Zunächst einmal ist man verwundert: Cafés, Tabakläden, Supermärkte und wuselnde Vespa-Roller. Im ersten Moment scheint Matera an der Grenze zwischen Basilikata und Apulien eine Stadt wie jede andere in Süditalien. Weltkulturerbe? Non c’e. Doch dann biegt man um eine Kurve – und wähnt sich plötzlich in den Gassen Jerusalems vor zweitausend Jahren! Das Felsmassiv am Rand eines tiefen Canyons ist von unzähligen Höhlen durchfurcht, darüber thront eine sandfarbenes, wettergegerbtes Konglomerat aus kleinen Häuschen und windschiefen Kirchen. Es ist ein Ort mit biblischer Aura – Pasolini drehte hier sein „Matthäusevangelium“, Mel Gibson viele Szene aus „Die Passion Christi“.
Die Höhlen von Matera, Sassi genannt, gelten als eine der ältesten Siedlungen der Welt. Schon vor 9.000 Jahren leben jungsteinzeitliche Bauern in den steilen Felsenhängen des zerklüfteten Flusstals – und bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts sind die Höhlen durchgehend bewohnt. Es ist ein dunkler Ort, geprägt von Armut und Krankheit. Menschen in Lumpen hausen hier zusammen mit Schafen und Ziegen, Malaria und Typhus gehen um. In den 1950er Jahren lässt Italien die Sassi räumen. Rund 20.000 Menschen werden umgesiedelt und die Höhlen der Verwahrlosung überlassen. Erst in den 1980er Jahren werden die einzigartigen Siedlungen wieder entdeckt, kurz darauf von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt, und in den kommenden Jahren vorsichtig renoviert und erschlossen.
In 18 der Tuffstein-Kavernen kann man heute sogar übernachten. Im Sinne des alternativen Hotel-Konzepts „Albergo Diffuso“, bei dem historische Stätten mit kleinstmöglichen Veränderungen bewohnbar gemacht werden, hat die Sextantio Le Grotte della Civita ein absolut einmaliges Hotel-Erlebnis geschaffen: Wie ein Mönch aus dem 15. Jahrhundert genießt man bei Kerzenschein die Stille der steinernen Höhlen – kann sich aber, falls einem doch etwas fröstelt, ins heiße Wasser einer modernen Designerbadewanne gleiten lassen. Fernseher und Telefon gibt es glücklicherweise nicht. Und am nächsten Morgen wird das Frühstück mit regionalen Leckereien in einer ehemaligen Felsenkirche serviert.
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Fotos: Sextantio