1918 Austro Daimler 15/35 HP
Phaeton Karosserie Öffag-
Year of manufacture1918
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Car typeConvertible / Roadster
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Chassis number3832
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Lot number73
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Reference numberHG_Oct24_58
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ConditionUsed
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Location
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Exterior colourOther
Description
Ein Stück österreichische Automobilgeschichte
Zeitzeuge in außergewöhnlichem Originalzustand
Lange Zeit in einem Museum in den USA ausgestellt
Angeblich aus dem Besitz der Sängerin Geraldine Farrar
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Wiener Neustadt, nach Wien damals zweitgrößte Stadt Niederösterreichs, zur Industriemetropole. Kurz nach der Inbetriebnahme der Eisenbahnstrecke nach Wien errichtete Wenzel Günther 1842 die Wiener Neustädter Lokomotivfabrik, 1866 erwarben Eduard und dessen Bruder Adam Fischer eine Nägel- und Maschinenfabrik in Wiener Neustadt, zur fabrikmäßigen Herstellung von Transmissioswellen und Turbinen, sowie Pflügen und Ackergeräten. Nach Adams Tod führte Eduard Fischer vorerst die „k.k.priv. Maschinenfabrik, Eisen- und Metallgießerei Brüder Fischer“ alleine weiter, ehe er 1899 gemeinsam mit Eduard Bierenz die „Österreichische Daimler Motoren Commanditgesellschaft Bierenz Fischer u. Co“ gründete. Um unter Nutzung der Patentrechte sowie der Beteiligung der Cannstädter „Daimler Motoren Gesellschaft“ Motoren und Fahrzeuge herzustellen. Am 1. Mai 1900 war der erste Daimler-Wagen aus Wiener Neustadt fertiggestellt, Ende des Monats präsentierte die junge Firma ihre Produkte auf der „Ersten Wiener Automobilausstellung 1900“ und erhielt eine Auszeichnung in Form des Diploms der Großen Goldenen Medaille zuerkannt. Zwei Jahre später verließ Eduard Bierenz die mittlerweile in eine Gesellschaft umfirmierten Wiener Neustädter Daimler-Werke.
Paul, der älteste Sohn Gottlieb Daimlers, wechselte von Canstatt nach Wiener Neustadt und übernahm für vier Jahre die Firmenleitung. 1906 wechselte er wieder seinen Arbeitsplatz, kehrte als Technischer Leiter der Daimler-Motoren-Gesellschaft nach Stuttgart-Untertürkheim zurück. Die ursprüngliche Wiener Neustädter Dependance ging von nun an eigene Wege, löste sich sukzessive vom deutschen Mutterbetrieb, startete mit dem jungen, auf Vermittlung von Generalkonsul Emil Jellinek-Mercedes, zum Technischen Direktor und Nachfolger Paul Daimlers bestellten Ferdinand Porsche in eine neue Zukunft.
Innerhalb von nur acht Jahren wuchs der Beschäftigtenstand der „Österreichische Daimler Motoren Ges.m.b.H.“ von ursprünglich 80 Mitarbeitern auf das Zehnfache. Doch dieser imposante Höhenflug der Firma wurde ebenso rasant wieder gestoppt, als eine allgemeine Absatzkrise am Automobilmarkt und technische Probleme an Porsches Ziehkeilgetriebe im Maja-Wagen die Firma auf ein Drittel der Beschäftigten sinken ließ. Emil Jellinek-Mercedes, der mit dem Mercedes Mixte, Electrique und Maja-Wagen – alle in Wiener Neustadt gebaut – den Weltmarkt erobern wollte, zog sich komplett aus dem Automobil-Geschäftsfeld zurück. 1909 trennten sich die Österreichischen von den Deutschen Daimler-Werken, 1910 erfolgte die Umwandlung der Firma in die „Österreichische Daimler-Motoren-Aktiengesellschaft“. Deren Geschäftsfeld beschränkte sich nicht lediglich auf den elektrischen und benzinbetriebenen Automobilbau, Schiffs-, Luftschiff- und Aeroplanmotoren zählten ebenso dazu, wie die Herstellung von Stationärmotoren. Einen für die Zukunft der Firma ganz bedeutenden Produktionszweig stellte die Entwicklung von Militärfahrzeugen für die Österreichische k.u.k. Armee dar. Aufgrund von Qualität und Innovation gestattete Kaiser Franz Joseph von 1911 an, den Doppeladler im Austro-Daimlers-Markenemblem stolz zur Schau stellen.
Ferdinand Porsche erkannte, welch enormes Werbepotential Siege bei großen internationalen Automobilrennen auslösen können. Bei der Prinz-Heinrichfahrt von 1910 – einem über 2000 Kilometer führenden Straßenrennen – errangen seine drei eigens gebauten Wettbewerbswagen mit Eduard Fischer, Heinrich Schönfeld und ihm selbst am Steuer prompt die ersten drei Plätze. Im Jahr darauf gelang ihm ein weiterer Coup, als dasselbe Trio mit der neuen Alpenwagentype 9/27 HP die Alpenfahrt gewann, einem Wagen, der diesmal auf einem Serienmodell basierte, dem 8/16 HP. Porsches Motorsportprogramm zeigte deutlich Wirkung: Die Automobil-Produktionszahlen schnellten 1911 auf stattliche 600 Fahrzeuge hoch.
Im Jahr darauf sollte eine „Mitteltype“ für weitere Verkaufsimpulse sorgen. In der Oberklasse hatte Austro-Daimler mit dem Prinz-Heinrich-Wagen, welcher nach dem Rennsieg 1910 als Straßen-Replica in Kleinserie aufgelegt wurde, ein teures und wahres Technikjuwel im Angebot, mit mächtigem 3.353 Zentimeter langem Radstand, 4 Einzelzylindern, obenliegender Nockenwelle und 80 PS unter der Haube. Im Stadtwagen-Segment rangierte der 1908 vorgestellte 1845 ccm 8/16 HP mit Vierzylinder-Blockmotor. Sowie der auf 2.212 ccm aufgebohrte Typ 9/20 HP, mit 20 anstatt der 30 PS bei der Wettbewerbsversion der Alpen-Type 9/27 HP.
Der neue mittelgroße Reisewagen vom Typ 14/32 HP reihte sich mit 3.100 Millimeter Radstand erwartungsgemäß zwischen den beiden bestehenden Modellreihen ein. Beim Fahrwerk mit Leiterrahmen, Starrachsen vorne und hinten an Halbelliptik-Blattfedern aufgehängt, ging man keinerlei Experimente ein. Der wassergekühlte 3.560ccm-Vierzylinder-Blockmotor mit 90 Millimeter Bohrung und 140 Millimeter Hub war dreifach gelagert und leistete 32 PS bei beschaulichen 1.430 Umdrehungen pro Minute. Ab 1914 gab es eine leistungsgesteigerte Version, den 15/35 HP mit auf 1.400 Millimeter verbreiterter Spur und geringfügig kürzerem Chassis. Ein modisches Kleid für das circa 900 Kilo schwere Chassis schneiderten die zahlreichen Karosseriecouturiers, wie beispielsweise Lohner, Armbruster, Schafranek, Wiener Karosserie Fabrik oder viele andere ehemalige Kutschenbauer.
Produziert wurden die Wagen auf dem mittlerweile auf 150.000 Quadratmeter angewachsenen Firmenareal an der Pottendorfer Straße, in Hallen immensen Ausmaßes. Darin lärmten über 400 Werkzeugmaschinen, wie Drehbänke, Hobel-, Bohr- und Fräsapparate, angetrieben von Elektromotoren über an den Hallendecken verlaufende Transmissionsriemenwellen. Mittels eines Vierspindel-Fräsapparats konnten Vierzylinderblöcke in einem Arbeitsgang bearbeitet werden. Zahn- und Kegelräder wurden auf amerikanischen Maschinen selbst erzeugt. Auch alle Schmiedeteile stellte man im eigenen Haus her. Wie auch die Formen für Gussteile in der Modelltischlerei. Die Abgüsse produzierten Zulieferfirmen. Die Rahmen-Pressteile wurden in der Schweiz hergestellt, nachdem zu jener Zeit noch keine diesbezüglichen Fertigungsstätten im k.u.k.-Reich existierten. Die Beschäftigten an den einzelnen Produktionsstätten arbeiteten im Akkord, hatten pro gefertigten Teil, eine Stechuhr zu bedienen, um den Lohn der Arbeitsleistung entsprechend bemessen zu können. 1912 lag die Mitarbeiteranzahl bei etwa 1.000 Personen. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahre 1914 stieg jene rasant auf das Fünffache an. Vom sehr erfolgreichen Modell 14/32 HP und 15/35 HP wurden bis 1920 weit mehr als 3.000 Fahrzeuge im Wiener Neustädter Werk hergestellt.
Der hier vorgestellte 35 HP-Doppelphaeton befand sich der Überlieferung nach im Besitz der 1882 in Melrose, Massachusetts, geborenen Sopranistin und Schauspielerin Geraldine Farrar. 1899 ging Farrar nach Paris, um ihre Gesangsausbildung zu verfeinern. Sang 1906 mit Enrico Caruso an der Berliner Hofoper, verband dramatisches Schauspiel mit perfektioniertem Gesang. 1915 spielte die weltbekannte Sopranistin Hauptrollen in Stummfilmen, ehe sie sich im Alter von 40 Jahren vom Bühnengeschehen verabschiedete. Wann sie sich von ihrem geliebten Austro-Daimler 35 HP mit der Kommissionsnummer „18239 2“ trennte, wissen wir leider nicht. Jedenfalls war dem österreichischen Edelblech eine lange Ruhezeit in einem amerikanischen Auto-Museum vergönnt. Was sowohl Technik wie auch der Öffat-Karosserie mit Sicherheit nicht schadete. Die „Österreichische Flugzeugfabrik AG“ (Öffag) wurde 1915 auf dem Wiener Neustädter Flugfeld errichtet, musste jedoch nach dem Friedensvertrag von 1919 seine sehr ambitionierte Aeroplan-Herstellung wieder einstellen. Fungierte ab diesem Zeitpunkt als allgemeine Karosseriewerkstätte, welche 1925 mit Austro-Daimler fusionierte. 2015 übersiedelte der schwarz-grüne Wiener Neustädter mit der sehr sympathischen Original-Patina in seine europäische Heimat. Ohne Botox und unnötiger Schminke ist er ein Zeitzeuge mit unglaublicher Ausstrahlung, der emotionalisiert und heimische Ingenieurs- und Handwerkskunst wieder ins Gedächtnis ruft.
Wir danken Alexander Trimmel für die Beschreibung des Fahrzeugs und der Geschichte der Austro Daimler Werke.