Ein historisches Eisenbahnviadukt, ein verwunschenes Mühlenanwesen von 1596, im Hof steht ein Mercedes-Benz S Cabriolet von 1928 und daneben steht er selbst, der autoverrückte Karl Christ, der mit diesem Ort genauso stark verbunden scheint wie mit seinem Mercedes SSK, den er auf Veranstaltungen wie die Mille Miglia bewegt. „1978 interessierte ich mich für einen Vorkriegs-Mercedes und auf der Veterama hat mir ein deutsch-amerikanischer Autohändler auf dem Parkplatz eine Offerte hinter den Scheibenwischer geklemmt“, erzählt Christ, gleich zur Begrüßung. „Drei Tage später bin ich dann rübergeflogen und hab einen Mercedes-Benz 540 K gekauft – und samstags war ich zum Schaffe wieder in de Worschtküch' zurück!“ Christ verdiente sein Geld als Metzgermeister. Das war nicht das Problem. Wohl aber folgendes: Der Wagen kam nie an. Der See-Container, in dem er sich befand, stürzte vom Schiff und versank irgendwo im Atlantik. Ein filmreifer Auftakt!
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Doch Christ lamentierte nicht, er handelte: kurzerhand bestellte er zwei 300 SL Flügeltürer bei seinem amerikanischen Kontaktmann. Er bezweifelte, dass die Versicherung zahlen würde und wollte das über den Händler regulieren. Doch es folgte eine weitere unerwartete Wendung. Denn plötzlich war nun auch ein 500 K im Angebot und Christ wollte ja eigentlich auch einen Vorkriegswagen. Das führte dazu, dass er mit „gepumpten Geld“ plötzlich drei Klassiker vor seiner Tür stehen hatte - zweimal Flügel, einmal 500 K. Noch Fragen? Ausdrücklich ja! Wo ist der legendäre SSK? Karl Christ führt durch das Anwesen, zeigt die vielen liebevoll renovierten Räume und die einmalige Außenanlage. Das alles sei Werk seiner Frau, die den Hof haben wollte und ihn in jahrzehntelanger Arbeit zum großen Teil eigenhändig restauriert und nach ihren Vorstellungen in Szene gesetzt hat. "Wir gehen mal zum Gucke in die Garage!“ ruft Christ ihr zu. Gesagt, getan: da steht er, der 1929er Kompressor-Mercedes.
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Karl Christ springt wie ein junger Bursche in den kompressorbetriebenen Rennwagen, von dem er sagt, dass er in jeder Situation Leistungsüberschuss hat. „7,2 Liter Hubraum, 800 Newtonmeter Drehmoment, 180 PS Leistung ohne Kompressor und circa 230 PS mit Kompressor und dabei fast 200 Stundenkilometer schnell!“, sprudelt es aus ihm heraus. „Was einmal als Rennwagen gebaut wurde, bleibt immer ein Rennwagen!“, philosophiert der SSK-Besessene, umgreift fest das riesige Lenkrad und erklärt: „Die Lenkung macht ein Auto aus, wenn die Lenkung gut ist, ist auch das Auto gut! Und dieses Auto hat Ferdinand Porsche entwickelt und Mercedes hat nie einen besseren Sportwagen gebaut!“ Mit dem SSK fuhr Christ von 1991 bis 2002 insgesamt zwölf Mal die Mille Miglia. Doch seine schönsten Erlebnisse hatte er bei der Rallye Monte Carlo für Vorkriegsfahrzeuge, an der er in den 1980er Jahren mehrfach teilgenommen hat. „Wie Könige wurden wir behandelt und an den feinsten Plätzen untergebracht und verköstigt. Das war schon was, das wird mir immer in Erinnerung bleiben und hat mich schwer beeindruckt!“ Vier bis fünf Rallyes fährt der Enthusiast noch im Jahr, „aber die großen und langen Fahrten sind mir zu anstrengend geworden; früher sind wir mit dem Kompressor mehrfach nach und durch England gefahren – und wieder zurück!“, berichtet er laut lachend.
Schnelle Autos hatten ihn schon immer interessiert. Nach seinem ersten Fahrzeug, einem Opel Olympia von 1950, kam dann schon im Alter von 22 Jahren ein gebrauchter Porsche 356 B Super 90, den er sich „vom Mund absparte“. Die Auswahl seiner Fahrzeuge begründet er ganz plausibel. Zunächst einmal müssen alle „Dampf haben“, denn „ich überhole gern!" Neben den Rennern gehören zu seiner Sammlung aber auch Reisemobile. Zum Beispiel der 280 SE Cabriolet. Oder der 560 SL der Baureihe 107, ein reines Exportmodell mit 5,6-Liter-V8-Motor mit 231 PS, das in Europa nie offiziell angeboten wurde. Unten parken noch zwei Porsche 356 Carrera 2. Das sieht man nicht alle Tage, beide mit dem sogenannten „Fuhrmann“-Motor ausgestattet, vier obenliegende Nockenwellen über Königswelle gesteuert mit Doppelzündung, 2 Liter Hubraum und 130 PS Leistung. Christ öffnet das nächst Tor. Ein Traum in Blau steht da: der Mercedes 300 SL Roadster von 1963 aus der letzten Baureihe mit Alumotor – „damit er vorne leichter wird“, erklärt Christ, der von allen seinen Fahrzeugen die Besonderheiten und technischen Details parat hat. Kein Zweifel, er ist ein Liebhaber durch und durch.
Text: Fritz Schmidt, jr., Mathias Paulokat
Fotos: fritzclassics