Wer kann den Blick auf diesen in Löwenzahngelb lackierten McLaren F1 aus dem Jahr 1997 richten, ohne nicht das spontane Bedürfnis zu verspüren, sich hinters Lenkrad zu klemmen und auf einer langen und leeren Straße das Gaspedal durchzudrücken? Wohl niemand – bis auf einen standhaften japanischen Geschäftsmann, der das Auto einst neu erwarb, ohne es in den kommenden Jahren auch nur einen Meter zu bewegen. Aber sicher, so fragen wir uns, hat er doch zumindest einmal auf dem mittleren der drei Sitze Platz genommen und sich vorgestellt, den Motor für einen Moment bis an die rote Linie zu drehen? Nein, noch nicht einmal das – wovon nach nunmehr 20 Jahren Stillstand die über das gesamte Interieur gespannte Schutzfolie zeugt.
Ein Sechser im Lotto
Wir können mit Sicherheit sagen, dass ein McLaren F1 mit nur 239 bei den routinemäßigen Testfahrten im Werk abgespulten Kilometern Laufleistung, der noriginalen „Schutzverpackung“ und einer langjährigen Quarantäne-Verordnung in einem klimakontrollierten Gebäude eine absolute Ausnahme, ja ein einmaliger Glücksfall ist. Wie ein Sechser im Lotto. Und dies ist ja auch nicht irgendein Auto, sondern der wahrscheinlich beste Sportwagen aller Zeiten, der das Supercar-Segment mit seiner von der Formel 1 inspirierten zentralen Sitzposition, dem minimalistischen Interieur, dem Kohlefaser-Chassis, dem bis zu 680 PS starken V12-Sauger von BMW und der im Windkanal feingetunten Aerodynamik in den Grundfesten erschütterte.
Ein Auto ohnegleichen
Als Gordon Murray das Regelbuch für Supersportwagen neu formulierte und 1989 mit dem Design des McLaren F1 begann, wäre ihm der Gedanke, dass ein Kunde „sein“ Meisterwerk niemals fahren würde, sicherlich nicht in den Sinn gekommen. Und warum auch? Denn als der F1 im Jahr 1992 herauskam, versprach er ein Formel-1-Erlebnis auf öffentlichen Straßen. 1998 stellte er mit durchschnittlich 386,4 km/h einen bis heute gültigen Geschwindigkeitsrekord für Seriensportwagen mit Saugmotor auf. In der Spitze maß man damals auf dem VW-Testgelände in Ehra-Lessien sogar 391 km/h.
Unterzeichnet, versiegelt, ausgeliefert
Die Gründe für den Spaßverzicht des japanischen Käufers konnten nie ergründet werden, ebenso wie sein besonderes Stilempfinden. Denn zum Kilometerstand von – wir wiederholen – 239 Kilometer und der Schutzverpackung kamen eine Außerfarbe in vibrierendem Löwenzahlgelb, ein dunkelgraues Alcantara-Interieur und ein dunkelgrauer Fahrersitz mit Einlagen in Solargelb hinzu. Und damit nicht genug: Im Cockpit finden sich des Weiteren eine Ledertasche für die goldbeschichteten Werkzeuge aus Titan, eine extrem seltene Uhr von TAG Heuer mit eingravierter Chassisnummer auf dem Zifferblatt (ebenfalls noch in Schutzfolie eingewickelt) und – als absolutes Ausrufezeichen – eine per Hand aufgetragene Signatur von Gordon Murray im Heckbereich.
Goldene Gans
Das Auto ist also wirklich jungfräulich, ein McLaren F1 frisch aus der Zeitkapsel. Die Absicht seines bislang einzigen Besitzers, ihn über 20 Jahre lang im Zustand einer Werks-Neuauslieferung zu belassen, wird selbst beim Anblick der Studiofotos überdeutlich. Das Auto dürfte ziemlich sicher zum teuersten weltweit existierenden McLaren F1 avancieren und dessen Ruf, ein modernes Pendant zum Ferrari 250 GTO zu sein, noch weiter festigen. Tom Hartley Junior, der den Sensationsfund aktuell zum Verkauf ausschreibt, stimmt zu: „Für mich ist der McLaren F1 der großartigste jemals gebaute Sportwagen. Wenn man seine Rarität– es wurden ja nur 64 Straßenversionen gebaut – und dazu die Tatsache berücksichtigt, dass jüngere Käufergruppen ihn einem Ferrari 250 GTO vorziehen werden, habe ich keine Zweifel, dass der F1 eines Tages einen GTO in punkto Wertzuwachs überflügeln wird.“ Mit Blick auf den künftigen Besitzer des gelben Japan-Modells malt sich Hartley Junior aus, „dass es jemand sein wird, der seinerzeit nicht in der Lage war, sich einen Neuwagen leisten zu können und nun glücklich ist, den Aufpreis für das einzige neuwertige Modell zahlen zu können. Oder ihn weiterhin in diesem Zustand konserviert und Freude an der Tatsache hat, das besterhaltendste Exemplar des größten jemals gebauten Sportwagens zu besitzen.“ Dass ein solches Auto auf den Markt kommt, ist eine sich wohl nur einmal im Leben bietende Gelegenheit.
Fotos: Tom Hartley Jnr