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St. Moritz: Höhenforschung

Auf 1.822 Metern über dem Meeresspiegel ist die Luft dünn. Die Menschen duzen sich. Man sieht Pferde auf dem Eis traben, Oldtimer im Schnee driften und Engländer, die sich kopfüber in den Eiskanal stürzen. Sinnestäuschungen im Höhenrausch? Nein, ein ganz normaler Tag im Oberengadiner Alpenstädtchen St. Moritz. Bei unserem Ausflug in das Winterparadies haben wir einige der skurrilsten, schönsten und geheimsten Stationen besucht, die St. Moritz und dessen Nachbarorte zu bieten haben. Was Sie unbedingt wissen sollten und mehr lesen Sie in unserem unkonventionellen Reisebericht.

In Zürich gelandet – Flugzeit Hamburg/Zürich: rund eine Stunde – wartet meine weibliche Begleitung in einem wintererprobten Alfa Spider. In etwa drei Stunden schaffen wir den Aufstieg über den Juliapass nach St. Moritz. Wer es sich leisten kann, setzt gar nicht erst auf, sondern landet direkt auf dem Airport Engadin im benachbarten Samedan. Es ist wahr, dort oben zwischen den Schluchten gibt es tatsächlich einen kleinen Flughafen, wo etwa im Stundentakt Privatjets starten und landen und sogar größere Passagierflugzeuge Landeerlaubnis erhalten.

Einige Stunden später auf dem St. Moritzer See – während der Winterzeit ist seine Eisdecke durchschnittlich 50 Zentimeter dick – begrüßt uns die untergehende Sonne. Im Westen zwischen dem Südhang des Piz Nair und dem Nordhang des Piz Corvatsch blinzelt sie noch einmal. Auf dem See beginnen gerade die Aufbauarbeiten für das Winterspektakel in St. Moritz – nach den letzten Olympischen Winterspielen im Jahr 1948 – dem alljährlichen Winterpolo auf Eis vom 24. bis 27. Januar 2008. Bis dahin ist es relativ ruhig in der Graubündener Gemeinde, schließlich sind die anstrengenden Feiertage gerade erst überstanden.

Hotel Misani

St. Moritz: Höhenforschung Hotels gibt es reichlich in St. Moritz. Viele Häuser haben im Namenszug die Endung „Palace“, auch die, die es nicht nötig hätten. So etwa das erste Haus am Platze, das Badrutt's Palace. Unser Hotel heißt kurz Misani. Es liegt im direkten Nachbarort Celerina am Südhang und wurde um die zweite Jahrtausendwende durch einen Neuanbau erweitert. Das Besondere an dem Designhotel: Jedes seiner 39 Zimmer ist anders. Innenarchitekt Edoardo Coretti und die Designer Marco Zuffellato und Thana Al-Zoghaibi haben die Räumlichkeiten individuell gestaltet. Hoteldirektor Jürg Mettler erklärt uns, „dass jeder Raum seinen eigenen Arbeitstitel erhielt – beispielsweise „Under the Sun“, „1001 Nacht“ oder „Mexico“. Entsprechend wurden vom Lampenschirm bis zum Teppich passende Materialen verwendet. Teilweise stammen diese direkt aus den jeweiligen Regionen, die das Zimmer widerspiegelt.

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Im Hotel Misani gibt es drei separate Restaurants. Fangen wir unten an, tief unten. Das Hotel baut auf einem 130 Jahre alten Fundament, das früher als Weinhandelshaus bekannt war. Die Kellerwände stammen bis heute zu 80 Prozent aus dieser Zeit. In diese historischen Gemäuer wurde mit viel Liebe zum Detail die „Bodega – Tapas- & Winebar“ eingerichtet. Gäste werden hier mit Tapas und weiteren mediterranen Spezialitäten verwöhnt. Einmal im Monat lässt Jürg das Restaurant leer räumen und empfängt über 300 Gäste zum nächtlichen Clubbing.

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Im Erdgeschoss des Misani warten eine Bar und zwei weitere Restaurants. Im Ustaria Misani wird Ihnen morgens das Frühstück serviert und abends Spezialitäten der Region sowie italienische Speisen kredenzt. Die dritte Location, das Restaurant Voyage, bietet feinste Spezialitäten der Region und internationale Highlights, wie etwa Carpaccio vom Junghirsch, Thunfisch in Sesamkruste gebraten oder Berglamm-Carré im Ofen geschmort. Schauen Sie sich alle Stationen des Hotel Misani sowie die Styling-Rooms im Internet unter www.hotelmisani.ch an.

El Paradiso

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Unweit vom Hotel Misani wartet der Lift zum Ski-Gebiet Corviglia, das bei wolkenlosem Himmel zum Sonnenbaden auf einer der Ski-Hütten einlädt. Eine besondere Adresse auf 2.181 Meter ist das El Paradiso, das treffender Weise mit dem Slogan „Close to Heaven“ wirbt. Die Terrassen des El Paradiso „La Ventana“ und „Bar-Terrasse“ empfangen ihre Gäste mit Lounge-Musik, aromatischem Duft brennender Nadelhölzer und einem traumhaften Blick ins Tal. Alle Sitzflächen sind mit Schafsfellen, Kissen und Decken üppig ausgelegt.

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Bei gutem Wetter brummt die Hütte sprichwörtlich. Manager Hans-Jörg Zingg stellt während der Wintersaison täglich 45 Mitarbeiter auf. Allein in der Küche arbeiten 14 Köche. „Wir bereiten alles frisch zu“, versichert uns Hans-Jörg und weist gleichzeitig auf die logistische Meisterleistung hin, in über 2.000 Meter Höhe jeden Tag für bis zu 1.000 Essensbestellungen gewappnet zu sein. Dass die Qualität der Speisen bei steigender Nachfrage nicht sinkt, versteht sich von selbst. Passend zum Mahl empfiehlt Ihnen Ehefrau Anja Zingg gerne persönlich einen edlen Tropfen aus dem erstklassigen Weinkeller des El Paradiso. Ein kleiner Tipp: Wer nur zum Kaffee vorbei kommt, sollte unbedingt die berühmte Creme-Schnitte, die das El Paradiso auf eigens entworfenen Tellern serviert, probieren. Für Abendveranstaltungen richtet der Gastgeber stets einen Hol- und Bringservice mit der hauseigenen Schneeraupe ein.

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Primula

Wussten Sie es schon? In Champfèr, ein weiterer charmanter Nachbarort, befindet sich das einzige indische Restaurant im Oberengadin – das Primula. Im Januar 2007 entstand die Idee, Einheimischen wie Touristen mit fernöstlichen Speisen eine kulinarische Abwechslung zu bieten. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin hat Chefkoch Jens Bochow hinter traditionellen Graubündener Mauern eine lauschige Location eingerichtet. Jens hat schon für den Sultan von Brunei und das britische Königshaus gekocht; er ist längst ein Routinier der Nouvelle Cuisine. Haben Sie also Vertrauen und lassen Sie sich bei Ihrem ersten Besuch einfach ein Menü schreiben. Es werden Ihnen Spezialitäten aus der euro-indischen Fusion-Küche Jens Bochows serviert. Diese ist fettarmer als die klassische indische Küche. Ich verspreche Ihnen, Sie werden jeden Gang genießen und gleichzeitig von der visuellen und geschmacklichen Vielfalt der Speisen überrascht sein. Weitersagen.

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Cresta Run

Kommen wir zum sportlichen Teil: Die schnellste und vielleicht gefährlichste Sportart im Oberengadin, der Cresta Run, haben ausgerechnet die Engländer erfunden. Dabei stürzen sich die meist britischen Gentlemen mit dem Kopf voran, samt 40 Kilo schwerem Schlitten in den Eiskanal. Spitzengeschwindigkeiten: bis 140 km/h. Anders als beim professionellen Skeleton-Sport sind die Steilkurven absichtlich offen gehalten, sodass Piloten regelmäßig ungeplant die Bahn verlassen. Mehr als Knochenbrüche und Platzwunden wurden bisher jedoch offiziell nicht registriert.

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Der Cresta Run ist eine frühmorgendliche Veranstaltung und endet stets am Mittag. Zum Auftaktlauf früh um sieben wird der traditionelle Bull-Shot serviert, eine Mischung aus Wodka, Tabasco, Rinderbrühe. Die Wirkungsweise erwähnen wir aus moralischen Gründen an dieser Stelle nicht. Zum Mittagessen und -trinken treffen sich die Cresta-Piloten in der legendären Sunny Bar im Kulm Hotel. Hier werden in ausgelassener Stimmung die Sieger des jeweiligen Laufes gekrönt.

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Cascade Restaurant & Bar

Unglaublich, dass nach diesem ereignisreichen Programm der Tag erst angebrochen ist. Es steht also noch die Abendplanung aus. Zum Dinner bestellen wir uns einen Tisch im Cascade Restaurant & Bar, das im Zentrum von St. Moritz liegt. Die italienischen Speisen werden unter altedlen, beleuchteten Glasdecken serviert. Das Publikum ist gewollt gemischt – jung wie alt trifft sich regelmäßig zu einem Drink an der berühmten Bar oder im Restaurant zum gemeinsamen Schlemmen.

WinterRAID

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Station im Oberengadin macht im Januar auch der WinterRAID. Diese Oldtimer-Winterrallye ist nichts für brave Sonntagsfahrer. Auf den Pässen, die der RAID-Tross jährlich überquert, herrschen teilweise heftige Bedingungen. Als das Feld am 11.01. gegen 18.00 Uhr im nahe gelegenen Kieswerk eintrifft, können wir gerade noch den Bernina Pass überqueren, der wegen Schneesturm kurze Zeit später gesperrt wurde. Diese Route stand den Klassikern noch bevor. Im Kieswerk fand der klassische Slalom-Wettbewerb um den „White Star of St. Moritz“ statt. Gewertet wurde die Gleichmäßigkeit zweier Rundenzeiten. Der Sieg ging an Philipp Buhofer und Peter Lustenberger (CH) im Austin-Healey BN-7 3000 MK 2, Baujahr 1960. Gesamtsieger der WinterRAID wurden in diesem Jahr die Deutschen Hans-Jörg Goetzl und Michael Schröder im Opel Commodore B GS, Baujahr 1972. Der nächste RAID findet im Sommer statt. Mehr Infos finden Sie unter www.raid.ch.

Corvatsch & Corviglia

Es gibt noch weitaus mehr Attraktionen in und um St. Moritz, die das Oberengadin zu einer der schönsten Ski-Regionen der Welt macht. Unsere Leidenschaft gebührt – neben dem Automobil – der Piste und unseren Snowboards, mit denen wir täglich die Dreitausender erkundet haben. Unsere Empfehlung an sonnigen Tagen: Früh am Morgen auf die eiskalte Nordwand des Piz Corvatsch, dann ist der Schnee perfekt und der Pistenverkehr überschaubar. Zum Mittag schaukeln Sie zum Südhang Piz Nair (Corviglia) über. Gönnen Sie sich eine Mittagspause im El Paradiso und genießen Sie anschließend auf der Piste die letzten Sonnenstrahlen.

Ehe wir nun das Kapital St. Moritz vorerst schließen, möchten wir noch einen Geheimtipp abgeben: irgendwo auf einem großen Platz finden Sie eine historische Baracke, die damals Tunnelarbeitern zur Verfügung stand. Heute lädt die ehemalige Baracke unter dem treffenden Namen „La Baracca“ zum Graubündener Fassbier ein. Inhaber Max bietet seinen Gästen eine authentische Kneipenatmosphäre und damit eine gelungene Abwechslung zur traditionellen St. Moritzer Gastronomie. Einen eigenen Internetauftritt hat „La Baracca“ nicht, „die Menschen finden uns einfach und kommen wieder“, erklärt uns Max sein Erfolgsgeheimnis.

Wenn Sie mehr über St. Moritz erfahren und aktuell informiert bleiben möchten, klicken Sie auf www.stmoritz.ch. Der Winter ist noch jung!

Text: Jan-Christian Richter
Fotos: Nanette Schärf, Hotel Misani, RAID



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