Vor fünf Jahren sahen sich die Sattler von Hermès vor eine besondere Aufgabe gestellt: Der Besitzer eines Delahaye 135 MS Cabriolets ließ anfragen, ob die ansässigen Spezialisten eine Möglichkeit sähen, das Lederinterieur seines kostbaren Klassikers originalgetreu zu restaurieren. Nach einer gründlichen Inspektion des Delahaye stellten sich die Sattler dieser Herausforderung.
Schon einmal, 67 Jahre zuvor, erreichte ein solcher Auftrag die Hermès-Werkstätten in der Rue du Faubourg Saint Honoré 24 in Paris, allerdings mit dem Unterschied, dass der Auftraggeber der französische Autohersteller Delahaye selbst war. Für den Pariser Automobilsalon des Jahres 1938 wollte man ein ganz besonderes Cabriolet präsentieren. Der für sein extravagantes Design bekannte Karosseriebauer Figoni & Falashi wurde mit dem Bau einer besonders windschnittigen Karosserie beauftragt, während man die Sattlereien von Hermès mit der Anfertigung eines Interieurs betraute, das neben dem Gestühl auch Lenkrad und Armaturen einschließen sollte.
Leider wurde das tiefschwarz lackierte und mit einer leuchtend roten Lederausstattung gefertigte Einzelstück niemals auf der Pariser Autoshow gezeigt, da diese aufgrund des sich bereits ankündigenden Krieges abgesagt wurde. So wurde der Wagen an eine gewisse Mrs Chandler verkauft, die sich wohl sehr begeistert ob des besonderen Hermès-Lederinterieurs gezeigt hatte. Nach weiteren Eigentümerwechseln gelangte das Cabriolet in die Hände seines heutigen Besitzers, der sich letztendlich dafür entschied, die Restaurierung des Lederinterieurs wieder in die Hände der französischen Manufaktur zu geben.
Das sich immer noch im Besitz der Familie Hermès befindliche Unternehmen ist bekannt für seine penible Pflege der hauseigenen Archive, was sich gerade für dieses Projekt auszahlen sollte. Man fand die Originaldokumente, die man 1938 für die Anfertigung der Erstausstattung verwendet hatte. Nach mühevoller Arbeit konnten die Sattler in weniger als einem Jahr die originalgetreue Ausstattung des Delahaye präsentieren. Darüber hinaus fertigten die hauseigenen Malletiers eine farblich abgestimmten und perfekt für den Kofferraum des Zweisitzers zugeschnittenen Lederkoffer. Auch bei der Herstellung des Maß-Gepäcks zeigt sich die Liebe zum Perfektionismus: Für die Verschlüsse wurden Originalbeschläge aus den 30er Jahren, die im Hermès-Fundus archiviert worden waren, verbaut. Mit dieser aufwändigen Arbeit hat die französische Manufaktur Standards gesetzt.
Erwähnt sei, dass die Lederwerkstätten von Hermès nicht nur Ausstattungen für Klassiker anfertigen, sondern auch moderne Automobile in den Werkstätten in Paris „aufwerten“. Jüngere Projekte waren ein Sondermodell des Bugatti Veyron, und sogar dem cleveren Stadtflitzer Smart wurde ein neues Interieur verpasst.
Wer sich in die elegante Karosse verliebt haben sollte, hat die Möglichkeit, für den Delahaye bei der kommenden RM Auktion in Monaco mitzubieten. Allerdings liegt die Taxe bei rund 1.700.000 bis 2.000.000 Euro. Bonne chance!
Text: J. Philip Rathgen
Fotos: RM Auctions, Hermés
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