und gehörte zu den oberen Zehntausend in der nach wie vor aufstrebenden Bundesrepublik. Die Langversion war nicht nur selten, sondern auch teuer. Im August 1973 kostete der Diplomat 5.4 V8 mit verlängertem Radstand 36.600 D-Mark. Damit lag er auf Augenhöhe mit dem deutschen Aushängeschild Mercedes 450 SEL, der mit 38.600 D-Mark kaum teurer war.
Doch der Diplomat bereicherte seinerzeit nicht nur als Luxuslimousine die deutschen Straßen. Der Vorgänger Diplomat A bekam als Testballon Anfang 1965 sogar eine Coupéversion als Imageunterstützung. Doch Karosseriespezialist Karmann aus Osnabrück baute wegen der geringen Nachfrage in zwei Jahren gerade einmal 350 der langen Zweitürer mit 4,6-Liter-Trienbwerk und 190 PS. Noch exklusiver ging es nur in einem Diplomat Cabriolet zu. Dieses ließ Opel in den 70er Jahren als Einzelstücke in Handarbeit von den beiden Spezialisten Fissore und Karmann fertigen. Ein Opel Diplomat B mit kurzem Radstand kostete bei seinem Marktstart im März 1969 20.260 D-Mark. Das Ende der Diplomaten-Ära kam in der zweiten Hälfte der 70er Jahre. Die Ölkrise war für den Niedergang von Opels Luxuslimousine dabei weit weniger entscheidend als die geringe Akzeptanz bei der zahlungskräftigen Kundschaft. Wer nobel reisen und repräsentieren wollte, der entschied sich für die Mercedes S-Klasse oder für die im Jahre 1977 vorgestellte 7er Reihe von BMW. So wurde auch der mächtige Diplomat im Jahre 1977 von einem allzu modischen und europäischen Opel Senator abgelöst.
Der Senator war Opels bislang letzter Ausflug in die Oberklasse. Mit flauschigem Velours und viel falschem Holz wirkt die Urversion nach heutigen Maßstäben spießig. Doch in den 70ern hatten nur wenige Limousinen so viel gemütlichen Luxus zu bieten. Die Produktion des Senator startete 1978 parallel mit der seines Coupébruders Monza. Der Opel Senator sollte in die großen Fußstapfen der K-A-D-Reihe treten, das Kombi-Coupé Monza war als elegantes Gegenstück zur Limousine gedacht. Im Gegensatz zu den Admiralen und Diplomaten mit ihren eigenständigen, wuchtigen Karossen waren Senator und Monza vom Mittelklassewagen Opel Rekord abgeleitet. Vom Ami-Flair der KAD-Modelle war beim Senator nicht viel übrig geblieben. Für den standesgemäßen Antrieb der Topversion sorgte bei Senator und Monza ein Dreiliter-Sechszylinder mit 150 PS beziehungsweise 180 PS. Die Einspritzer-Version verhalf dem großen Rüsselsheimer zu ansehnlichen Fahrleistungen. Von 0 auf 100 Km/h vergingen neun Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit lag bei 210 Km/h. Damit war der Senator immerhin schneller unterwegs als ein Ford Granada 2.8i oder Mercedes 280 SE und lag gleichauf mit dem BMW 733i. Auch bei den Preisen wollte Opel in die Oberklasse vorstoßen. Das Top-Modell Senator CD mit Dreiliter-Einspritzer kostete 1979 fast 39.000 D-Mark, keine 2.000 Mark weniger als 7er BMW oder S-Klasse mit vergleichbaren Motoren.
Zu diesem Anspruch mochte die enge Verwandtschaft mit dem Mittelklässler Rekord nicht recht passen. Große Unterschiede gab es lediglich in der Frontpartie, der Motorenpalette und der Radaufhängung. Während der Rekord mit einer Starrachse über Bodenwellen holperte, kamen Senator und Monza in den Genuss einer Schräglenker-Hinterachse, was für eine bessere Führung der Hinterräder in der Kurve sorgte. Nach der ersten Serie (A1) folgte 1983 der zweite Senator mit der internen Bezeichnung A2, bei dem es abgesehen von ein paar Retuschen kaum Änderungen gab. Ein Vierzylinder mit 110 PS rundete die Motorenpalette nach unten ab. 1984 kam die erste Version mit 2,3-Liter Turbodiesel, darunter auch einige Modelle mit dem neu entwickelten Comprex-Turbolader. Von 1978 bis 1986 wurde der Opel Senator rund 130.000 Mal gebaut. Der Senator B kam 1987 auf den Markt, blieb aber ohne Erfolg und letztlich ohne Nachfolger. Auch er konnte sich in der Oberklasse nicht gegen Mercedes, BMW und Co. durchsetzen.
Eine neuzeitliche Luxus-Vision der Rüsselsheimer war die Konzeptstudie Opel Insignia, die 2003 auf der IAA in Frankfurt Premiere feierte. Das Luxus-Coupé war damals mit einem 344 PS starkem V8-Motor aus der Corvette bestückt und überzeugte mit einem stilvoll-hochwertigen Innenraumambiente. Aus dieser einstigen Luxus-Studie resultierte letztendlich die heutige Mittelklasse-Generation „Insignia“ und damit auch der Entschluss des Konzerns, vorerst nicht noch einmal in die Oberklasse aufzusteigen.
Text: Stefan Grundhoff / Sebastian Viehmann
Fotos: press-inform / Opel
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